Kapitel 1

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„Bye Mum", rief ich bevor ich die Haustür ins Schloss fallen ließ und Richtung Straße eilte, wo mein bester Freund Thaddeus schon in seinem Mustang auf mich wartete. „Morgen, Sweetheart!", begrüßte er mich. „Morgen.", antwortete ich Augen verdrehend. Er lachte. Er wusste genau, dass ich es hasste, wenn er mir irgendwelche Kosenamen gab, aber er konnte es einfach nicht lassen. „Wie war dein Wochenende?", wollte er dann wissen. „Na wie schon? Wie immer.", erwiderte ich resigniert. Oh, wie ich es hasste. Jede Woche das Gleiche, der gleiche triste Alltag, aus dem man nicht herauskam, egal, wie sehr man sich bemühte. „Ich kann es kaum erwarten hier rauszukommen!", teilte ich Ted meine Gedanken mit. Er nickte grinsend. Er verstand mich. Er lebte bei seinem Onkel, der ihn zwar mit Geld versorgte, aber sonst nichts mit ihm zu tun haben wollte. Seine Eltern waren Geschäftsleute und ständig unterwegs. Er wollte auch weg. „Nicht mehr lange. Noch ein Jahr..." „...Und drei Monate!", ergänzte ich. Er nickte wieder. „Und dann hauen wir ab, Kylie! Dann kommen wir endlich hier raus!" An der Art und Weise, wie er das sagte (und da er meinen richtigen Namen benutzte), merkte ich, dass er es ernst meinte. Zustimmend nickte ich. Was war schon dieses eine Jahr?

Wir fuhren auf den Parkplatz unserer Schule. Als wir ausstiegen wurde Ted direkt von seinen Football-Kollegen begrüßt. Auch einige Cheerleader trafen dazu. Man könnte beinahe meinen, wir würden in den USA leben, denn unsere Schule verkörperte das Highschool-Klischee perfekt: ein Footballteam, Cheerleader, Nerds, Außenseiter und dann noch Normalos, wie ich. Jedoch ist London die Stadt, in der ich seit 17 Jahren lebe. Seufzend sah ich zu Ted. Er passte hier wunderbar rein. Er war der Captain des Footballteams, Schwarm aller Mädchen und mein Nachbar und bester Freund seit dem Kindergarten. Als wir auf die Highschool kamen, gehörte er zu den Beliebten und ich nicht. Trotzdem behandelte er mich weiterhin, als würde diese Grenze zwischen den Beliebten und allen anderen bei uns nicht existieren. Und dafür war ich ihm dankbar, denn das machte einiges leichter. „Kylie!", wurde ich unsanft aus meinen Gedanken gerissen. Meine beste Freundin Eleanor kam auf mich zu. „Hey!", begrüßte ich sie und drückte sie. „Na? Bist du bereit?", fragte sie mich aufgeregt. „Wofür?", fragte ich verwirrt. „Mensch, Kylie, heute kommt doch der Neue in unsere Klasse! Ich habe gehört, dass er Ire ist und Lorenzo meinte, dass Jacob gesagt hat, dass Jemand mitbekommen hat..." Ich winkte ab. „Ist ja gut! Das interessiert mich gar nicht so sehr." Ich lachte. „Wir werden ihn schon noch früh genug kennenlernen, Elly!" Sie lachte auch. Sie war unglaublich neugierig. Sie wusste stets über den neusten Klatsch und Tratsch Bescheid. Zudem war sie wahnsinnig hübsch, womit sie quasi automatisch zu den Beliebten gehörte. Allerdings war sie nicht so Jemand, der die Leute in Kategorien einteilt. Entweder sie mochte dich oder eben nicht. Seit über einem Jahr war sie jetzt schon mit Lorenzo zusammen, der gemeinsam mit Ted Football spielte. Ich hatte wirklich Glück, dass ich sie und Ted hatte, denn sonst würde ich wohl eher ein Außenseiter sein. Aber in ihnen hatte ich wirklich wahre Freunde gefunden.

Gemeinsam mit Eleanor ging ich in meine Klasse. Wir unterhielten uns über das Wochenende, was sie mit Lorenzo verbracht hatte, bis es schellte und unser Klassenlehrer Mr. Hawkins mit einem Jungen den Raum betrat. „Das muss er sein!", wisperte Eleanor aufgeregt. Ich musterte ihn. Er war ziemlich groß und hatte dunkelbraune Haare, die ihm in die Stirn fielen. Darunter blitzten strahlend blaue Augen hervor. Er war muskulös und lässig gekleidet: verwaschene Jeans, ein dunkelgrünes T-Shirt und eine schwarze Lederjacke. „Das ist Dylan, er geht ab heute in diese Klasse. Ich erwarte von euch, dass ihr ihn herzlich aufnehmt!", sagte Mr. Hawkins bestimmt. Die Klasse murmelte ein leises Hallo und Dylan setzte sich irgendwo in die hintere Reihe. Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, was nicht so einfach war, da Eleanor sich ständig nach dem Neuen umsah und mir irgendetwas zuflüsterte, wie zum Beispiel: „Er sieht gut aus!" oder „Glaubst du, er hat eine Freundin?" oder „Ob er wohl Football spielt?". Als es endlich schellte, ging ich gemeinsam mit Eleanor und Lorenzo zu den Schließfächern. Dort verbrachten wir meistens die Pausen. Lorenzo erzählte gerade von einem Footballspiel, das diese Woche stattfinden würde, als Ted mit dem Neuen und einigen anderen auf uns zukam. „Hey, Leute! Das ist Dylan, er spielt Football und das ab heute in unserem Team.", teilte er uns mit. Lorenzo klatschte Dylan ab und stellte sich vor. Auch Eleanor konnte es kaum erwarten, ihn mit Fragen zu löchern. „Hey, ich bin Eleanor! Sag mal, warum kommst du eigentlich erst jetzt, also es ist ja schon mitten im Schuljahr und auf welcher Schule warst du vorher oder bist du gerade erst hierher gezogen und wo hast du vorher gelebt und was machst du noch so außer Football spielen und hast du Lust am Samstag mit ins Freibad zu kommen, wir gehen alle und wie..." Hilfesuchend sah Dylan sich um. „Elly, mach mal halblang!", versuchte ich ihren Redefluss zu bremsen. Dankbar lächelte er mich an. „Ich bin Kylie.", sagte ich und er nickte leicht. Dann wand er sich wieder an Eleanor und versuchte alle ihre Fragen zu beantworten. „Also, ich bin gerade erst hierher gezogen, meine Eltern haben geschäftlich hier zu tun. Davor haben wir zwei Jahre in Deutschland gelebt, aber eigentlich komme ich aus Irland. Ich bin eine Zeit lang surfen gegangen, aber das wird wohl eher schwierig, hier in der Stadt." Er grinste. Bis jetzt kam er mir sehr sympathisch vor, er würde sich sicher gut mit Ted und Lorenzo verstehen. Gerade als Eleanor etwas erwidern wollte, gesellte sich Anastacia dazu. Sie war die Anführerin der Cheers und außerdem das Mädchen, das es wohl an jeder Highschool gibt. Wie drücke ich das freundlich aus, sie hat schon viele geküsst. „Hiiii, ich bin Anastacia!", sagte sie augenklimpernd zu Jonas in einer schrillen Tonlage. „Hat dir schon jemand die Schule gezeigt?", fragte sie und ohne eine Antwort abzuwarten, warf sie ihre blonden Haare zurück und hakte sich bei ihm unter. „Ich habe mich schon gefragt, wann sie ihren Angriff startet.", meinte Eleanor seufzend und Lorenzo und ich verdrehten die Augen. Den Rest des Schultags sah man Dylan nur noch im Schlepptau von Anastacia und ich fragte mich, ob er wohl auch auf sie hereinfallen würde.


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