Braunschweig, 18. Oktober 2013
Lukas sah erst total angewidert zu dem würgenden Benni runter, der sich gerade geräuschvoll neben uns ins Waschbecken übergab und anschließend dann kurz zu mir.
„Ich ertrag das nicht", murmelte er und verschwand schnell aus dem Badezimmer. Ich fragte mich, ob er mit dieser Aussage wohl nur den kotzenden Benni gemeint hatte, oder auch meine abrupte Zurückweisung nach unserem kurzen Kuss gerade. Wahrscheinlich Beides, so verletzt wie er mich angesehen hatte, bevor wir gestört wurden. Er tat mir in diesem Moment einfach so unglaublich leid. Warum hatte ich ihn auch von mir weg drücken müssen?
Ich hatte mir doch kurz vorher noch selbst gewünscht, dass er mich küssen würde. Zwar war der Kuss von ihm ausgegangen, aber es war ja nicht so, dass er es ganz unvorhersehbar getan hatte. Ich hätte ihn wohl schon viel früher stoppen müssen. Aber ich hatte doch gar nicht gewollt, dass er aufhörte. Ich war einfach nur total überrascht gewesen und ich wollte mir immer noch nicht so wirklich eingestehen, dass ich auf ihn stand.
Wie mein Körper während des Kusses reagiert hatte, das war der pure Wahnsinn gewesen. So berauschend, so intensiv, so...
„Timi verdammt", jammerte Benni. „Gib mir doch endlich mal ein Handtuch."
„Ähh ja klar", sagte ich und griff eines vom Regal. „Hier... bist du nachher wieder fit? Es sind nicht mal mehr zwei Stunden bis wir auf die Bühne müssen."
„Klar Mann, ich fahr mir jetzt noch ne Pizza rein, dann ist der Papa wieder aufem Damm", erklärte er mir hustend.Als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, machten wir uns gemeinsam auf den Weg zu dem kleinen, leicht schmuddeligen Raum, in dem wir uns die Zeit bis zum Auftritt vertrieben. Benni ließ sich schwerfällig auf einen Sessel fallen und ich sah mich nach einem weiteren freien Platz um. Außer einem zweiten Sessel war noch der Platz auf dem Sofa neben Lukas frei. Er sah mich nur kurz an und widmete sich dann wieder seinem Handy. Seine ausgelassene Stimmung von vorhin war sichtbar verschwunden. Ich wollte jetzt aber nicht schon wieder abweisend sein, also ging ich in seine Richtung. Er sah nochmal von seinem Handy auf und erhob sich, als ihm klar wurde, was ich vorhatte. Er lief an mir vorbei und setzte sich auf den letzten freien Sessel, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Ich musste ihn wohl wirklich sehr verletzt haben.
Seufzend ließ ich mich auf das schwarze, abgewetzte Ledersofa fallen. Ich musste mich jetzt unbedingt beruhigen. Ich wollte doch gar nicht, dass Lukas jetzt wegen mir so schlecht drauf war. Ich war so ein Idiot. Immer wieder sah ich zu ihm hin und versuchte, Blickkontakt aufzubauen. Wann immer mein Blick auf seinen traf, sah er schnell weg und trank kurz darauf einen großen Schluck von seinem Cola-Rum. Ich hoffte, dass er es nicht zu sehr übertreiben würde, denn auf der Bühne betrunken oder auch nur angetrunken zu sein, das wollte er doch eigentlich nie. Es fiel ihm wohl schnell selbst auf, denn nach einem weiteren Schluck sah er nachdenklich auf seinen Becher und schob ihn weit von sich weg.
Die angespannte Stimmung, von der die anderen Anwesenden augenscheinlich nichts mitbekamen, machte mich unglaublich nervös und hibbelig, also begann ich damit, mir einen Joint zu bauen.
Als ich mein Werk vollendet hatte, sah ich mich nach einem Feuerzeug um, das ich jedoch nicht finden konnte.„Ey Stefan", rief ich diesem genervt zu. „Hast du wieder die ganzen Feuerzeuge gehamstert?"
Er grinste ertappt und zog eines aus seiner Hosentasche. „Sorry, das ist irgendwie so in mir drin", sagte er und warf mir das Feuerzeug zusammen mit einem entschuldigenden Lächeln zu.
„Das ist also so in dir drin, ja...", sagte ich und schmunzelte in mich hinein.
Mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen, als ich Lukas während meiner Konversation mit Stefan leicht grinsen sah. Vor ein paar Wochen, bei irgendeinem Essen, hatte Stefan sich so dermaßen die Backen vollgestopft, dass er wirklich eine sehr große Ähnlichkeit mit einem Hamster gehabt hatte. Seitdem machten Lukas und ich uns ab und zu einen kleinen Spaß daraus, Andeutungen in diese Richtung zu machen, die Stefan allerdings bisher noch nicht ein einziges Mal verstanden hatte.
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Zehn Sekunden
RomanceMusik, Partys, Fame und Frauen. Eigentlich dachten sie, dass sie alles haben, was man braucht. Doch dann stellen zehn kurze Sekunden während einer Tour das Leben von zwei Musikern komplett auf den Kopf und sie verlieben sich Hals über Kopf ineinan...