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Mitten in der Nacht wachte ich auf und konnte nicht mehr schlafen. Meine Augen waren noch halb geschlossen, als ich in die Küche tapste und das Licht einschaltete. Unschlüssig blieb ich kurz im Türrahmen stehen. Mir war irgendwie entfallen, was ich hier wollte. Als der Kühlschrank in mein Blickfeld geriet, fiel es mir wieder ein.
Ich nahm die Milch aus dem Kühlschrank, eine große Tasse aus den verchromten Schränken und griff auch gleich nach Marshmallows. Auf der edlen Marmorplatte stand eine Tüte voll mit Schokolade, die extra für Trinkschokolade war. Ich machte mir einen heißen Kakao und als ich die Tasse bis zum Rand mit der heißen Flüssigkeit gefüllt hatte, ging ich in mein Zimmer. Auf dem Schreibtisch lag der Schlüssel für die Dachterrasse und über meinem Schreibtischstuhl hing meine dicke Jacke. Mit der Tasse und dem Schlüssel bewaffnet ging ich die sieben Treppenstufen zur Tür hoch, die mich noch von meinem Ziel trennte. Schnell schloss ich auf und wurde von einer leichten Windböe begrüßt. Ich war so schlau gewesen, mir noch schnell meine dicken Fellstiefel anzuziehen, damit meine Füße nicht am Boden festfrohren und ich war wirklich froh, dass mein Gehirn soweit schon aktiv war. Ich konnte über die recht niedrige Mauer schon die Lichter vom nächtlichen Berlin sehen und wurde augenblicklich ruhiger. Es sah ungelogen beeindruckend aus.
Immer, wenn ich nachts hier oben war, war es Nacht. Tagsüber sah es nicht halb so phänomenal aus, wie jetzt. Ich ging zu der kleinen Mauer und setzte mich. Am Kakao wärmte ich mir die Hände und irgendwie musste ich ein komisches Bild abgeben. Als ich so darüber nachdachte, begann ich zu lachen. Es war kein normales Lachen, eher das einer irren Psychopatin. Um mich zu beruhigen, nahm ich einen Schluck von meinem schön heißen Kakao. Die Marshmallows waren schon zerlaufen, sodass ich nicht kauen musste. So hatte ich es am liebsten.

Dieses Bild von Berlin in der Nacht machte mich sentimental und nachdenklich und eine einsame Träne bahnte sich den Weg aus meinem Auge bis hinunter zum Kinn. Ich vermisste meine Mutter. Ohne sie wäre ich nicht so schlau, wie ich es jetzt bin. Ich wäre nicht da, wo ich jetzt bin. Ich wäre vermutlich niemals Auftragsmörderin geworden.

Als ich so da oben saß, wurde mir bewusst, wie armselig mein Beruf eigentlich war. Ich tötete für andere Leute, sodass sie sich nicht die Finger schmutzig machen mussten. Ich widerte mich selbst an. 'Hana!', ermahnte ich mich selbst. 'Der Job mach dir, ganz nebenbei doch auch Spaß!' Stimmt. Ich sollte nicht so rumheulen.

