[Wir datieren den 24. April 2015]Auch an diesem Tag regnet es, doch im Gegensatz zur letzten Woche steht Antonia, mit zehn Minuten Verspätung, im weißen Türrahmen, und sieht zu Rolf hinüber.
Ihre blonden Haare hängen in nassen Strähnen über ihre Schultern, die Farbe ist beinahe aus den Spitzen heraus gewaschen, man kann sie nur noch erahnen, und ein Lächeln ziert ihre Züge. Sie scheint wirklich glücklich zu sein, mit ihren nassen Haaren, und diesen einnehmend Lächeln.
Dieses Lächeln kann gar nicht gespielt oder aufgesetzt sein, es strahlt so viel aufrichtiges Glück aus das es in ihren Augen blitzt, und leuchtet. Bei ihrem Anblick wird Rolf ganz warum ums Herz, und auch auf seine Züge stiehlt sich ein Lächeln.„Antonia!", sagt er erfreut, sie tritt ins Zimmer, und schließt die Tür. „Es ist schön Sie heute zu sehen"
„Finde ich auch", sie setzt sich mit ihrer nassen Kleidung auf den Stuhl ihm gegenüber. „Es tut mir im Übrigen wahnsinnig Leid das Sie letzte Woche auf mich gewartet haben", noch immer bricht ihr Lächeln nicht ab-
„Ach- Sie hätten Absagen können, aber sonst ist das kein Problem." Rolf hebt abwertend die Hand, und seine Gedanken wandern wieder zu diesem Namen den das Mädchen ihm gegeben hatte. Sokrates.
„Nun, ich mag es auch nicht auf Menschen zu warten wenn man sich doch verabredet hat" meint sie, und streicht sich eine nasse Strähne aus der Stirn. „Und ja, ich hätte Absagen können, allerdings hatte ich die Nummer ihrer Praxis nicht, und es war doch zu schön dort draußen" wehmütig wandert ihr Blick in Richtung des Fenster, wo nun wieder die Sonne scheint, und sich in den Tropfen an der Fensterscheibe bricht.
„Meinen Sie den Regen?" fragt Rolf sie, er ist unschlüssig wie er sich positionieren soll, weshalb er schluss endlich doch wieder in seine gewohnte Psychologenpose verfällt. Die Beine übereinandergeschlagen, den rechten Fuß auf dem linken Knie, den Oberkörper nach vorne gelehnt, die beiden Hände dicht aneinander, die Finger einander entgegen gewandt, sich beinahe berührend, kurz vor den Lippen. Seine Züge spiegeln Interesse und Aufgeschlossenheit wieder.
„Ja, ich meine den Regen, es ist wunderbar in ihm zu stehen, und sich einfach nur berieseln zu lassen. Es ist als würde der Himmel weinen, und das beruhigt mich irgendwie. Außerdem ist dieser Geruch so wahnsinnig beruhigend. Der Regen lässt mich wieder atmen, und glück empfinden, so merkwürdig das auch klingen mag" sie sieht ihn ernst an.
„Der Regen hat für Sie also etwas Philosophisches?"
„Ja, auf jeden Fall hat er das auch! Regen ist so viel mehr als einfach Wasser! So wie Sie so viel mehr sind als ein Psychodoc."
„Was denn zum Beispiel?" Rolf hebt seinen Kopf, und lässt sich aus dieser lästigen Pose fallen.
„Was meinen Sie nun? Den Regen oder Sie?"
„Das ist mir egal" was zur Hölle redet er hier? Rolf erschrickt über sich selbst. So ein unsouveränes Verhalten- wo kommt das her? Sonst ist er doch immer unerschütterlich in seinem Job.
„Hm." Kurz scheint das Mädchen nachdenken zu müssen. „Was könnte die Philosophie des Regens sein, das ist eine wirklich schwere Frage." Sie sieht ihn an, und dann lächelt sie. „Sie wollen auf etwas ganz anderes hinaus, oder?" Sie wäre die geborene Psychologin, denkt Rolf während er seine Finger miteinander verschränkt.
„Das tut nichts zur Sache" versucht er das Thema zu umschiffen. „Wie geht es ihnen, nun da wir uns nach zwei Wochen wieder sehen? Haben Sie sich mit dem Schreien, und den Gefühlen befasst?"
„Das ist nicht Ihre eigentliche Frage, das wissen Sie wie ich, aber gut, wenn Sie nicht fragen wollen, dann werde ich mal versuchen Ihre Frage zu beantworten.
Mir geht es im Moment wahrlich gut, was soll ich Ihnen da aufschreiben? Das ich vor glück fast zerspringe? Nun, das kann ich ihnen auch sagen, und Schreien, das tue ich, vor Glück!" Erneut strahlt sie ihn an. Sie scheint ein ausgewechselter Mensch, nichts erinnert von ihrem Auftreten mehr an das gebrochene Mädchen von vor zwei Wochen, soll das nur der Regen gewesen sein, der ein solches Glück bei ihr hervorruft?
Rolf durchforstet seine Erinnerungen an Momente in denen er so unendlich glücklich gewesen war, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Liebe- es musste Liebe sein, was sonst sollte das Mädchen so zum strahlen bringen?
„Wissen Sie denn woran das liegt, das Sie so glücklich sind?" fragt er nun.
„Ich glaube Sie wissen warum" sie lächelt und erhebt sich. „Wollen Sie nun noch ihre Frage stellen, sonst würde ich mich gerne wieder vom Regen küssen lassen!" Sie zeigt nach draußen, wo die Sonne sich mit den fallenden Tropfen des Regens einen Wettkampf liefert.
So sehr er auch gerne fragen würde warum das Mädchen ihn Sokrates genannt hat, es schüttelt den Kopf, und winkt dem Mädchen hinterher, während sie den Raum verlässt. „Lassen Sie sich dann später von der Sonne küssen" lächelt ihm das Mädchen zum Abschied zu, Rolf nickt, sein Blick wandert zum Foto seiner Frau auf seinem Schreibtisch, und sein Herz wird ihm warm, vor Liebe und Leben.
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Wortlose Dialoge
PoetryIrgendwann macht es bei jedem Peng, und dann geht gar nichts mehr. Dann sterben die Einen, mehr freiwillig, als unfreiwillig, Andere machen einfach weiter wie zuvor, und dann gibt es die Fälle die von ihren Eltern zum Psychodoc geschickt werden, als...