Teil 5

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Sorry, dass jetzt so lang kein Teil mehr gekommen ist. :(

Der Schultag zieht und zieht sich in die Länge. In der letzten Schulstunde fangen meine Hände zu zittern an. Zum Glück bekommt Tom es nicht mit. Als es läutet, steht er auf und grinst mich an. „Komm mit!", fordert er mich auf. „Wohin geht's denn?", frage ich. „Überraschung", zwinkert er nur. Okay, okay. Langsam werde ich noch nervöser. Wir steigen in einen Bus ein und fahren quer durch die Stadt. Dann, etwas außerhalb, steigen wir wieder aus. Ich hab noch immer keine Ahnung, wo es hingeht. Plötzlich bleiben wir vor einem Einfamilienhaus stehen. Er hat mich doch nicht ernsthaft zu sich nach Hause gebracht? Oh Gott, was ist, wenn ich mich total peinlich verhalte, und er mich raus haben will oder so etwas? Ich war doch noch nie bei einem Jungen zu Besuch? Außer vielleicht im Kindergarten, aber das ist etwas ganz Anderes. Tom muss mir meine Verwirrung wohl ansehen. Er nimmt mich ganz sanft an der Hand und fragt: „Alles in Ordnung?". „Ja.. ja.. denke schon...", stammle ich. Er zieht mich ins Haus hinein. Es ist nicht besonders groß, aber auch nicht zu klein und es riecht total nach Kaffee. „Hier bekommst du jetzt den versprochenen Kaffee", zwinkert Tom, der sein Selbstvertrauen offensichtlich nicht verloren hat. Etwas unschlüssig bleibe ich im Vorraum stehen und horche auf Geräusche und Anzeichen, ob noch jemand außer uns im Haus ist. Aber ich vernehme nichts, also folge ich Tom in die Küche, die sehr wohnlich eingerichtet ist und nehme auf einem Hocker an der Theke Platz. Mir fällt auf, dass ich noch gar nichts gesagt habe, seitdem wir hier sind. Shit, shit, shit. Er hält mich sicher jetzt für eine totale Idiotin, die stumm wie ein Fisch ist. Ich wette, er bereut es schon wieder, mich eingeladen zu haben. Vielleicht hätte ich auch gar nicht auf die Einladung eingehen sollen? „Hey, Marie, ist alles okay?", reißt mich Tom aus meinen Gedanken. Prompt werde ich rot. „Ähhh ja", bringe ich heraus. „Du bist oft in Gedanken, oder?", fragt er mich. „Ja... nur in meinen Gedanken kann mich niemand verurteilen, deshalb schweige ich auch lieber, aus Angst, etwas Falsches zu sagen", gestehe ich ihm. Er nickt verständnisvoll und reicht mir einen Kaffee. „Milch und Zucker?", bietet er mir an. „Beides, bitte.".

Der Abend vergeht wie im Flug, und je länger wir unseren Kaffee trinken, desto mehr kann ich mich lockern und Spaß haben. Wir verstehen uns prächtig, obwohl wir uns gerade mal 3 Tage lang kennen, doch mir kommt es vor, wie eine ganze Ewigkeit. Jaja, ich weiß, Klischee. Als er mich schließlich zur Bushaltestelle bringt, ist es schon dunkel. Im Bus träume ich die ganze Zeit vor mich hin, immer wieder taucht sein Gesicht in meinen Gedanken auf. Ich bin so verloren in meinen Träumereien, dass ich meine Ausstiegsstelle verpasse und es erst an der Endstation bemerke. Shit. Benommen klettere ich aus dem Bus und will meine Mutter mit meinem Handy anrufen, doch da merke ich, dass der Akku leer ist. Ich stehe also nun komplett alleine im Dunkeln in einem abgelegenen Teil der Stadt, ohne Geld und ohne Handy. Zu Fuß gehen ist ausgeschlossen, da ich keine Ahnung habe, wie ich zurück komme und da es vermutlich sowieso viel zu weit ist. Panik steigt in mir Hoch. Das war aber auch wirklich dumm von mir, mich meinen Träumereien hinzugeben, ohne aufzupassen, wo der Autobus sich gerade befindet. Und jetzt? Ich muss wohl oder übel an einem der Häuser anläuten, um zu bitten, meine Mutter anrufen zu dürfen. Schon beim Gedanken daran, an einem fremden Haus zu klingeln, wird mir übel, aber was bleibt mir anderes über? Schließlich fasse ich meinen ganzen Mut zusammen, überwinde meine Schüchternheit und klingle einfach bei dem nächsten Haus, ohne überhaupt auf das Namensschild zu schauen.

Als die Tür geöffnet wird, und ich sehe, wer da vor mir steht, erschrecke ich mich ziemlich. Vielleicht hätte ich doch vielleicht zuerst das Namensschild lesen sollen, denn vor mir steht Frau Mandl, die mich sehr verwundert ansieht. Natürlich entfällt mir genau in diesem Moment das, was ich mir zurechtgelegt hatte, was ich sagen wollte. Also stehe ich da, starre sie mit großen Augen an, unfähig, etwas zu sagen. Sie bricht das Schweigen schließlich: „Marie, was machst denn du hier, du wohnst doch in einem ganz anderen Viertel?". Ihr besorgter Tonfall tut mir irgendwie gut. Wenn man gewohnt ist, dass man immer nur fertig gemacht wird, ist Sorge um einen wie Balsam für die Seele, denn man bekommt gezeigt, dass man nicht komplett wertlos ist. Sie sieht mir offenbar mein Entsetzen an, denn sie bittet mich, hereinzukommen. Als ich schließlich in ihrem Vorzimmer stehe, finde ich endlich meine Worte wieder und erzähle ihr stotternd, was mir passiert ist. Allerdings berichte ich ihr nichts von meinen Träumereien um Tom, denn schließlich ist sie meine Lehrerin und es geht sie nichts an. Sie lässt mich natürlich sofort meine Mutter anrufen, die jedoch nicht sofort Zeit hat, da sie als Krankenschwester im Nachtdienst arbeitet und gerade nicht weg kann, jedoch verspricht sie mir, in etwa einer halben Stunde zu kommen. Frau Mandl bietet mir an, mit ihr einen Tee zu trinken und in der Zwischenzeit bei ihr auf meine Mutter zu warten. Ich wäge in Gedanken ab, was mir lieber ist. Tee trinken, bei einer Lehrerin, wo ich mich nicht entscheiden kann, ob ich sie sympathisch oder unsympathisch finden soll, und die trotzdem eine unheimliche Anziehung auf mich auswirkt oder lieber draußen in der Dunkelheit warten, bis ich abgeholt werde? Ich entscheide mich für ersteres.

Im Chaos der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt