3 - Ponea area (2) / Strafraum (2)

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Diese Biester hatten mich umzingelt. Ihre momentane Größe betrug zehn Zentimeter, sie konnten sich aber nach Belieben größer oder kleiner machen. Irgendwie schienen sie von innen heraus zu leuchten, ein dumpfes schweres Leuchten. Sie schwirrten blitzschnell um mich herum, sodass ich nur noch Lichtstreifen wahrnahm.
Der Kreis um mich herum wurde immer kleiner. Blitzschnell breitete ich meine Flügel aus und drehte mich schneller und schneller. Ich bewegte mich nach vorne, um die Trolle zu treffen, aber sie waren einfach zu flink. Wenigstens konnte ich sie mir vom Leibe halten und nachdenken, wie ich am besten vorgehen sollte. Ich musste aus diesem Todeskreis herauskommen. Während der Drehung hob ich blitzschnell meine Flügel und noch bevor sie auf mich einstürmen konnten, ließ ich sie hinunter sausen. Ich war in der Luft, nach ein paar Flügelschlägen befand ich mich außerhalb der Gefahrenzone.
Suchend sahen sie umher. Trotz der Dunkelheit hatten sie schnell herausgefunden, wo ich mich befand. Sie fingen an zu springen und einer hätte es fast geschafft, sich an mein Bein zu klammern. Meine Macht beschwörend, schloss ich die Augen, eine Handbewegung später wurde der Troll durch die Luft geschleudert und prallte gegen die Wand. Einen Augenblick blieb er reglos am Boden liegen, erholte sich aber schnell wieder und setzte erneut zu einem Sprung an.
Eine Weile ging es so hin und her. Sie sprangen und ich wehrte sie mit meiner Magie ab. Einigen, die weiter entfernt waren, schleuderte ich Feuerbälle entgegen, anderen Eiszapfen, die sich durch deren Brust bohrten, aber nichts half. Immer wieder erhoben sie sich von Neuem, egal wie viel Feuer sie verbrannte, oder Eiszapfen sie aufspießten. Langsam wurde ich müde, denn es war eine Menge an Kraft erforderlich, um mit diesen gigantischen Flügeln zu fliegen und gleichzeitig Magie anzuwenden. Ich glitt zurück auf dem Boden und versuchte es mit dem Nahkampf. Schwer atmend versuchte ich den hin- und hersausenden Trollen auszuweichen, doch vergebens. Ich spürte überall das Brennen der Schnitte, die sie mir mit ihren Schwertern zufügten.
Über meinen Brüsten verlief eine tiefe Wunde aus der mein schwarzes Blut nur so herausströmte. Mein ganzer Körper war blutüberströmt. Meine Geduld war am Ende. Ich ließ mir Krallen anstelle der Nägel wachsen, die eine Länge von drei Zentimetern betrugen. Einer der Trolle, er hielt sich wohl für sehr schlau, tanzte hüpfend vor mir herum. Mit einer flinken Handbewegung köpfte ich ihn. Vor Entsetzen riss er die Augen auf, auch alle anderen hielten auf ein Mal inne, da sie nicht mehr damit gerechnet hatten. Der Troll verlor seinen Kopf und erhob sich nicht wieder.
,,Dann halt enthaupten.''
Es wurde still. Keiner von ihnen machte auch nur die kleinste Bewegung. Sie schienen Statuen geworden zu sein. Die kleine Verschnaufpause nutzte ich aus um etwas Kraft zu tanken und meine Heilung in Gang zu bringen. Meine Wunden hörten unmittelbar auf zu bluten und verschwanden schließlich. Einer der Trolle kam nach vorne und während er sich mir näherte, wurde er immer größer und größer. Als er vor mir stand, überragte er mich um fast das Doppelte. Jetzt konnte ich ihn mir auch genauer ansehen. Seine Haut wirkte aufgeblasen, sie war faltig und grau. Die Füße waren hufartig aber die Hände sahen normal aus. Er hatte hüftlange, grauweiße Haare, die ihm fettig ins Gesicht hingen. Seine Lippen waren bleich und rissig und die Nase glich einer Kartoffel.
Er sah fast aus wie ein Zombie, als hätte er schon seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen und ich wollte bestimmt nicht diejenige sein, die es ändern würde.
Hinter mir hatten sich zwei andere Trolle, nicht mehr in Miniformat, an mich herangeschlichen. Als ich es bemerkte, war es schon zu spät. Einer packte meine Flügel und hielt sie fest umklammert. Der andere schnappte sich gleichzeitig meine Arme und drehte sie in einem schmerzhaften Winkel zwischen den Flügeln nach oben. Jeweils fünf der Miniformate angelten sich eins meiner Beine und spreizten sie so weit, dass jede Chance auf Bewegung aussichtslos war.
Ich schüttelte mich, versuchte verzweifelt aus der Umklammerung dieser verquollenen Hände herauszukommen, aber bei jedem Versuch musste ich fast vor Schmerzen aufschreien. Der Troll, von dem ich ausging, dass er der Anführer war, grinste mich voller Freude an.
''Dämonin nicht können bewegen. Troll wollen Bewegung von Dämonin, Dämonin können bewegen. Troll nicht wollen Bewegung von Dämonin, Dämonin nicht können bewegen. Dämonin schwach, Trolle stark!'' Seine Stimme glich der eines Affen, dunkel, unbeholfen und schwer zu verstehen.
''Du kannst mich mal.'', schnauzte ich ihm verachtend entgegen und spuckte ihm ins Gesicht. Es war nicht eine meiner besten Entscheidungen, denn aus seinem aschfahlem Gesicht wurde eine vor Zorn rote Fratze. Ein Brennen breitete sich über meine linke Gesichtshälfte aus. Durch den Schlag, den er mir verpasst hatte, wurde mein Kiefer gebrochen und hing jetzt schräg hinunter. In meinem Kopf drehte sich alles.
''Hässlich.'' Angewidert starrte er mich an. Mit einer schnellen Bewegung renkte er mir meinen Kiefer wieder ein. ''Besser.''
Die Zähne zusammenbeißend versuchte ich, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es schmerzte.
''Troll Angebot annehmen.'' Mit einem zufriedenen Lächeln nickte er einmal.
Verwirrt über das, was er gesagt hatte, konnte ich ihn nur anstarren. Er gab den anderen einen Wink und die legten mich sofort auf den Boden. Meine Arme waren jetzt über meinem Kopf, links und rechts von mir stand jeweils ein Troll in Großformat und hielt meine Flügel straff. An meinen Beinen hatte sich nichts geändert.
''Welches Angebot soll ich dir bitte gemacht haben? Ich glaube, du hast sie nicht mehr alle beisammen!'' Verständnislos sah er mich an, dann schaute er sich im Raum um und wandte sich dann wieder meiner Wenigkeit zu.
''Alle hier, außer einen. Dämonin einen umgebracht. Alle da! Dämonin Angebot gemacht, Troll akzeptieren. Lange her.'' Bei seinen letzten Worten veränderte sich seine Stimmlage und sein Gesichtsausdruck. Wenn möglich, dann wurde sie irgendwie weicher und träumerisch, ich konnte es nicht ganz einschätzen.
''Hier nur Männer. Gefallen Troll nicht. Dämonin Frau, Dämonin Angebot gemacht, Troll akzeptieren.'' In seinem Gesicht spielte sich wieder dieser komische Gesichtsausdruck ab, aber ich konnte einfach nicht verstehen, was er bedeutete.
Ich versuchte zu überlegen, was er mit ,,Angebot'' meinte. Das Einzige, was ich sagte war, dass er mich mal k... oh Scheisse! Als mir klar wurde, über was dieser Schwachsinnige da sprach, gefror mir das Blut in den Adern. Meine Augen weiteten sich vor Schreck und mein Mund wurde trocken wie Staub.
,,Warte, warte, warte, so hab ich das doch nicht gemeint! Das sagt man doch nur so.'' Dieser Volltrottel, solche Sachen interpretiert er falsch, aber wenn ich ihm sage er habe sie nicht alle beisammen, zählt er seine Gefolgschaft ab.
,,Troll kennen Bedeutung von Worten. Dämonin Angebot gemacht, Troll finden Dämonin hübsch, Troll Angebot akzeptieren.'' Er fing an, seinen Lumpen von Hose auszuziehen.
,,Nein! Ich nehme mein Angebot zurück!''
,,Kein Unterschied. Troll sich nehmen, was Troll will. Dämonin keinen Ausweg.'' Er hielt einen Augenblick inne und beugte sich zu mir herab. Sein Atem lies mich würgen.
,,Dämonin wunderschöner Körper, gefallen Troll sehr." Wieder machte er so ein komisches Gesicht, dann ging mir ein Licht auf. Er flirtete mit mir!
,,Igitt." Angewidert verzog ich das Gesicht. ,,Ich werde bestimmt nicht mit dir schlafen. Da würde ich noch lieber mit einem Menschen schlafen!"
