9 - Pega / Ein Funke Licht in der Dunkelheit

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Jetzt war ich an der Reihe. Er kam endlich zu mir. Vorfreude überkam mich und ich wedelte so heftig mit meinem Schwanz, dass mein Hinterteil gleich mitschwang. Ich setzte mich hin, wollte mich beruhigen, nicht so aufgeregt sein, doch es half nichts. Im Sitzen konnte ich nicht richtig wedeln, Vater würde nicht richtig sehen, dass ich mich so sehr auf ihn freue. Ich musste wieder aufstehen. Nun stand ich auf allen vieren, mein Schwanz, der ununterbrochen wedelte und mein Körper, der nicht Ruhe geben wollte. Meine tolpatschigen Beine ließen mich fast stolpern. Sehnsüchtig hatte ich seit meiner Geburt auf diesen Moment gewartet, diese unzähligen Jahre lang immer gewartet. Jetzt war es soweit. Ich werde ein richtiger Pega. Man konnte sich nicht aussuchen einer zu werden. Pegasus suchte einen selbst aus, beziehungsweise suchte er Tiere aus, die viel Kontakt mit den Menschen haben. Er besuchte diese,lediglich Weibchen, dann im Traum und berührte diese dann mit seinem Licht. Die nächsten Welpen waren somit alle Pegasus' Kinder. Es war eine Ehre.

Pegasus stand nun vor mir und musterte mich, strahlend weiß leuchtete sein Fell. Langsam senkte er seinen großen Kopf und stupste mir mit diesem in die Seite. Sofort wurde ich ruhig. Seine Berührungen sollen sogar Wunden heilen. Nun bog er die Knie und verbeugte sich vor mir, seine Flügel breitete er dabei aus. Ich tat es ihm nach. Stunden hatte ich dies alles hier geprobt und wieder geprobt. Ich wusste jeden einzelnen Schritt in- und auswendig. Jetzt kam der lustige Teil der ganzen Zeremonie. Pegasus öffnete sein Maul und ein strahlendes Licht leuchtete daraus. Langsam schwebte dieses zu mir und umhüllte mich. Ich schloss meine Augen. Es war wunderbar, so weich und warm fühlte es sich an. Pure Freude erfüllte mein Herz. Ich fing an zu schweben. Nun befand ich mich auf derselben Höhe wie Pegasus' Kopf. Ich spürte, wie sich meine Knochen formten und veränderten. Meine ganze Statur veränderte sich. Von dem kleinen Welpen, der ich zuvor noch gewesen war, wurde ich nun zu einem ausgewachsenen Pferd mit Flügeln. Mit Pegasus' Schönheit konnte ich nicht im Geringsten mithalten, doch ich sah ihm ähnlich und deshalb war es die ewige Warterei auf diesen Moment zu hundert Prozent wert. Es fühlte sich seltsam an. Nun hatte ich Hufen anstatt Pfoten, mein Schwanz, nein mein Schweif, fühlte sich auch anders an. Und diese Flügel, oh mein Gott, ich habe jetzt Flügel! Euphorisch wie ich war, wollte ich mich schon in die Lüfte erheben, doch das Licht, das mich immer noch umhülle, hinderte mich daran.

„Na, na, mein kleiner Sprössling, nicht so hektisch. Wir haben noch Einiges vor uns." Seine Stimme, so ruhig und gelassen, man fühlte sich Zuhause und dachte sofort an Familie. Sie beruhigte mich. Ich schämte mich. Vor lauter Aufregung über mein neues Erscheinungsbild hatte ich ganz vergessen wo ich mich befand.

„Du musst mir jetzt aufmerksam zuhören, parva Lion. Zu Anfang kannst du diesen Körper nicht behalten. Deine Fähigkeiten werden auch erst mit der Zeit kommen. Nun wirst du mit den Anderen auf die Akademie geschickt. Dort werdet ihr mit eurer Magie in Berührung kommen und euch mittels derer dann auch in diesen Körper versetzen können, um somit für einen Kampf gerüstet zu sein. Danach werdet ihr auf die Menschenwelt geschickt. Du wirst Aufgaben bekommen, die nicht immer einfach sein werden, aber ich werde stets an deiner Seite weilen. Die Verwandlung zu deinem definitiven Pegakörper, wird erst dann vollendet sein, wenn du deinen ersten Schützling vom Bösen befreit hast. Bis dahin behältst du den Körper mit dem du geboren wurdest. Wie deine Zukunft aussieht, das kann ich dir nicht sagen, es liegt allein in deiner Hand, welchen Pfad du wählst."

Zum hundertsten Geburtstag bekamen wir Pega eine Geschichtsvision, dort zeigte man uns was wir sind und worin unsere Aufgabe bestand: wir waren Helfer des Lichts und Verbanner der Dunkelheit. Nun bekam ich wieder so eine Art Geschichtsvision, nur diesmal zeigte diese nicht unsere prachtvolle Seite, nein, sie zeigte mir, welche Verlockungen die Dunkelheit bereithielt und was die Folgen waren. Bilder der Zerstörung überfluteten meinen Geist. Ich wollte meine Augen schließen und mich von den grauenvollen Szenen abwenden. Doch ich konnte es nicht, Pegasus ließ mich nicht. Ich fing an zu schreien, besser gesagt wieherte ich. Ich hob meine Hufen wild in die Luft und stieß panisch um mich. All das Blut und die Verzweiflung derer, die Opfer der Dunkelheit wurden, es machte mich traurig und wütend. Ich wollte etwas unternehmen, wollte sie alle retten. Doch ich wusste, dass es nicht mehr in meiner Macht stand. Zorn und Trauer überkamen mich und ich schrie innerlich so laut, dass die Bilder von einem Moment auf den nächsten verschwanden. Kraftlos sackte ich in mich zusammen. Diese Schreie und angsterfüllten Gesichter werden mich bis an mein Lebensende verfolgen. Tröstend umarmte er mich mit seinem Kopf. Es tat gut. Nach solchen Bildern wollte man nur noch in den Arm genommen werden.

The other sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt