E I G H T

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Wir wohnten in einem einfachen Hotel an an der Hauptverkehrsstraße. Die Zimmer gingen nach hinten in einen Park hinaus, und der Pool befand sich laut dem Plan der im Fahrstuhl hing auf dem Dach. Ich wusste nicht, wann Harry mich dort treffen wollte, deshalb entschied ich nachzusehen ob Dad noch wach war. Kaum hatte ich aufgeschlossen, hörte ich auch schon Dads sonores Schnarchen. Ich machte ein wenig Lärm und ging dann ins Bad um mir die Zähne zu putzen. Dann verwühlte ich mein Bett. Aus Dads Richtung kam keinerlei Reaktion und so schlich ich mich schließlich hinaus und zog die Tür sachte hinter mir ins Schloss.
Es war still auf dem Flur, in der Ferne waren hupemde Autos zu hören, doch der Verkehr hielt sich um die Uhrzeit in Grenzen. Ich schlenderte zurück zum Fahrstuhl und fuhr in das oberste Stockwerk. Kaum war ich ausgestiegen, hörte ich leise Gitarrenklänge. Neugierig bog ich um die ecke und sah ihn.
Harry saß am Rand des beleuchteten Pools und spielte mit geschlossenen Augen auf einer braunen Akustikgitarre. Ich blieb stehen, um ihn zu beobachten. Er berührte das Instrument so zärtlich, dass ich wünschte, ich wäre die Gitarre.
Als er mich bemerkte, spielte er einen dramatischen Akkord, bevor er mit der eingängigen Melodie fortfuhr.
Ich ließ mich mit gekreuzten Beinen neben ihm nieder und fuhr mit der Hand durch das kühle Wasser.
"Was ist das für ein Song?"
Harry antwortete nicht sofort. Er war in dem Lied gefangen und ich spürte, dass die Spannung, die vorher zwischen uns geherrscht hatte, abgeklungen war.
"War is Love", erwiederte er endlich und sah mich an. "Ich komponiere gerne ruhigere Stücke. Wenn es irgendwann mal klappen sollte, würde ich gerne ein Soloalbum mit all den Liedern von den Momenten in meinem Leben handeln, die mich geprägt haben."
Ich nickte und wünschte mir, dass dieser Abend ebenfalls ein prägender Moment in seinem Leben war. Harry studierte mein Gesicht."Spielst du ein Instrument?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein."
"Dein Vater sagt du hättest sein Talent geerbt. Du bemerkst Dinge in einem Song, die anderen entgehen."
"Sagt er das?" Ich fühlte mich geschmeichelt. Harry lächelte. "Ja, das sagt er. Er hält große Stücke auf dich. Was hast du in meinem Song gehört?"
Diese Frage verunsicherte mich. Weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders gewesen war. Trotzdem wollte ich sie nicht unbeantwortet lassen: "Das Akustik-Intro klingt ruhig, beinahe schwermütig. Dann ändert sich das Tempo und die Intensität nimmt zu. Die Melodie klingt beinahe fröhlich, wird emotionaler, bevor sich das ganze zu einem Epos ausweitet und den Refrain in eine andere, Sehr bedrückende Tonlage zieht..." Ich stockte, denn Harry hob eine Augenbraue und ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte."Wow", murmelte er beeindruckt. "Du hast es auf den Punkt gebracht. Genau das wollte ich beim Hörer erreichen. War is Love handelt von meiner toten Schwester. Sie starb mit nur wenigen Monaten am plötzlichen Kingstod. Ich war eifersüchtig, als sie auf die Welt kam, aber als sie wieder ging, da war es, als nehme sie ein Stück von mir mit. Meine Eltern konnten ihren Tod nicht verarbeiten und ließen sich bald darauf scheiden. Da war ich neun."
Er schlug weitere Akkorde an. Friedlich hallten sie in den Nachthimmel über uns, während das Licht des Pools unruhige Schatten auf Harrys Gesicht warf. "Talk is cheap.", erklärte er die Melodie. "Diesen Song habe ich geschrieben, als meine Mutter wieder geheiratet hat. Ich mag meinen Stiefvater. Er ist ein guter Kerl."
Ich lauschte dem Text sowie Harrys klarer, tiefer Stimme und fragte mich, warum wir nicht dort weitermachen konnten, wo wir vor mehr als einer Stunde aufgehört hatten.
Endlich ließ er die die Saiten verklungen, stützte sich sich auf seiner Gitarre ab und starrte in die Ferne. "Du lebst deinen Traum.", stellte ich fest. "Vermutlich ist es mehr als ein Traum. Irgendwie sehe ich es als meine Bestimmung an. Was sind deine Träume? "
Mir fielen auf Anhieb sehr viele Antworten auf diese Frage ein. Stattdessen antwortete ich: "Irgendwann möchte ich mit dem Rucksack um die Welt reisen." "Im Ernst?" "Ja, ich stelle es mir als die ganz große Freiheit vor. Ein einziges, wunderbares Abenteuer." "Dann wirst du es tun müssen. Ich fühle mich frei, wenn ich ehrliche Musik machen kann. Dein Vater war der erste, der das in mir gesehen hat. Er versteht mich." Ich wollte ihm sagen, dass ich ihn auch verstand, aber dann fiel mir ein, dass die Geschichten, die er mir gerade erzählt hatte, neu für mich waren. Ich wusste noch so wenig über ihn. Anderseits, war das in diesem Moment so wichtig? Ich rutschte näher zu ihm heran und Harry strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Was willst du eines Tages werden?"
"Keine Ahnung", antwortete ich wahrheitsgemäß."Eure Managerin?"
Er grinste und ich fuhr fort:"Die Zeit bei euch hat mir gezeigt, welche Möglichkeiten es gibt. Ich war Teil des Entstehungsprozesses eures Albums. Das hat mich total begeistert. Ich würde wirklich gerne einmal in die Musik Branche einsteigen, aber da wird mir meine Mutter wohl einen Strich durch die Rechnung machen." "Wie ist sie so?" "Anders als Dad." Ich lächelte wehmütig."Ich bewundere deinen Vater und nehme ihn ernst.", flüsterte er."Wenn er dich in meinem Bett erwischt, weiß ich nicht, was er tun wird." Er küsste meine Nasenspitze."Ich will das Risiko nicht eingehen. One Direction ist auf dem Weg nach oben. Wir arbeiten seit über einem Jahr unglaublich hart für unser Album und ich will mir das Vertrauen deines Vaters nicht verspielen." "Aber vorhin...", begann ich und hörte mich plötzlich selber reden. Ich klang wie ein winselnder Welpe, der um Zuneigung bettelte. Erschrocken schloss ich meinem Mund, ich wollte ihn nicht anflehen. Das ließ mein stolz nicht zu. Mein Herz pochte schmerzhaft in meiner Brust. "War es echt?", fragte ich. "Und ob es das war." Harry lehnte seine Stirn gegen meine. "Du bist etwas besonderes, Am. Ich möchte das nicht kaputt machen. Nicht für eine Nacht. Du fliegst bald wieder nach Hause und wirst dein eigenes Leben weiterfürhen. Unsere Zeit ist noch nicht gekommen."

Timeless | H.SWo Geschichten leben. Entdecke jetzt