,,Nicht Schlafen. Troll nicht müde. Vereinigung, Troll und Dämonin."
Meine Nerven lagen blank und vermischt mit der Angst, die ich empfand, war das keine gute Kombination. Nochmals versuchte ich, mich loszureißen. Ich versuchte diese Mistviecher auf meinen Beinen abzuschütteln, aber ich hatte nicht die Kraft dazu. Woher zum Teufel nahmen diese winzigen Mistviecher nur ihre Kraft her? Während ich versuchte, mich zu befreien, hatte der Troll sich bereits ausgezogen. Ich war sprachlos, als ich sein bestes Teil sah. Mein einziger Gedanke war, wenn ich nicht sofort von hier weckkam, würde er mich zerreißen.
Der Troll bemerkte meinen Blick, interpretierte ihn aber falsch.
,,Oh ja. Troll großes Vergnügen bereiten".
,,Das glaube ich weniger."
Panik breitete sich in mir aus, mein Herz raste und meine Atmung verdreifachte sich. Etwas Zeit, um mir einen Plan auszudenken, blieb mir noch, da ich meine Kleidung noch anhatte. Wenn ich mir allerdings seine riesigen Hände und meine spärliche Bekleidung, bestehend aus sehr kurzem, bauchfreiem Top und sehr kurzem Minirock, ansah, würde mir nicht viel Zeit bleiben. Ich wusste keinen Ausweg, ich hatte nicht die Kraft um mich loszureißen, Magie half nicht und Jak hatte ich auch nicht bei mir. Lachend beugte er sich zu mir runter und riss mir die Kleidung vom Leib. Auch alle anderen hatten ein Grinsen im Gesicht, Vorfreude auf das Kommende.
Bevor ich es realisiert hatte, drang er blitzschnell in mich ein. Ich schrie vor Schmerzen auf. Etwas riss und durch das Brennen der Wunde wusste ich, dass ich blutete.
Langsam zog er sich wieder zurück, um gleich darauf umso schneller wieder in mich einzudringen. Als sein Glied nach ein paar weiteren heftigen Stößen nicht weiter eindringen konnte, schloss er die Augen und genoss die wohlige Wärme, die es umschloss. Erleichtert über der Pause holte ich kräftig Atem. Ich verfluchte innerlich meinen Vater, mir nicht einmal Jak gelassen zu haben. Langsam begann er sich wieder zu bewegen und ich musste an mich halten, um nicht loszuschreien.
Ich fühlte mich erniedrigt. Tränen rannen mir über die Wangen.
Ich versuchte mit den mir gebliebenen Kräften noch einmal, mich loszureißen, aber dies führte nur zu heftigeren Stößen. Meine Hoffnung, hier je wieder lebend rauszukommen, schwand mit jedem Stoß, den er in mich rammte. So hilflos wie in diesem Moment habe ich mich noch nie in meinen ganzen zweihundertunddreißig Jahren gefühlt. In mir wurde es still und leer, die Angst schwand und mit ihr auch der Wille. Dieser Troll hatte mich gebrochen und das auf die widerlichste, abscheulichste und abartigste Art und Weise. Ich schloss meine Augen, versuchte alles um mich herum auszublenden. Nicht mehr daran zu denken, dass mit jedem Stoß ein kleines Stücken mehr meines Selbst vernichtet wurde. Nichts war mehr da, was mich ausmachte. Wieso konnte ich mich nicht zur Wehr setzten, hatte ich dies etwa gewollt? War es meine Schuld? Klar war es das, mein loses Mundwerk. In Tausende und Abertausende kleine Scherben war ich gebrochen. Meinen Körper spürte ich nicht mehr und ich blendete alles aus. Dies war meine Strafe, für all die Male, wo ich widersprochen hatte, meinem Vater zu wenig Respektgezollt hatte.
Ein Kribbeln gefolgt von einer mir allzu vertrauten Gänsehaut, ließ mich wieder in das Jetzt zurückkehren. Er hatte mir Jak geschickt, warum? Sollte ich nicht leiden? War dies nicht sein Wille?
Ich müsste ihn nur frei lassen und er würde mir helfen, ich könnte erneut etwas Hoffnung schöpfen.
Aber was, wenn wir trotzdem sterben? Ich will Jak nicht leiden lassen. Habe ich überhaupt noch die Kraft dazu? Jetzt war Jak da und die Leere von vorhin wurde durch ihn ersetzt. Ich suhlte mich in dem Gefühl, ich war nicht mehr allein. Nein auf keinen Fall lass ich ihn frei, die Leere würde wieder zurückkehren. Und ich wäre wieder allein und einsam. Die Entscheidung wurde mir abgenommen, denn schlagartig kehrte die Leere zurück, er hatte sich selbst befreit. Wie war das möglich?
