19 - Angst / timere

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„Hier, dein Kaffee." Jason reichte mir eine Tasse von diesem ekelhaften Gebräu, das die Menschen fast vergötterten. Gedankenverloren nahm ich sie entgegen. Ich verstand einfach nicht, wer da mit mir gesprochen hatte. Es konnte nicht meine Mutter gewesen sein. Das war unmöglich. Lillith war tot. Aber es gibt keinen anderen Dämon oder Engel mit violetten Augen. Hatte ich mich getäuscht? „Wer ist Lilith?"
„Was?", fragte ich. Meine Aufmerksamkeit war immer noch bei diesem seltsamen Vorfall. Es dauerte eine Weile bis mein Hirn seine Worte ganz aufgenommen hatte. Als ich realisierte, was er gesagt hatte, sah ich ihn erschrocken an.
„Du hast gerade ihren Namen vor dich hin gemurmelt." Als ich immer noch nichts antwortete, gab er mir, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, einen Kuss auf die Stirn und schaltete die Nachrichten ein. Sein Schmunzeln verging sofort, als er der Nachrichtensprecherin aufmerksam zuhörte. Die Frau sah ernst und besorgt zugleich aus. Sie sagte etwas über einen Massenmörder, der brutale Gewalt auf seine Opfer ausübte und dass die Menschen höchst vorsichtig sein sollten, Frauen und Männer. Nun hörte ich nur noch mit halbem Ohr zu. Ich hatte Besseres, worüber ich nachdenken musste. Kurz vernahm ich noch, dass bereits in mehreren Ländern, verstreut auf der ganzen Erde, Morde mit derselben Vorgehensweise und Brutalität geschehen waren. Sollen sie es doch selbst lösen, ich misch mich nicht ein. Erneut in Gedanken versunken grübelte ich weiter über diesen seltsamen Nicht-Traum nach. Wieso sollte ich von meiner verrückten, toten Mutter..., ja, was eigentlich? Ich wusste ja nicht einmal was das gewesen war. Eine Vision? Ein Hirngespinst? Ich hatte keine Ahnung. Doch mehr Zeit, darüber nachzudenken, blieb mir nicht, denn ich wurde aus meinen Gedanken gerissen. Ein grelles Licht blendete mich. Ich schirmte meine Augen ab und wandte mich von der Quelle des Lichtes ab. Als es schließlich abebbte, wandte ich mich den Störenfrieden zu. Ich wollte ihnen gerade alle möglichen Schimpftiraden an den Kopf werfen, doch ihre ernsten Mienen ließen mich inne halten. Gabriel, Michael, Haniel und Bariel standen vor mir.
„Welch Ehre, gleich vier Erzengel kommen mich besuchen. Was hab ich nun schon wieder angestellt?", ich warf einen Blick auf Jason, doch der, wie nicht anders erwartet, schlief tief und fest. Sie hatten gleich einen Zauber auf ihn gelegt. Als ich die vier wieder ansah und sie immer noch keine Miene verzogen hatten, ahnte ich, dass es kein erfreulicher Besuch werden würde. Naja, es war nie erfreulich, wenn ein Engel zu mir kam, aber ihren Gesichtern nach zu urteilen stand es ziemlich schlecht. Und sie waren auch noch zu viert. „Okay, schon gut, ich reiß mich zusammen. Was wollt ihr von mir? Ich habe euch schon einmal gesagt, dass ich kein Interesse daran habe, Dämonen zu vernichten, nur damit ihr weniger Arbeit habt."
„Fiona...", Gabriel fing gerade mit sanfter Stimme zu sprechen an, als Michael sie grob unterbrach.
„Fiona, hör auf mit diesem lächerlichen Geschwätz und hör mir genau zu. Hast du etwas damit zu tun? Sag uns die Wahrheit!", seine Stimme war bedrohlich. Ich hatte noch keinen Engel eine solch grobe Redensart sprechen hören. Was zur Hölle war hier los?
