Chapter 31

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Ich renne. Und ich habe Kal an der Hand. Eher gesagt zieht er mich hinter sich her. Er ist schnell und ich versuche Schritt zu halten. Wie sind wir überhaupt in diesen Gang gekommen? Sind wir aus dem Gerichtssaal gelaufen? Hab ich Wilk nochmal gesehn? Nein, wenigstens das wüsste ich noch. Mein Handy klingelt immer noch.

Die letzten Minuten sind irgendwie vorbei gerast. Nur eins weiß ich: Alle sind in Panik. Überall laufen Werwölfe herum. Verwandelt oder nicht. Mensch und Tier rennen durcheinander und rufen, beziehungsweise bellen sich Befehle zu.

Wir werden angegriffen, Sir.

Was bedeutet das? Wir werden angegriffen. Von wem? Etwa von einem anderen Rudel? Vielleicht sogar von dem Rudel, dass sich weigert die Werwölfe geheim zu halten. Mein Herz pocht schneller. Wir sind jetzt am Ende des Gangs angekommen. Eine Tür befindet sich vor uns, Kal drückt sie auf.

"Scheiße." Flüstert er. Wir sind direkt in den Angriff gelaufen. Knurren, Brüllen, Schreie. Es scheinen mindestens 30 Wölfe auf jeder Seite zu sein. Überall, wo man hinsieht, kämpfen Wölfe miteinander. Ich versuche Wilks typisches Fell irgendwo auszumachen, kann in dem Gewimmel aber nichts erkennen.

"Wir müssen wieder rein. Ich dachte sie kommen von vorne." Kal zieht an meiner Hand. Doch genau in dem Augenblick stürzt sich ein grauer Wolf auf ihn und er lässt mich los. "Kal!" Kreische ich, als sich das Bündel aus Mensch und Wolf über den Boden rollt. Kal hat als Mensch keine Chance gegen das wilde Tier. Er braucht Zeit sich zu verwandeln. Doch genau das hat er nicht. Keine Zeit. Keine Zeit.

Aber vielleicht kann ich ihm Zeit verschaffen. Der Wolf kann mich mit einem einzelnen Biss ins Genick töten, aber ich kann ihn Überraschen. Nur so lange, bis Kal ein Wolf ist. Nur so lange.

Ich habe nie an einen Gott geglaubt, aber bevor ich mich auf den Wolf stürze, stoße ich ein kurzes Stoßgebet aus.

Dann werfe ich mich auf den Rücken des grauen und ziehe ihn mit meinem Schwung von Kal runter.
Der Wolf erholt sich schnell von seinem Schock und fährt herum. Ich versuche aufzustehen, aber er springt mich an und stößt mich wieder um und ich knalle mit meinem Kopf auf die harte Erde. Der Wolf ist über mir, ich versuche mich umzudrehen um wieder auf die Beine zu kommen, aber er stößt mir mit dem Kopf in den Magen und meinen Lungen entweicht die Luft.

Er stellt sich mit den Vorderbeinen auf meinen Oberkörper, sodass ich bewegungsunfähig bin und kommt knurrend mit seinem Kopf näher. Speichel tropft auf meine Wange und ich kann seinen Atem riechen. Totes Fleisch.

Ich versuche meine Arme zu heben und ihn weg zu drücken, doch er drückt meine Arme mit den Hinterbeinen nach unten und gräbt die Krallen in meine Ellenbogen. Ich stöhne auf vor Schmerz.
Verdammt, wie lange braucht Kal um sich zu verwandeln? Ich habe ihn aus den Augen verloren.

Die Reißzähne des Wolfs sind schon fast an meiner Kehle und ich traue mich nicht zu atmen. Plötzlich ist das Gewicht auf meinem Brust weg und ich kann wieder frei atmen. Keuchend setze ich mich auf und blicke direkt in zwei leuchtend blaue Augen. Wilk. Mein Blick fliegt von seinem blutigen Maul bis zu dem Wolf zu seinen Füßen. Seine Kehle ist offen, Blut sprudelt wie ein Bach daraus hervor und tränkt meine Turnschuhe rot. Mir wird schlecht.

Ich stehe auf und laufe los. Wilks Körper drückt sich an meine Seite. Ich halte Ausschau nach Kal, aber auch jetzt kann ich ihn zwischen all den Körpern nicht ausmachen. Wilk lenkt mich am Rand des Schlachfeldes entlang, auf dem Weg zu der Tür. Kommt uns ein kämpfendes Paar zu nahe, knurrt er laut und presst mich noch näher an die Hausmauer.

Ich versuche mich zu beeilen, aber beim Fall habe ich mir den Knöchel umgebogen und meine blutigen Schuhe rutschen auf dem Gras immer wieder aus. Die Tür kommt nur langsam näher.

SchneewittchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt