Chapter 32

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Irgendwo, vielleicht Kanada, Tag 1

Ich weiß nicht, ob Stacheligel und Rinozeros manchmal feiern gehen. Aber sollten sie es tun, steigt gerade die heftigste aller Partys in meinem Kopf. Als ich mich aufsetze verschwimmt meine Sicht und ein Schmerz durchzieht meine Wirbelsäule, mein Handgelenk knickt schmerzhaft weg.

Ich falle wieder zu Boden, keuche auf und versuche mich zu orientieren. Ich liege auf einem harten, kalten Steinboden, das raue Material drückt sich in meine Wange. Es ist kalt und ziemlich nass und dunkel. Ich kann kaum etwas erkennen. Es gibt keine Lichtquelle im Raum. Das einzige Fenster, so groß wie ein kleines Handtuch, befindet sich ca 2 Meter über meinem Kopf und ist verschlossen. Ich kann nicht erkennen, ob es Tag oder Nacht ist.

Ich atme tief durch, bevor ich mich ein zweites Mal aufrichte, diesmal versuche ich mein linkes Handgelenk nicht allzu sehr zu belasten. Der Raum ist nicht groß. Vielleicht gerade mal 12 Quadratmeter. Es ist zwar dunkel, doch ich bin mir sicher alleine zu sein. Ich höre niemanden atmen.

Ich wanke zu einer Ecke des Zimmers und lasse mich unter dem Fenster auf den Boden gleiten. Ich schließe die Augen. Was wollen die von mir? Was will Jack von mir? Ich muss an meine Mutter denken. Was wird sie tun, wenn ich nicht nach Hause komme? Das schlimmste befürchten? Wird sie ahnen, dass ich nicht freiwillig gegangen bin? Oder wird sie denken, ich sei weggelaufen? Ein zweites Mal.

Mir kommen die Tränen und ich versuche nicht an die verhängnisvolle Nacht zu denken, in der er und ich geplant hatten wegzulaufen. Wir wollten nach Australien, da, wo uns seine Familie nicht finden konnte. Ich denke meiner Mutter tut der Gedanke, dass ich sie einfach so verlassen hätte mehr weh, als die Tatsache, dass ich nach seinem Tod nicht mehr aufstehen wollte. Wie muss es sich anfühlen, wenn man weiß, dass die einzige Tochter wegglaufen wollte?

Ich schüttele den Kopf und versuche an etwas anderes zu denken. Sofort hab ivh Wilk im Kopf. Panik macht sich in mir breit. Wir sind getrennt. Und das bedeutet ich werde nicht sehr lange überleben. Die Lücke neben mir, die sich immer so anfühlt als würde etwas fehlen, ist klaffend tief. Nur wenn Wilk da ist, kann sie gefüllt werden.

Ich ziehe die Beine an und schlinge die Arme darum. Jack weiß von unserer Verbindung, was bringt es ihm uns zu trennen? Will er uns langsam und schmerzhaft sterben sehen? Oder hat er ein anderes Ziel? Ich kann mir nicht vorstellen, warum er mich entführt hat. Ich habe von Werwölfen ungefähr so viel Ahnung, wie von Atomphysik. Inwiefern kann ich Jack bei irgendetwas behilflich sein?

Ich huste und meine Lunge zieht sich schmerzhaft zusammen. Die ersten Anzeichen der Krankheit zeigen sich schon. Wie lange bin ich hier schon? Wie lange bin ich schon von Wilk getrennt? Und besonder; wie lange habe ich noch zu leben?

Es vergehen Stunden. Vielleicht auch nur Minuten. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Es gibt nur diese langen Sekunden, die sich in der Dunkelheit dahinziehen, wie zäher Kaugummi. Mach einer Weile weiß ich nichteinmal mehr, ob ich schlafe oder wach bin. Ich kauere in der Ecke versuche an nichts zu denken und warte darauf, dass etwas passiert. Irgendetwas nur um dieser unendlichen Finsterniss und dieser anhaltenden Langweile zu entfliehen.

Schreie und gebrüll mischen sich in meine schwarzen Träume. Oder bin ich wach? Habe ich überhaupt schon geschlafen? Bin ich müde? Wie lange braucht ein Mensch um in diesem Umfeld verrückt zu werden?

Stunden ziehen dahin. Minuten vergehen. Sekunden lachen mich aus. Ich glaube, ich leide unter Schlafmangel.
Irgendwann nicke ich ein. Träume von Wilk. Immer wieder Wilk, wie er von Jack und einem unbekannten Schatten zerfetzt wird. Immer und immer wieder. Ich denke, ich bin schon längst verrückt.

Ein lauter Knall und rasselnde Geräsche lasse mich hochschrecken und ich stoße mit den Kopf an der kalten Steinwand, als ich den Kopf hoch reiße.
Ich versuche etwas zu sagen, doch meiner Kehle entflieht nur ein Krächzen. Ich habe seit Stunden nichts gesagt oder getrunken.

SchneewittchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt