11

129 4 0
                                    

"Ist das dein Bruder?"

Ich zucke ziemlich zusammen und habe einen halben Herzinfarkt.

Was zum Teufel? Wo kommt der denn jetzt her?  Er lacht leise und meint entschuldigend:

"Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht erschrecken."

"Aha."  Ich versuche so abweisend wie möglich zu klingen, was ziemlich schwierig ist.

"Was ist los?"  Er ist ein verdammt guter Schauspieler mit seinem verwirrten Blick!

"Ach nix, ich war nur demletzt im Kino."

"Echt? Cool. Was is daran so schlimm? Wie war's? Welcher Film eigentlich? Mit wem warst du?"

Die letzte Frage hat er ganz vorsichtig hinterher geschoben. Irgendwie knuffig! Ach nein. Ich bin mit ihm ja fertig.

"Was sollte daran schlimm sein? Es war eigentlich ganz lustig. Der Film ist ja nicht so wichtig oder? Ich fand nur die Schauspieler ziemlich interessant. Ach und ich war mit meiner besten Freundin, aber dort haben wir noch ein paar süße Jungs getroffen."

So, das musste ich einfach loswerden. Man sieht deutlich wie er kurz die Fassung verliert, sich aber dann ziemlich schnell wieder fängt. 

"Was heißt denn süße Jungs?", frägt er plötzlich ganz ernst. Oh, ich glaube, ich habe ihn tiefer getroffen wie ich gedacht habe.

"Naja, süße Jungs halt. Aber was interessiert dich das eigentlich?", frage ich schnippisch zurück.

"Du bist mir wichtig?"Wow! Das war jetzt echt süß gesagt.

"Ach ja? Merkt man total. Echt. Ich bin dir sogar so wichtig, dass du mir natürlich sofort sagst, wenn du für ein paar Tage Dreharbeiten hast. Aber das ist ja auch nicht so wichtig, stimmt's?"Ich werde immer lauter und lasse alles aus mir heraus.

"Cleo, ich..."

"Es ist ja auch überhaupt nicht wichtig, was ich hier alles durchgemacht habe. Was glaubst du eigentlich, was ich hier alles fantasiert habe? Was ich mir hier alles ausgemalt habe weil ich nichts mehr, rein gar nichts mehr von dir gehört habe?" Wir sind automatisch stehen geblieben und ich schreie jetzt fast. Ich schaue in seine  Augen, die einen traurigen, grauen Schimmer haben.

"Cleo, hör doch bit..." Ich unterbreche ihn wieder:

"Ach komm geh doch. Ich will keine Ausreden hören. Ich habe keine Lust mehr. Jetzt bekommst du doch sowieso Tausende von Girls. Was willst du eigentlich mehr? Viel Spaß mit denen. Und am Anfang dachte ich echt, du wärst anders wie die Anderen!"

Ich drehe mich einfach um und gehe weiter. Irgendwie rechne ich fest damit, dass er mir hinter her läuft, mich aufhält oder so, aber nichts passiert. Ich versuche mich nicht umzudrehen, aber ich schaffe es nicht. Er steht immer noch an der selben Stelle, wo ich ihn stehen lassen habe. Er bewegt sich nicht, er zwinkert nicht einmal. Er schaut mich einfach nur an. Seine Mimik ist undurchschaubar aber in seinen Augen sehe ich Wut, Verzweiflung und Trauer.

Sie sind grau!

eisblauer WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt