"Was? Sie wollen dich in die Klinik schicken? Ist dein Asthma denn so schlimm geworden?", fragt mich Kelvin entsetzt und zugleich erstaunt. Es ist gerade Pause in der Schule und ich wollte einfach mit jemandem reden... Wen habe ich schon? "Nein, es ist nicht wegen dem Asthma... Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie welches gehabt." "Was? Hast du mich etwa angelogen?" "Nein! Versteh das nicht falsch! Ich bin nämlich wirklich... Krank." "Wie krank? Wie meinst du das?" "Ich bin magersüchtig." Er erstarrt. Zunächst grinst er leicht, dann aber merkt er den Ernst meiner Lage. Ich bin wirklich krank. "Seit wann?" "Seit zwei Jahren." "Warum?" "Warum?", frage ich ihn lächerlich zurück. Was ist das für eine Frage? Das weiß ich doch nicht! "Kannst du dann überhaupt in die Schule kommen, wenn du in der Klinik bist?" "Nein." Er sieht mich an, seine Augen weit aufgerissen und sein Atem stockend. "Du... Bist wirklich dünn geworden in letzter Zeit... Ich dachte immer, das wäre halt dein Asthma gewesen und ihr bemüht euch deswegen schon irgendwie... Aber sowas..." "Es tut mir leid." Ich tu mir leid. Ich würde so gerne noch weiter abnehmen... Ich will nicht wieder fett werden! "Du darfst auf keinen Fall weiter abnehmen!" "Ja..." "Wann kommst du in die Klinik?" "Sobald ein Platz frei wird." Schon sehr bald.
Er sieht traurig nach unten und flüstert mir leise, aber auch sehr verständnisvoll zu: "Lara... Ähm... Danke. Danke dafür, dass du mir das anvertraut hast." Was? Natürlich vertrau ich ihm das an! Es wusste eh schon meine ganze Klasse bis auf ihn darüber Bescheid! Es ist ja schon mal passiert... Er ist eben neu hier und erst seit diesem Schuljahr in dieser Schule.
Heimlich wage ich es mir in Gedanken vorzustellen, wie er mich umarmt... Mich versteht. Mir helfen will. Mit mir vor allem wegrennen will... Weit weg.
Schon viel zu lange ist da etwas im meinem Kopf drinnen. Es kontrolliert mich und lässt mich einfach nicht mehr in Ruhe. Es lässt mich nicht ich sein. So eine Art Zombie, das mein zentrales Nervensystem steuert. Siehst du etwa nicht, dass das nicht ich bin?
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Den Tod vor Augen (Magersucht)
SpirituellesDa ist nichts. Nichts, was mich umhüllt. Nichts, was mich erfüllt. Nur diese Leere da, die mich wie ein Blatt Papier immer weiter zerreißt... Ich bin ganz leer. Und mein Inneres ist so zart und so empfindlich... Und sie? Sie ist so gefährlich...