4.Kapitel

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So kann das nicht weiter gehen. Warum macht mich diese Frau so wütend? Warum senkt sich meine Laune, sobald sie uns besucht? Ich sollte es einfach mal akzeptieren, dass Andre mit Regina befreundet ist, oder zusammen ist. Ich kann ja eh nichts machen. Ich komm einfach nicht mit der Eifersucht klar. Eigentlich war ich nie ein Mensch, der auf irgendwas oder irgendjemand eifersüchtig war. Es liegt, glaube ich daran, dass ich ein zu großes Verlangen nach Frauen hab und der einzigste in der WG bin, der dieses Verlangen nicht stillen kann. Kein Wunder, dass es mir so geht, ich hatte ja seit ich 17 bin keine Freundin mehr. Und ich glaub auch, dass es so bleiben wird. Ich bin einfach nicht attraktiv für die Frauen. Wenn ich attraktiv wäre, hätte ich sicher schon irgendeine abgeschleppt.

Ich stütze mein Gesicht in meine Hände. Und schon wieder merke ich diesen Kloß im Hals. Nein, jetzt bloß nicht weinen. Doch ich kann nicht anders. Ganz von allein steigen mir die Tränen in die Augen, ich kann es nicht kontrollieren. Du bist schwach, Jan. Kannst dich nicht mal zusammen reißen, musst immer gleich los heulen. Kein Wunder, dass dich keiner Will. Meine eigenen Gedanken machen mich noch mehr kaputt. Ich merke, wie mein Schluchzen immer lauter wird. Ich will aufhören zu weinen, aber es geht nicht. Jan du Schlappschwanz. Was kannst du eigentlich?

Und dann, ohne es zu wollen, schreie ich laut los. Vor Wut und Trauer. Ich drücke mein Kopf in das Kopfkissen und kralle mich in mein Bettlaken. Ich hasse mich. Ich hasse mein Leben. Ich fühle mich so, wie eine leere Batterie. Ich habe einfach keine Energie mehr. Ich kann einfach nicht mehr.

Plötzlich höre ich wie die Tür aufgeht. 

,,Was geht denn mit dir?'' 

Es ist Cengiz. 

,,Verpiss dich!'' , schreie ich ihn so wütend wie nie zuvor an, obwohl er ja gar nicht Schuld dran ist. Ohne zu antworten schließt er wieder die Tür. 

Na toll. Jetzt denkt er du wärst gestört. Du bist gestört, Jan. Meine Gedanken zerstören mich. Ich entscheide mich Musik zu hören, so laut, dass ich meine innere Stimme nicht hören kann. Es klappt. Mein Schluchzen beginnt nach und nach aufzuhören und in meinem Kopf höre ich nur Musik.

Ich weiß gar nicht, wie lange ich schon hier auf meinem Bett sitze, Musik höre und ins leere starre.

Ich nehme in meinem rechten Augenwinkel wahr, dass jemand die Tür öffnet. Es ist wieder Cengiz. Ich setze meine Kopfhörer ab, aber nehme keinen Blickkontakt auf.

,,Ehm Dsche, das TV Video sollte doch in einer Stunde online gehen. Hast du es schon fertig geschnitten?''

 ,,Ne. Kannst du ja schneiden. Ich mach immer die ganze Arbeit, du und Andre könnt auch mal was machen.'' 

Schweigen.

 ,,Sag mal Dsche, ist alles okay mit dir? Erst schreist du wie son Gestörter und jetzt sagst du, du willst TV nicht schneiden? Du sagst doch immer dir macht das mega Spaß. Bist du etwa untervögelt?'' 

Jetzt hat er es geschafft mich zum ausflippen zu bringen. Ruckartig stehe ich auf, gehe auf Cengiz zu und brülle:

 ,,ALTER, FICK DICH DOCH, DEINE MUTTER IST UNTERVÖGELT! KANNST DU NICHT EIMAL DEINE SCHEIß KLAPPE HALTEN?! MAN DAS REGT ECHT SO AUF!'' 

Ich meine in Cengiz Augen ein klein bisschen Angst zu sehen. Er schaut mich erschrocken an, dreht sich um und schließt die Tür. Shit, was habe ich gerade getan? Noch nie habe ich einer meiner Freunde so angeschrien. Er kann doch gar nichts dafür. Ich lehne mich gegen die Wand und drücke meine Hand gegen meine Stirn. Es wird immer schlimmer. Ich habe meine Gefühle einfach nicht mehr unter Kontrolle. ,,Es ist immer am besten, über seine Gefühle zu reden und sich helfen zu lassen.'' Das hat immer meine Schwester gesagt. Doch, wenn ich jetzt anfange mit irgendjemand über meine Probleme zu reden, kommt das richtig schwach und schwul rüber. Männer können alleine mit ihren Problemen zurecht kommen. Außer ich.

Ich kann doch jetzt nicht einfach zu Cengiz rennen und sagen, dass ich eine Freundin will und, dass ich nicht mehr möchte, dass Regina zu uns kommt. Wenn ich ihm sage, dass ich die ganze Zeit gelogen habe und Regina eigentlich für die letzte Schlampe halte, wird er sicher nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Sara kann ich es nicht sagen, weil sie es sicher Cengiz weiter erzählen wird. Und Andre erst recht nicht. Ich entscheide mich, einfach alles, was mir durch den Kopf geht aufzuschreiben. Das hat mir früher immer geholfen, wenn es mir scheiße ging.

Was ist nur falsch an mir? Was habe ich nicht, was die anderen haben? Warum will mich keiner? Ich sehne mich doch nur nach Aufmerksamkeit, Zuneigung und Geborgenheit. Seit langem hatte ich diese Gefühle nicht mehr. Ich sehne mich danach. Ich brauche jemand, der mir all dies geben kann. Jemand der mir zeigt, dass ich besonders bin. Ich fühle mich so allein. Andre und Cengiz haben wenigstens jemanden, mit den sie am Abend kuscheln können, über alles reden können, küssen können. 8 Jahre ist es her, als ich das letzte Mal jemanden geküsst habe. Küssen ist einer der schönsten Dinge, die es gibt. Es ist das Zeichen der Liebe. Liebe. Ich will doch nur geliebt werden. Nicht mehr einsam sein. Ich fühle mich so leer. Keiner kann mir helfen. Ich kann nicht mehr.

Traumathized (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt