Nie gesagt

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Stuttgart, 22. Oktober 2013

Bis wir in Nürnberg angekommen waren, hatte ich mich soweit selbst beruhigen können, dass man mir gerade so keine Tüte zum reinatmen geben musste. Diese vielen Gedanken taten mir wirklich nicht gut und ich befürchtete, dass es so langsam mal an der Zeit wäre, ein klärendes Gespräch mit Lukas zu führen. Aber was wollte ich da denn klären? Wir hatten ja schon einmal über das alles gesprochen und das Ergebnis war eben, dass wir uns nicht so viele Gedanken darüber machen wollten. Das gelang mir aber einfach nicht. Egal, was er tat oder sagte, ich konnte nicht einfach locker sein und die Dinge einfach nur geschehen lassen. Und er ja auch nicht, wie ich dann heute bemerkt hatte.
Wir steuerten den Parkplatz des Hotels an und stiegen aus. Benni, Stefan und Lukas gingen direkt schon hinein, ich blieb mit Igor draußen.
„Sag mal", sagte er mit skeptischem Blick in Richtung Tür. „Weißt du, was mit Lukas los ist?"
Ich spürte direkt, wie meine Gesichtsfarbe von kränklichem weiß zu ampelrot wechselte. Ja, klar Igor! Ich weiß, was mit ihm los ist! Wir knutschen schon seit Tagen, haben Freundschaft mit dem Schwanz des Anderen geschlossen und Lukas hat mich sogar schon fast blind gespritzt! Vielleicht kommt er sich jetzt etwas komisch vor, aber das sind natürlich nur Vermutungen!
„Nein, keine Ahnung", sagte ich stattdessen.
„Hm."
„Was denkst du?", fragte ich vorsichtig.
Igor setzte sich auf einen Stein und holte einen Joint aus seiner Kippendose, den er andächtig anschaute. „Hab nicht viel mitbekommen, aber so, wie ich das verstanden hab, geht's irgendwie um ne Frau. Ich glaub, Stefan weiß mehr."
„Oh", sagte ich, setzte mich neben Igor und zog ihm den Joint, den er sich gerade angezündet hatte, zwischen den Fingern weg. „Eine Frau also..."

Ich nahm einen tiefen Zug und ließ ihn so lange in der Lunge, bis mir schon leicht schwindelig davon wurde. Was für eine Frau sollte das sein? Bis auf die eine, die er da geknallt hatte, hatte ich nichts mitbekommen, also konnte es wohl kaum auf der Tour passiert sein. Vielleicht in Berlin. Hatte er vielleicht einfach eine Freundin, von der er uns noch nichts erzählt hatte? Hatte er jetzt ein schlechtes Gewissen, weil er ihr quasi mit mir fremdgegangen war? Aber dann hätte er sie ja gleich doppelt betrogen! Einmal mit mir und dann noch mit dieser Disco-Schlampe. Ich schätzte Lukas jetzt nicht unbedingt als jemanden ein, der untreu war, aber meine Hand ins Feuer legen würde ich dafür dann auch nicht gerade. Was dieses ganze Sex-Thema anging, hatte er sich ja in den letzten Tagen als absolutes Überraschungsei entpuppt. Ich hatte eigentlich gedacht, er wäre so ein 08/15 Typ, ohne irgendwelche Abweichungen vom Durchschnitt. Aber dann auch irgendwie nicht. Er sah schon eher ziemlich nett und lieb aus, aber wenn man genauer hinsah, konnte man in seinen Augen noch etwas anderes erkennen. Warum war dieser Typ auf allen Ebenen nur so verdammt schwierig zu durchschauen?

„Krieg ich jetzt mal meinen Spliff wieder, oder was?", fragte Igor genervt. Ich riss mich von meinen Gedanken los und drückte ihm das Teil in die Hand. „Sorry..."
Igor drehte sich ein wenig mehr in meine Richtung. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?"
„Ähm, nirgends." Ich kickte einen Kieselstein aus dem Weg und sah ihm nach, bis er unter einer Hecke verschwand. Ich wünschte, ich könnte meine Gedanken einfach auf diesen kleinen Stein binden und sie mit weg kicken. „Ich bin ein bisschen müde, sonst nichts."
„Das ist schon fast die ganze Tour über so. Irgendwas hast du doch", analysierte Igor mein Verhalten nachdenklich.
„Nein, ich hab nichts." Ich wartete, bis er einen Zug genommen hatte und nahm ihm den Joint wieder weg.
„Ey, das ist meiner!"
Ich verdrehte die Augen und sah ihn verständnislos an. „Als hätte ich dir nicht genug von mir gegeben. Wahrscheinlich hast du den noch aus meinem Zeug gebaut!"
Igor schaute ertappt auf den Boden und sagte nichts.
„Wusste ich doch!", sagte ich und stieß ihm meinen Ellbogen in die Seite. „Hast ganz schön zugenommen, merk ich gerade."
„Essen ist die wichtigste Mahlzeit des Tages!", antwortete er und grinste mich an.
„Na dann..."

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