„Ich habe gar nichts getan. Falls du die Kühe meinst, die sind alle noch wohl auf!", ich wusste, dass es nicht das sein konnte, was Michael so in Rage versetzt hatte, aber nun ja, ich war ein Dämon, ich konnte nicht anders. Ich sah, wie er um Beherrschung rang. Bevor er wieder ausrasten konnte, schritt Gabriel ein. Mit einer Hand auf Michaels Arm, wahrscheinlich um ihn zu beruhigen, erklärte sie mir:
„Bariel hat uns berichtet, dass schlimme Dinge in der Welt geschehen." Ich wollte schon wieder eine Bemerkung machen, da ja immer schlimme Dinge geschehen und dies meistens meiner Wenigkeit zu verdanken war, aber sie sah mich streng an und ich hielt ausnahmsweise mal meine Klappe. „Hast du schon von den Morden gehört?".
„Ich habe vorhin etwas in der Art in den Nachrichten gehört. Glaubt ihr etwa, ich hätte nichts Besseres zu tun, als quer durch die Welt zu laufen und irgendwelche Menschen zu fressen?" Das darf doch nicht wahr sein! Ich bin doch nicht verrückt!
„Nein, das wollten wir damit nicht andeuten. Es sind..., nun..., Bariel hat etwas gesichtet...", dieses Hinauszögern machte mich noch wahnsinnig.
„Gabriel, was geht hier vor, was wollt ihr mir sagen und weshalb sprecht ihr überhaupt mit mir darüber?". Mit verschränkten Armen und zusammengezogenen Brauen sah Michael zu Gabriel hinüber.
„Glaube mir, Fiona, das haben wir außerordentlich lange diskutiert. Ich war auch der Meinung, dass wir nicht mit dir darüber sprechen sollten. Vor allem dann nicht, wenn du es warst, die sie freigelassen hat!", kleine Härchen stellten sich auf meinem Rücken auf. Freigelassen, das klang gar nicht gut. Es gab nicht viel, das ein Dämon könnte freilassen. Für das Meiste davon wäre dieser Aufwand hier gar nicht nötig. Es musste etwas sehr Gefährliches sein, wenn sie sich solche Sorgen machten. Ich hatte eine Ahnung was das sein könnte, hoffte aber mit aller Kraft, dass ich falsch lag. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was es für Folgen nach sich ziehen würde, wenn es wahr wäre. Ich schüttelte mich. Nein! Das war es sicher nicht, das durfte es nicht sein.
„Fiona, ist alles in Ordnung? Du siehst ein bisschen blass aus." Gabriel kam auf mich zu und setzte sich neben mich.
„Ich glaube nicht, dass sie es war, der sie freigelassen hat. Andernfalls würde sie nicht bei der bloßen Ahnung, was frei sein könnte, bleich werden." Bariels Stimme klang fern und dumpf. Er hatte eine schöne Stimme, weich und einlullend. Ich schüttelte den Kopf über meine Gedanken. Die Absurdität dieser Gedanken ließ mich wieder klar im Kopf werden.
„Sagt es mir! Was wurde freigelassen?". Michaels sturer Blick schien zu schwanken. Nach ein paar Minuten des Schweigens sprach er das Wort aus, das ich nie wieder in meinem ganzen ewigen Leben hören wollte.
„Trolle. Sie wurden freigelassen. Die Trolle wurden freigelassen und bringen gerade in aller Öffentlichkeit die Menschen um." Mir wurde schlecht. Nur der Gedanke daran ließ mich wie einen Hund zittern.
„Und was soll ich eurer Meinung nach jetzt tun?", meine Stimme war schroff, aber das war mir egal! Ich stand auf und ging im Zimmer umher. Ich musste nachdenken. Es gab nur einen, der die Möglichkeit, oder die Courage hatte, diese Mistviecher zu befreien. Was will er damit bezwecken? „Hebt es auf. Hebt es auf!", meine Stimme klang fast hysterisch, aber das war mir egal. „Hebt diesen verdammten Zauber auf, sodass ich zu meinem Vater gehen kann!".
„Fiona, beruhige dich. Es tut mir leid, aber ich muss dich das jetzt fragen. Hast du etwas damit zu tun oder wusstest du, dass jemand sie befreien wollte?", ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich hielt inne und sah Gabriel an.
„Seid ihr von allen Geistern verlassen? Wie könnt ihr auch nur annähernd daran denken, dass ich damit einverstanden gewesen wäre, geschweige denn es aus eigener Hand getan hätte? Habt ihr etwas geraucht? Ich bin doch nicht lebensmüde. Wegen ihnen hätte ich Jack fast verloren und ich...", ich stoppte, dieses Detail, diesen tiefsten Punkt meines Lebens, brauchten sie nicht zu erfahren. Niemand wird das je erfahren. Ich habe es verdrängt und so wird es auch bleiben. Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Nein, ich habe sie nicht freigelassen und ich wusste auch nichts davon. Was wollt ihr von mir? Geht doch zu eurem ach so lieben Vater und lasst euch von ihm helfen. Ich tu es ganz bestimmt nicht.". Ich sah sie nicht an, ich konnte mir auch so vorstellen, wie sie mich ansahen.
„Wir brauchen deine Hilfe." Es war Michael, der das sagte. Ich war darüber so überrascht, dass ich mich ihnen doch zuwandte. „Dein Vater war, kurz nachdem du auf der Menschenwelt aufgetaucht warst, bei uns. Er hat uns gedroht, alle umzubringen und die Trolle auf die Menschen loszulassen, falls wir uns zu viel in deine Aufgabe einmischen würden."
„Ihr dachtet, dass er es nicht wirklich wahr werden lässt?", fragte ich etwas ungläubig. Sie müssten es doch besser wissen.
„Nein, wir wussten, dass er es ernst meinen würde. Nur war es uns wichtiger, mehr über dich herauszufinden."
„Ich verstehe das auch jetzt nicht, so wie ich es auf dem beschissenen Dach nicht verstanden habe. Was es über mich zu wissen gibt, kann euch jeder x-beliebige Dämon sagen. Ich mache kein Geheimnis daraus." Ich massierte mir den Kopf. Ich hatte zwar keine Kopfschmerzen, aber es half mir, mich zu beruhigen.
„Nicht, wenn es Dinge sind, die du vielleicht selbst noch gar nicht weist.". Ich schnaubte.
„Ja, wie zum Beispiel die Prophezeiung oder dass ich Licht in mir habe. Okay das mit dem Licht, das weiß ich mittlerweile. Aber die Liste geht ja noch weiter, zum Beispiel habe ich keine Ahnung, was mit mir in letzter Zeit los ist. Ich habe mich nämlich dazu entschlossen, dass ich Jason nicht benutzen werde. Seht ihr, mit mir stimmt Einiges nicht. Denn wenn mit mir alles in Ordnung wäre, würde ich bestimmt nicht mit einem Haufen Engel darüber sprechen, ob ich einen Menschen verschonen werde und damit den Zorn meines Vaters auf mich ziehen werde." Ich wurde immer aufgebrachter und ging schneller und schneller im Raum umher. „Mein Vater wird die Gründe dazu hinterfragen und da ich es selbst nicht weiß, weil ich es einfach nicht verstehe, wird er mich umbringen. Er wird mich umbringen und euch dann auch noch dazu. Er wird euch die Schuld geben, es wird ihm egal sein, was ihr sagt, ob es stimmt oder nicht, er wird euch alle vernichten und dann wird das Gleichgewicht durcheinandergebracht. Das geht nicht gut. Das geht ganz und gar nicht gut. Migronei wird das nicht zulassen, oder? Sie wird doch einschreiten, oder?", ich atmete schwer. Irgendwie fühlte ich mich... freier. Ich hatte zumindest einen Teil meines Frustes und meiner Ängste an ihnen ausgelassen. Es ging mir besser. Ich schaute mich um, wollte in ihre Gesichter sehen, doch irgendwie befand ich mich nicht mehr dort, wo ich war. Irgendwie war ich... höher. Ich sah hinab, und da waren sie. Ich schwebte. Wieso zur Hölle schwebe ich? „Wieso schwebe ich?", ihre verdutzten Gesichter sagten mir, dass sie auch nicht den blassesten Schimmer hatten. Michael bekam sich als erstes in den Griff.
„Versuch mal dich zu beruhigen. Du hast dich mehr und mehr in Rage geredet und einfach angefangen zu schweben. Du weißt aber recht wenig über deine Fähigkeiten.", grübelnd legte er die Hand an sein Kinn und rieb darüber.
„Ich kenne meine Fähigkeiten durchaus. Nur das da,", ich fuchtelte mit den Händen zu meinen Füßen hinab. „gehört nicht zu ihnen. Das war bisher erst einmal geschehen." Ich erinnerte mich, das war als Beelzebub mich so sauer werden ließ, dass ich meine Beherrschung verlor. Ich musste mich beruhigen, dann würde ich auch wieder auf den Boden gelangen. Und zwar nicht nur wortwörtlich.