Schreckenslaute und das Gefühl, nicht mehr durchbohrt zu werden, ließ mich aufschauen. Jak hatte den Anführer enthauptet, der zu abgelenkt war, um zu reagieren. Er lag jetzt tot und ohne Kopf auf mir aber immer noch in mir. Jak kämpfte gegen die anderen Trolle an, sie waren ohne ihren Anführer schwächer. Er kämpfte, aber er war alleine und sie zu viele. Ich hatte keine Kraft mehr, mein ganzer Körper zitterte. Jak wurde verletzt und heulte auf. Ich starrte nur nach oben, zitternd lag ich da wie ein Häufchen Elend.
Als ich dann doch kurz zu Jak schaute, sah ich, dass er sechs Trolle umgebracht hatte. Er blutete überall, sein Fell war schwarz und verklebt.
Ich kann ihm nicht helfen, aber sie werden ihn umbringen. Angst machte sich wieder in mir breit. Mit Entsetzen realisierte ich, dass der Troll immer noch in mir war. Schreiend stieß ich ihn von mir, zog die Beine an mich und umklammerte sie mit all meiner restlichen Kraft. Ich schaukelte mich vor und zurück, während im Hintergrund die Kampfgeräusche, das Schreien der Trolle und Jaks Jaulen zu hören war. Ich spähte kurz zu Jak rüber, es waren einfach zu viele, er konnte es nicht schaffen.
Dann auf einmal kippte er auf die Seite und regte sich nicht mehr. Ich beobachtete seine Brust in der Erwartung, das Heben und Senken der Atmung zu sehen. Doch es blieb aus. Er atmete nicht mehr. Jak atmete nicht mehr.
Auf ein Mal kehrte alles zurück, mein Wille und meine ganze Kraft. Wut breitete sich in mir aus, Hass erfüllte mein Herz. Wo zuvor noch diese klaffende Leere war, war jetzt Entschlossenheit. Ich würde alle Verantwortlichen töten, und wenn es sein müsste, dann würde ich auch meinen Vater töten.
,,Jaaaaaaak!" Verzweifelt rannte ich zu ihm, um mich zu vergewissern, aber es gab keine Lebenszeichen von ihm. Mit der Hand fuhr ich behutsam über die vielen Wunden und das blutdurchtränkte Fell. Seinen Kopf legte ich auf meinem Schoß und flüsterte ihm beschwichtigende Worte zu.
Die Trolle warfen sich auf mich, schlitzten mich auf, ich spürte keinen Schmerz mehr, konzentrierte mich nur noch auf Jak. Als sie alle anfingen mich wegzuzerren, weg von Jak, da schaltete etwas in mir um.
,,Nein!", schrie ich mit einer Stimme, die nicht mehr die meine zu sein schien. Meine Augen wurden weiß, meinen Kopf in den Nacken legend wollte ich aufschreien, aber heraus kam nur Licht. Meine Haut fing an zu leuchten, immer heller und heller. Was geschah mit mir? Die Trolle auf mir sprangen schreiend von mir runter. Hatten diese Biester etwas mit mir gemacht? Wollten sie mich mittels Licht umbringen? Ich wüsste nicht, dass irgendein dämonisches Wesen auf der ganzen anderen Seite zu so etwas im Stande sein könnte.
Sobald das Licht die Trolle auch nur ansatzweise berührte, zerfielen sie zu Staub. Dafür konnten nicht sie verantwortlich sein, wieso sollte es sie denn töten und mich nicht? Aber wer war es dann? Mein Vater? Als Entschuldigung, mich fast umgebracht zu haben? Wohl kaum, jedenfalls nicht deshalb. Das Gekreische und Geschreie ließ mir fast das Trommelfell platzen. Eigentlich müsste ich das gleiche Ende wie die Trolle nehmen, was ging hier vor sich? Langsam wurde ich immer schwächer, meine Wahrnehmung schwand und das grelle Licht, das jetzt den ganzen Raum erfüllte, wurde durch schwarzes Vergessen ersetzt.
Es gab nur noch mich und die Dunkelheit.
War dies mein Tod?
Sollte das jetzt wirklich alles gewesen sein?
Würde dies meine Zukunft sein, nur mein Bewusstsein und die ewige Leere?
Wie kam es dazu, dass ich hier war?
Wer war ich... ?

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