Immer dieses Gedankenchaos!

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Braunschweig, 18. Oktober 2013

Verwirrt wie eh und je, breit grinsend und mit wild klopfendem Herzen starrte ich auf die schwarze Holztür zu Lukas Zimmer, die dieser gerade vor meiner Nase geschlossen hatte.
Lukas war heiß auf mich. Anders konnte ich diese letzten zwei Stunden nicht deuten. Es hatte sich so wahnsinnig gut angefühlt, was da gerade zwischen uns passiert war. Ich konnte mich nicht daran erinnern, zuvor schon einmal so extrem erregt gewesen zu sein. Es hatte sich so anders als alles, was ich mit Frauen schon gemacht hatte, aber gleichzeitig auch so richtig angefühlt. Ich wollte auf jeden Fall mehr davon. Aber wollte Lukas das denn auch? In diesem Augenblick wohl eher nicht, sonst hätte er doch kaum die Tür vor mir geschlossen, ohne dass wirklich was gelaufen war.
Vielleicht war das auch ganz gut so, dass er es jetzt beendet hatte. Ich wusste schließlich überhaupt nicht, was ich da genau hätte tun müssen, wäre da mehr passiert. Ich beschloss allerdings, noch während ich in dieser Nacht vor seiner Tür stand, dass ich das unbedingt heraus finden wollte.

Ungefähr zehn Minuten stand ich noch so da und überlegte, ob ich einfach nochmal zu ihm rein gehen sollte, entschied mich dann aber dagegen und ging in das Zimmer zurück, das ich mir mit Igor teilte.
„Was ist denn mit dir passiert?", fragte dieser, als ich den Raum betrat. „Du siehst aus, als hättest du nen Geist gesehen."
„Ähm, was? Nein. Alles gut... ich war.. ach..." stotterte ich vor mich hin und begann dann aus heiterem Himmel, wie ein kleines Mädchen zu kichern.
„Okaaaaay", sagte Igor, setzte sich auf und wuschelte sich einmal durch seine vom Liegen total zerstörte Frisur. „Erzähl."
Ich legte mich in mein Bett und deckte mich zu, um meine immer noch nicht so ganz abgeklungene Erektion zu verstecken. Hoffentlich hatte Igor die gerade nicht gesehen.
„Gibt nichts zu erzählen."
„Warum grinst du dann so?"
„Nur so, lass mich doch", sagte ich, noch immer dümmlich grinsend und versteckte dann mein gerötetes Gesicht im Kissen.
„Mhm, okay", sagte Igor und löschte das Licht.
Hätte diese heiße Begegnung mit einer Frau stattgefunden, hätte ich ihm das natürlich alles haarklein erzählt, aber das konnte ich doch jetzt unmöglich tun. Erstens wusste ich überhaupt nicht, was das mit Lukas da vorhin zu bedeuten hatte, zweitens wusste ich doch auch gar nicht, ob Lukas wollte, dass ich so was den Anderen erzählte. Außerdem war ja auch überhaupt nichts richtiges passiert! Leider...
In dieser Nacht schlief ich mit einem sehr heißen Kopfkino ein und fühlte mich zum ersten Mal überhaupt nicht schlecht dabei.

Am nächsten Morgen sah das allerdings schon wieder anders aus. Meine Erregung war verpufft. Die sternenklare, verheißungsvolle Nacht war von einem trüben, grauen Morgen vertrieben worden und meine Neugier wurde durch die altbekannte Verwirrung ersetzt.
Als ich auf die Uhr schaute, die kurz vor neun zeigte, hätte ich mich am Liebsten unterm Bett versteckt, um nie wieder gefunden zu werden. Um viertel nach neun wollten wir uns alle unten zum Frühstück treffen. Da würde ich dann auch Lukas wieder sehen.
Wie sollte ich mich nun verhalten? Sollte ich denn einfach so tun, als ob nichts passiert wäre? Wie würde er reagieren, wenn er mich sah? Würden die Anderen bemerken, dass irgendwas vorgefallen war? Wie sollten wir ihnen unser eventuell auffälliges Verhalten erklären? Gab es da überhaupt etwas, das man erklären musste? Schämte Lukas sich vielleicht dafür, was er in der Nacht getan hatte? Wollte er mir vielleicht auch nicht begegnen? Würde er sich in seinem Zimmer verstecken und auch nicht raus kommen wollen?
Aber wenn Lukas nicht zum Frühstück kam, dann musste ich dort hin. Was würden die Anderen denn denken, wenn wir beide fehlten? Wie sollte ich verdammt nochmal erfahren, ob er unten war oder nicht? Wussten die Anderen vielleicht schon irgendwas? Sahen sie mir etwas an? Verdammt, es gab doch gar nichts, was man mir ansehen konnte! Woher sollten sie irgendwas wissen?
Ich drückte mein Gesicht tief ins Kissen und stöhnte frustriert hinein. So viele Gedanken hatte ich mir nicht mal gemacht, als ich mit vierzehn zum ersten Mal verliebt gewesen war!
Ich stand auf, ging duschen, zog mich an und beschloss, mich einfach ganz normal zu verhalten. So als ob überhaupt nichts passiert wäre. Ich würde dann ja sehen, wie Lukas auf mich reagierte. Ich musste dringend damit aufhören, mir wegen jeder Kleinigkeit den Kopf zu zerbrechen. Das viele Denken tat mir gar nicht gut.

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