„Wann war das erste Mal?".
„Das tut jetzt nichts zur Sache. Es ist nicht wichtig. Wichtig ist jetzt erst mal, ob Migronei einschreiten wird, falls mein Vater total durchdrehen wird?". Ich war wieder am Boden und meine Gedanken waren wieder einigermaßen an ihrem Ort. Michael grunzte, er war wahrscheinlichnicht zufrieden mit meiner Antwort.
„Nein, wird sie nicht.", ich sah Gabriel ungläubig an. „Sie greift nicht in Entscheidungen ein, die wir treffen. Das, was sie bei dir getan hatte, war etwas anderes. Es war dir nicht vorbestimmt, diese Dinge zu hören. Aber das, was Satasas tut oder eben nicht tut, liegt ganz allein in seiner Hand. Ihn aufzuhalten in unserer." Ich setzte mich hin. Das war mir zu verwirrend.
„Um wieder zu dem Punkt unseres Daseins zu kommen.", drängte nun wieder Michael. „Wir müssen es uns genauer ansehen und wir wären sehr erfreut über deine Hilfe. Du bist ein Dämon, du könntest vielleicht näher an sie herankommen als wir. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie weiter morden."
„Oh nein, nein, nein! Ich komme bestimmt nicht mit euch mit. Das hatten wir gerade eben besprochen. Auch wenn mich deine Bitte fast umgestimmt hätte, nein, ich kann nicht." Das fehlte noch. Ich hatte zwar das verdrängt, was in diesen beschissenen Räumen geschehen war, aber das hieß noch lange nicht, dass ich es hinbekam, ihnen gegenüberzutreten.
„Fiona,", Haniel, die sich bis jetzt noch nicht geäußert hatte, hockte sich vor mich hin und nahm meine Hände in die ihren. „ich fühle, dass dich etwas sehr bedrückt, was mit den Trollen zusammenhängt." Ich wollte mich abwenden, wollte ihr nicht zuhören, wollte auch nicht, dass sie mich anfasste, aber ihre Augen hielten mich fest. Es kam mir so vor, als würden sie mich komplett einnehmen, als wäre ich in ihnen. „Wenn einem etwas Schreckliches geschieht, etwas so Schreckliches, dass der eigene Geist das nicht verkraften kann, dann verschließt es dieser automatisch ganz tief in sich drin, bis man dazu bereit ist."
„Aber ich habe keinen Geist.", meine Stimme klang benommen und sehr sehr leise.
„Nein, Fiona, zu jedem Wesen auf der Welt, egal von welcher Ebene es stammt, gehört ein Geist, eine Seele. Nur, dass er bei euch nicht in euch wohnt. Er schwirrt noch dort, wo alle Seelen schweben, die noch in einen Körper gelangen müssen oder es bereits waren und nun auf ihren nächsten Körper warten." Sie machte eine kurze Pause, sodass ich das Gehörte erst einmal verdauen konnte.
„Ich habe eine Seele, die auf mich wartet?". Das klang so absurd. Ich war doch ein Dämon, ich war verdammt, auf immer und ewig. Das hatte mir noch nie etwas ausgemacht. Wieso auch, ich hatte alles was ich brauchte. Aber nun zu wissen, dass da eine Seele auf mich wartete... aber das tat jetzt nichts zur Sache. Darum würde ich mich später kümmern. „Was hat das alles mit der Ang..., mit den Trollen zu tun?"
„Da du deinen Geist nicht in dir hast, kannst du so etwas nicht tun. Du wirst es zwar verdrängt haben, aber der Keim sitzt noch zu tief, um dass es ausreichen könnte. Ich könnte dir dabei helfen. Warte, ich zeige es dir." Ein bläulich-weises Licht verdeckte mein ganzes Blickfeld. Dann spürte ich einen schweren Druck, ein schweres Gewicht legte sich auf etwas tief in mir drin und mit dem Druck verschwand die ganze Angst. Alles wovor ich mich fürchtete, mein Vater, die Angst Jak zu verlieren oder eben vor den Trollen, alles war weg. Auch jegliche andere, belanglose Angst, sie war weg. Huh, das war ja mal herrlich. So frei von Angst, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich fühlte mich so leicht. Trotz des riesen Kloses in mir drin, fühlte ich mich leicht. Und dann,wie ein Schlag ins Gesicht, kam alles wieder zurück. Der Druck und das schwere Gewicht verschwanden zwar, aber all meine kleinen und großen Ängste kamen wieder. Sie erdrückten mich fast und ich fing leicht zu zittern an. Haniel drückte leicht meine Hände. Ich beruhigte mich.
„Was hast du gemacht?", meine Stimme war nicht schroff, nur neugierig.
„Ich habe gerade all deine Ängste... hmm, wie kann ich das am besten erklären, einfach ausgedrückt, habe deine Ängste zugedeckt. Ich wollte dir zeigen, zu was ich im Stande bin. Leider konnte ich es dir nur einen Augenblick demonstrieren und so habe ich all deine Ängste abgedeckt. Um dies effektiv und auf Dauer aufrechtzuerhalten, kann ich dies nur mit einer Angst tun. Ich kann nur das bedecken, was mit den Trollen zu tun hat. Mit all den anderen Dingen musst du selbst fertig werden. Allerdings wird es dir nicht recht gefallen." Der Sog ließ langsam nach und ich konnte mich endlich aus ihren Augen befreien. Nun setzte auch mein Hirn wieder ein und ich wandte mich ab.
„Was hast du getan? Wieso konnte ich mich nicht von deinem Blick abwenden? Wieso war ich in deinen Augen gefangen?" Das gefiel mir gar nicht. Ich hasste es, wenn mich jemand komplett in der Hand hatte. Haniel sah mich offen an.
„Ich habe dich nur..., naja, nennen wir es mal beruhigt. Ich wollte nur, dass du mir zuhörst, es selbst erlebst, ohne dich gleich dagegen zu stellen." Der erste Schock war groß, aber langsam beruhigte ich mich wieder. Ich sah Gabriel an. Sie hatte bei mir auch so etwas gemacht, nur war es ein bisschen anders. Das würde ich später in Ruhe mit ihr besprechen.
„Was musst du tun, das mir nicht gefallen wird?", nun sah ich Haniel wieder an.
„Ich muss zu deiner Angst. Du musst sie mir öffnen, mich einlassen und ich muss sie vollständig sehen können, nur dann kann ich sie für längere Zeit abdecken." Ich bewegte mich nicht mehr, alles an mir hatte sich verkrampft.
„Nein!", sagte ich mit einer Endgültigkeit, die sogar mich selbst erstaunte. Auch wenn es noch so schön gewesen war, von all der Angst befreit zu sein. Ich würde es nicht zulassen, dass auch nur irgendwer, irgendetwas davon erfahren würde. Ich drehte mich um, sah ihnen nicht mehr in die Augen. „Ich will mich noch von Jason verabschieden, dann gehen wir auf Trolljagd."
„Fiona..."
„Nein! Ich komme klar. Ich werde es schon schaffen. Lasst mir nur ein paar Minuten mit Jason, dann komme ich nach." Ich spürte Gabriels Blicke noch ein paar Sekunden auf meinen Rücken, dann drehte auch sie sich, wie die anderen, um und verschwand in einer Kugel aus hellem Licht. Ich kuschelte mich an Jason. Er regte sich etwas, sie hatten wohl, als sie verschwunden waren, ihren Zauber aufgehoben und nun war er dabei, wach zu werden. Er drehte sich grinsend zu mir um.
„Sind wir wieder eingeschlafen? Wir dürfen das nächste Mal nicht so lange aufbleiben." Die Erinnerung, die seine Worte in mir wachriefen, ließen mich selbst ein wenig schmunzeln. Er ließ mich viele Dinge vergessen, aber hierbei holte mich die Realität leider wieder viel zu schnell ein. Ich verdrängte noch einmal die Angst, sog tief den Duft seiner Haut ein und genoss das Gefühl seiner starken Arme um meinem Körper. Wenn ich dieses Gefühl nicht irgendwann aufgeben wollte, dann musste ich stark sein, ich musste es einfach schaffen, ihnen entgegenzutreten. Ich brauchte unbedingt einen Plan, wir brauchten unbedingt einen gottverdammten Plan. Einen gegen die Trolle und gegen meinen Vater. Nun musste ich wirklich lachen. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal zusammen mit den Engeln gegen meinen Vater ziehen würde. Aber es musste sein. Zu meinem Schutz. Ich sah Jason an. Nicht nur zu meinem Schutz, zu Jasons Schutz, zu unser aller Schutz!

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