Kapitel 2

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Tyler merkt, dass Dr. Paulson einen langen Tag hatte und fragte deshalb höflich "Wie gehts ihrer Frau, Doktor?"
"Gut," murrt Dr. Paulson und plumst auf seinen Stuhl. "Schokolade oder Lolli?"
"Lolli," antwortet Tyler. Er mag es die Lollis zwischendurch so unanständig wie möglich zu lutschen, nur um Dr. Paulsons Prioritäten zu prüfen.
Der Lolli ist rot und schmeckt grün-rot-gelb, wie Kirschen. Tyler reibt ihn vorsichtig über seine Lippen, um diese so rot wie möglich zu machen.
"In der letzten Stunde sprachen wir über Bücher," sagt Dr. Paulson. Er schenkt Tylers Lolli rumgemache keine Aufmerksamkeit. "Und Kopfschmerzen."
"Das könnten aber auch Synonyme sein," meint Tyler.
"Ja, das hast du sehr oft erwähnt," sagt der Doktor müde.
"Und die Bibel-"
"-hat so eine kleine Schrift, du könntest genau so gut einen Regenbogen angucken," beendet Dr. Paulson den Satz.
"Dabei ist der erste Teil-"
"- von Genesis überwiegend Grün, so dass du es lesen kannst. Ich mache mir ziemlich viele und gute Notizen, erinnerst du dich?"
"Ich erinnere mich," sagt Tyler im selben Ton den er für Gespräche mit seiner Mutter benutzt.
Dr. Paulson ist diesen Ton gewohnt und seufzt.
"Tyler, es tut mir leid, aber ich bin heute nicht ganz bei der Sache," gesteht er und lehnt sich nach vorne. Tyler zuckt so heftig zurück, dass ihm der Lolli fast im Hals stecken bleibt.
"Sorry, sorry!" entschuldigt sich der Doktor. Er nimmt seine Brille ab um sich mit der Hand durchs Gesicht zu fahren. "Es tut mir so leid, Tyler."
Tyler sagt nichts. Er denkt, wenn er seinen Mund öffnet, kommt nichts als "Müll" raus, den nur Josh zu verstehen scheint. Sein Herz rast und er legt seine Hand drüber. Dr Paulson folgt seinen Bewegungen und verzieht sein Gesicht.
"Es tut mir so leid, Tyler," wiederholt er. "Ich wollte dir keine Angst machen."
"Mir geht's gut," versucht Tyler ihn zu beruhigen. Er ist froh, dass "normale" Worte aus seinem Mund gekommen sind.
"Nein, Tyler," sagt Dr. Paulson mit einem Seufzer. "Dir geht's nicht gut." Er schüttelt seinen Kopf langsam, als wenn er ihn leeren will. "Worüber möchtest du heute reden?"
Tyler zuckt mit den Schultern. "Ich weiß es nicht."
"Hast du was geschrieben?", fragt Dr. Paulson.
"Ein bisschen," murmelt Tyler und holt einen losen Zettel aus seiner Hosentasche.
"Hast du über etwas besonders Interessantes geschrieben?"
"Das Baumhaus," sagt Tyler, wünscht sich jedoch nichts gesagt zu haben, denn Dr. Paulson Augen werden blau-orange-grün, interessiert und hungrig.
"Welches Baumhaus?" fragt er und schreibt etwas in sein Notizbuch.
"Wir- Ich habe ein Baumhaus im Wald gefunden." murmelt Tyler und guckt nach unten auf den Teppich. Er fühlt sich entlarvt.
"Wie sah das Baumhaus aus? Wie fühlte es sich an?" fragt Dr. Paulson.
"Ich weis nicht. Hölzern." Gelb-lila. So wie sich nasse Kreide anfühlt. Das tiefste B auf seinem Klavier.
"Wissen deine Eltern von dem Baumhaus?" fragt der Doktor neugierig.
"Spielt das eine Rolle?" sagt Tyler etwas mehr abwehrend als er wollte.
Dr. Paulson blinzelt. "Ich vermute nicht," sagt er langsam. "Ich wollte nur wissen ob du mit denen redest."
"Sie hätten das auch meine Eltern fragen können.," weist Tyler hin. "Sie hätten mich das auch direkt fragen können."
"Du hast recht, Tyler. Tut mir leid," sagt Dr. Paulson. Er klingt wirklich entschuldigend.
"Hast du mit deinen Eltern geredet?"
Tyler schnaubt.
"Hätte ja sein können."
Der Doktor lehnt sich langsam nach vorne, damit Tyler Zeit hat sich darauf vorzubereiten.
"Du solltest mit ihnen reden. Sie machen sich echt Sorgen um dich."
"Das machen die nicht.",Tyler weiß, dass er wie ein Kind klingt, wie der Geruch von Orangenschalen, aber das interessiert ihn nicht.
"Doch, Tyler. Und sie waren sehr aufgebracht als sie erfuhren, was mit dir passiert ist."
"Die haben mir nie geglaubt."
"Tyler, du warst damals nicht leicht zu verstehen," sagt Dr. Paulson vorsichtig. "Das bist du immer noch nicht, um ehrlich zu sein."
"Sie scheinen es zu wissen."
"Ich kenne dich seit ner langen Zeit, Tyler."
"Meine Eltern auch."
"Meinst du wirklich?"
Tyler schweigt einen Moment. "Nein." Er stoppt. "Die kennen mich kein Stück."
"Tyler, hast du mal darüber nachgedacht mit deinen Eltern Frieden zu schließen?" fragt Dr. Paulson.
"Sie sollten die jenigen sein die mit mir Frieden schließen."
"Sie versuchen es, Tyler, wirklich," sagt der Doktor. "Wahrscheinlich hast du es nicht bemerkt, aber sie versuchen alles wieder gut zu machen."
"Die machen einen scheiß," murmelt Tyler.
Dr. Paulson ignoriert den Kommentar.
"Sie haben gesagt sie versuchen dich mehr mit nach draussen zu nehmen um Familiensachen zu machen."
"Ich hasse Menschenmassen," erzählt er dem Doktor. "Ich hasse Brettspiele. Ich hasse Fernsehen."
"Sie wissen nicht was du magst, Tyler. Aber ich bin mir sicher sie sind glücklich, wenn sie etwas machen können was auch du magst."
"Ich..." Tyler stoppt. "Es gibt nichts was ich mag."
Dr. Paulson schweigt kurz. "Du magst Josh."
Tyler blinzelt. "Was?" Dr. Paulson hat noch nie freiwillig das Thema Josh angesprochen.
"Ich meine damit nicht, dass Josh real ist, Tyler," sagt Dr. Paulson schnell. "Aber du könntest versuchen jemandem aus deiner Familie über ihn zu erzählen."
"Und was bringt das, außer meine Illusionen zu stärken?"
"Es hilft dir dich zu öffnen," sagt Dr. Paulson und ignoriert Tylers Ironie. "Man kann dich viel leichter verstehen wenn du über was redest, was du magst."
Tyler denkt darüber nach. "Sie müssen meinen Eltern sagen, dass es okay für mich ist über Josh zu reden."
Dr. Paulson seufzt. "Ich wollte nicht, dass das passiert, als ich ihnen von Josh erzählt habe, Tyler. Es tut mir leid."
Tyler zuckt mit den Schultern. "Was auch immer."
Dr. Paulson nickt langsam und schreibt etwas in sein Notizbuch. "Ich rede mit denen."
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Sooo das war das 2. Kapitel, ich hoffe es hat euch gefallen :).
Ich freue mich über jede Kritik und Verbesserungsvorschläge! Das nächste Kapitel kommt wahrscheinlich Sonntag.
<3

Stay In Place (Sing A Chorus) |German|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt