Kapitel 9

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Am nächsten Morgen wartete ich in meinem Zimmer, bis meine Eltern fertig gefrühstückt hatten. Ich wollte sie nicht sehen. Als ich gegessen hatte, machte ich mich fertig. Ich hatte Dylan geschrieben, dass ich zu ihm kommen würde. Zu Hause hielt ich es nicht mehr aus: Meine Mutter redete kein Wort mehr mit mir und mein Vater verstand einfach nicht, was vor sich ging. Gerade als ich meine Schuhe angezogen hatte und das Haus verlassen wollte, kam mein Vater aus dem Arbeitszimmer. „Kylie. Wo willst du denn hin?", fragte er. „Zu Dylan.", sagte ich knapp und griff nach der Türklinke, aber er hielt mich auf. „War das der junge Mann, der dich gestern nach Haus gebracht hat? Kylie, lass uns kurz reden.", bat er. Ich sah ihn an. Er schien Verständnis für mich zu haben und sich ehrlich für mich zu interessieren, im Gegensatz zu meiner Mutter. Wir setzten uns an den Küchentisch. „Was ist denn los?", fragte er. „Frag doch Mum.", erwiderte ich vorwurfsvoll, doch er schüttelte den Kopf. „Ich möchte es von dir hören.", erklärte er ruhig. Mir stiegen Tränen in die Augen, aber ich hielt sie zurück. „Mum kann Dylan nicht ausstehen.", platzte ich heraus. „Aber sie kennt ihn gar nicht." Mein Vater nickte. Ich erzählte ihm genauer von dem Streit, den ich mit ihr gehabt hatte. Und plötzlich fragte er: „Liebst du ihn?" Ohne groß darüber nachzudenken antwortete ich: „Ja. Ja, das tue ich." Und es stimmte. Ich liebte ihn. Mehr, als ich je etwas geliebt habe. Wieder nickte mein Vater. Er war sehr lieb und versuchte, mich zu verstehen. „Ich würde mich freuen ihn mal kennenzulernen.", lächelte er dann, woraufhin ich ihn stürmisch umarmte. „Du bist der beste, Dad!", sagte ich ihm, „Danke dafür!". Er nickte und drückte mich. „Soll ich dich hinfahren?", schlug er vor. „Gern.", nahm ich sein Angebot an. Als er parkte, fragte er: „Wann kommst du wieder?" „Ich weiß es nicht.", antwortete ich, denn ich hatte erstmal keine Lust auf weitere Auseinandersetzungen mit meiner Mutter. Er nickte zögernd und ließ mich gehen.

Ich klingelte und sofort öffnete sich die Tür. „Da bist du ja.", sagte Dylan erfreut und schloss mich in seine Arme. Ich legte meinen Kopf auf seine Schultern und drückte mich an ihn. Wir hatten uns erst gestern gesehen, aber ich war froh wieder seine Berührungen zu spüren. Wir gingen in die große Wohnung und in sein Zimmer. Er setzte sich auf sein Bett und ich mich neben ihn. Ich erzählte ihm von dem Streit mit meiner Mutter und dem Gespräch mit meinem Vater. Er hörte mir geduldig zu. „Na siehst du, dein Vater hat es doch verkraftet. Deine Mutter wird sich auch damit abfinden.", meinte er ruhig. Dann grinste er spitzbübisch und meinte: „Es bleibt ihr nichts anderes übrig. Denn so schnell wirst du mich nicht mehr los!" Er nahm meinen Kopf in seine kräftigen Hände und küsste mich entschlossen. Ich war glücklich. Das hörte sich an wie ein Versprechen. Er ließ mich los und seine Augen hatten wieder dieses abenteuerlustige Funkeln in sich. „Lass uns wegfahren.", meinte er dann ohne Vorwarnung. Ich überlegte kurz. Warum eigentlich nicht? Es sprach nichts gegen einen kleinen spontanen Ausflug. Ich stimmte zu und er packte schnell ein paar Brote und etwas zu trinken ein. „Wohin denn?", fragte ich dann. „Du wirst schon sehen.", meinte er nur lächelnd. Dann fuhren wir los. Mittlerweile machte ich mir gar keine Sorgen mehr ohne Helm zu fahren. Dylan war ein guter Fahrer und er trug schließlich auch nie Schutzkleidung. Die ganze Fahrt über schmiegte ich mich an ihn und ich konnte spüren, dass er lächelte. Wir waren glücklich. Ich fühlte mich frei mit ihm. Ich war in meinem Abschlussjahr und danach könnten wir abhauen. Wohin wir wollten. In ein paar Monaten würde ich 18 werden und dann würde sich alles verändern. Und meine Mutter hätte kein Recht mehr über mein Leben zu bestimmen.

Zwischendurch kamen mir einige Straßen bekannt vor, aber ich wusste nicht, wo wir hinfuhren. Als wir schließlich hielten und Dylan sein Motorrad abschloss, erkannte ich den Platz. Kurz darauf hörte ich das Meer und da entdeckte ich auch schon unseren Leuchtturm. Er lächelte mich an. Ich lächelte zurück. Auf einmal hob er mich hoch und so trug er mich über die Stufen hinein in den Leuchtturm. Ich legte meine Arme um seinen Hals und beobachtete ihn, wie er sich auf die schmale Treppe konzentrierte, um nicht zu stolpern. Oben angekommen, stellte er mich auf die Füße. Ich gab ihm einen Kuss und ging nach draußen. Ich lehnte mich ans Geländer und sah auf das Meer hinaus. Weit draußen entdeckte ich ein Segelschiff. Es schien sich nicht zu bewegen. Ich hörte Dylan hinter mir, wandte den Blick aber nicht ab. Er schlang seine Arme von hinten um meine Taille und lehnte seinen Kopf an meinen. Ich legte meine Hände auf seine und lächelte. Vor zwei Tagen noch saß ich in meinem Zimmer und habe meine Hausaufgaben gemacht. Und jetzt stand ich hier, am Meer, mit Dylan, meinem Freund. Mein Freund, das gefiel mir. Ich hatte zwar schon eine Beziehung gehabt, aber die hatte nicht lange gehalten und außerdem hatte sie sich nicht angefühlt, wie das was ich bei Dylan fühlte. Es war... irgendwo magisch. Ich riss mich nun doch vom Meer und dem Segelschiff los, um mich umzudrehen und in Dylans Augen zu schauen. Es war, als würde sich das Meer darin spiegeln, aber das tat es nicht. In seinen Augen war sein eigener Ozean, seine eigene Welt. Er lächelte mich an, seine Arme immer noch fest um meine Taille geschlungen. Ich legte meine Hände in seinen Nacken und wir blickten uns tief in die Augen. „Ich liebe dich, Kylie.", flüsterte er und mir lief ein Schauer über den Rücken. Mir wurde warm und mein Herz pochte laut. „Ich liebe dich auch.", erwiderte ich eben so leise und küsste ihn zaghaft. Er lächelte und küsste mich zurück, aber leidenschaftlicher. Ich krallte meine Hände in seine Haare und er zog mich so nah wie möglich an sich heran, während seine eine Hand meinen Rücken herauf wanderte und die andere auf meiner Hüfte lag. Ich fuhr mit einer Hand sein Gesicht entlang, strich ihm seine Haare aus der Stirn. Dann streichelte ich sanft seine Wange, bevor ich seinen Oberkörper entlang strich und eine Hand auf seinen Muskeln ruhen ließ, die andere zog ihn am Hals näher zu mir.

Meine große LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt