Heul doch

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Stuttgart, 21. Oktober 2013

Am nächsten Morgen saß ich völlig übermüdet und mit der Laune im Keller mit Benni, Igor und Stefan beim Frühstück. Lukas war bisher immer noch nicht wieder aufgetaucht.
„Ich bin mal gespannt, wann Lukas wiederkommt", sagte Benni und stopfte sich ein Croissant in den Mund.
„Ich bin viel gespannter darauf, was er erzählt", sagte Stefan und griff nach seiner Kaffeetasse. Mich interessierte weder, wann er wieder kam, noch was er erzählen würde. Ich wollte gar nicht wissen, was genau er in der Nacht mit der Schlampe getrieben hatte. Ich wusste jedoch, dass ich mir das würde anhören müssen, sollte er kommen, solange wir noch alle zusammen hier saßen. Die Jungs waren viel zu sensationsgeil, um es bei allgemeinen Auskünften zu belassen. Sie würden so lange bohren, bis Lukas uns in allen Einzelheiten berichtet hatte, in welchen Stellungen, wie lange und wie oft die Sache durchgeführt worden war.

Meine Hoffnung, dass ich schon weg wäre, bis Lukas kam, wurde nur kurze Zeit später schon zerstört. Breit grinsend kam er an unseren Tisch geschlendert und setzte sich hin.
„Na Lukas", sagte Benni und stieß ihm in die Seite.
„Na Benni", sagte Lukas und schubste zurück.
„Wie war es denn?"
Lukas lachte und griff nach einem Brötchen. „Ein Gentleman genießt und schweigt", sagte er nur.
„Nee, nee. Nicht bei uns", meinte Stefan und lehnte sich interessiert nach vorne.
Lukas sah zu mir rüber und lächelte mich kurz an. Ich lächelte mein falschestes Lächeln zurück. „Genau Lukas, erzähl doch mal", sagte ich in einer vollkommen neutralen Stimmlage.
Er sah mich etwas irritiert an und begann dann damit, langsam sein Brötchen mit Butter zu beschmieren.
„Och, er traut sich nicht. Lasst ihn doch", sagte Igor und sah ermahnend in die Runde.
„Mann ey. Das könnt ihr euch doch denken...", sagte Lukas und griff nach einem Glas Marmelade.

Und wie ich mir das denken konnte. Ich sah die ganze Szene, wie sie sich vielleicht abgespielt hatte, vor mir.
Ich stellte mir vor, wie diese Bitch zu Lukas an die Bar gegangen war. „Hey Süßer, na du auch hier?", hatte sie vielleicht gesagt. Wenn nicht dieser Spruch, dann war es eben irgendein anderer stumpfer Spruch gewesen.
„Hallo Schönheit, setz dich doch und trink einen mit mir", war eventuell Lukas Antwort gewesen. In dem Club war es gestern ziemlich laut, also hatten sich die Gespräche wohl auf ein Minimum beschränkt. Sie hatten sich bestimmt ein paar Schnäpse hinter die Binde gekippt, er war immer näher an sie heran gerutscht und hatte irgendwann damit angefangen, sie einfach zu befummeln. Vielleicht hatte sie ihn ja sogar erkannt, dann hatte er sowieso leichtes Spiel gehabt und hätte sie sogar ohne Getränke einfach dazu auffordern können, mit ihm mitzugehen.
In meinem Kopf lief die nächste Szene ab, in der Lukas die Nutte an die Wand drückte und sie knutschte, während er ihr all die heißen Sachen in die Ohren flüsterte, die er mir hätte sagen sollen.
Im Taxi hatte er sie vielleicht schon aufgefressen, so wie er es mit mir hätte tun sollen. Weiter stellte ich mir vor, wie er sie in irgendein Hotelzimmer, das nicht unser Zimmer gewesen war, hinein schubste und sie von ihren Kleidern befreite. Wie er sie küsste, wie er sie anfasste, wie er sie aufs Bett warf. Er hatte Lippen geküsst, die nicht meine waren. Hatte einen Körper berührt, der nicht zu mir gehörte...

„...ob du mir jetzt wohl endlich mal die Milch gibst?", hörte ich, als Benni mir kräftig in die Seite stieß. „Was ist denn mit dir los, verdammt nochmal?"
Ich erschrak und griff dann nach der Milch, um sie Benni rüber zu geben. „Jaja, hier hast du sie ja..."

Ich betrachtete Lukas, der ganz seelenruhig sein Frühstück genoss. Bestimmt hatte er nicht mal geduscht und lief noch mit dem Schweiß dieser Frau an sich herum. Seine Kleidung roch sicherlich immer noch nach ihrem Parfum. Vielleicht hingen sogar noch ein paar Haare von ihr an ihm.
An seinem Hals entdeckte ich ein paar nicht zu übersehende Knutschflecken, auf die ich ihm am liebsten draufgedrückt hätte, bis er vor Schmerzen schrie.

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