Auf einmal kam mir wieder in den Sinn, was ich heute in Mathe zu Nate gesagt hatte. Ich hatte ihm die Phase auf die Ohren gedrückt, die mich zu dem gemacht hatte, was ich jetzt war! Ein mörderisches Monster. Der Tod meiner Mutter hatte mich stark verändert. Ich dachte nicht gerne darüber nach. Aber irgendwann kamen alle negativen Gefühle mal hoch. Ich merkte gar nicht, wie ich weinte. Erst, als ich den salzigen Geschmack der Trauer auf meinen Lippen hatte, merkte ich es. Mit meinem Halstuch wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, aber es wurden immer mehr. Ich warf einen letzten Blick auf die Straßen des nächtlichen Berlins, als ich meine Tasse und den Schlüssel griff und wieder rein ging.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lastete eine enorme Müdigkeit auf meinen Schultern. Ich ging als erstes gleich in die Küche, um mir eine große Tasse Kaffee zu holen, denn sonst würde ich den Tag definitiv nicht überleben. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und eine eher verschlafen wirkende Coraly kam rein. ,,Erschreck mich doch nicht so!", murrte ich. Mich morgens zu erschrecken war der größte Fehler, den man machen konnte. Fast wäre mir der brühend heiße Kaffee auf den Schlafanzug getropft, aber meine Reflexe funktionierten auch am frühen Morgen schon sehr gut. Was ich vergessen hatte: der Kaffee war heiß. Sehr sogar. So kam es, dass der Kaffee über meine Hand schwappte und ich sie schnell wieder wegzog. Versehentlich riss ich dabei die Tasse mit und meine Essenz des Lebens ergoss sich über meinen schönen Schlafanzug. Durch das noch halb kochende Zeug begann ich auch zu schreien. Da wurde Coraly wach! Sie rief Jackie, den Arzt in der Firma. Er brauchte keine Minute, um in die Küche zu kommen und die Situation zu erfassen. Schnell öffnete er den Verbandskasten, den er dabei hatte und machte irgendeine Salbe auf meine Hände, die wie Feuer brannten. Die Salbe sollte wahrscheinlich mal kühlen, aber es tat nur noch mehr weh. Mit zusammengebissenen Zähnen betrachtete ich die eklige Fleischwunde, die sich gebildet hatte. Es sah widerlich aus.
Augenblicklich hörte dieses Brennen auf, das gerade eben noch meine rechte Hand fast in Flammen gesteckt hätte. Stattdessen kribbelte sie nur noch. Allerdings hatte sich der Kaffee auch auf fast alle anderen Körperstellen ergossen und da war immer noch dieses fiese Brennen. Den Schlafanzug aufzuknöpfen und ihn mir normal auszuziehen hätte zu lange gedauert, so kam es, dass Jackie ihn aufschnitt, um an die anderen Verbrennungen zu kommen. Auch dort verteilte er wortlos die Salbe und ich schrie auf. Dann kribbelten auch alle anderen Körperteile. Ich probierte, aufzustehen, was mir auch halbwegs gelang. Nur musste ich mich dafür mit meiner verletzten Hand auf der Arbeitsfläche abstützen und da begann sie wieder weh zu tun. Jackie und Coraly hatten meinen schmerzerfüllten Gesichtsausdruck wahrscheinlich bemerkt, jedenfalls halfen sie mir aufzustehen und Jackie griff nach meiner rechten, verletzten Hand. Er bestrich sie nochmal mit der Salbe und wickelte einen schneeweißen Verband herum. ,,So. Du solltest die Hand die nächsten Tage so wenig wie möglich benutzen. Falls noch was ist, kommst du bitte in mein Büro und morgen früh sehen wir uns auch dort. Zur Kontrolle." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verschwand er. Ich fand ihn irgendwie gruselig. 'Wie gut, dass ich mit Links schreibe...', dachte ich mir und Coraly fragte gleich: ,,Mensch, wie konnte das denn passieren?! Und vor allem: seit wann trinkst du morgens Kaffee?"

Als ich im Klassenraum ankam, war es schon acht Uhr und ich hatte nur noch fünf Minuten, um meinen Kram auszupacken. Schnell ging ich zu meinem Platz und merkte, dass Nate mich auch in Psychologie stalken würde. Er empfing mich mit einem belustigten Blick auf meine rechte Hand. Als ich mich neben ihn fallen ließ, fragte er sofort: ,, Was ist denn da passiert?" Es fiel ihm schwer, ein lautes Lachen zu unterdrücken und ich rollte mit den Augen und antwortete: ,,Kleiner Kaffee-Unfall. Das passiert, wenn meine Tante mich am frühen Morgen erschreckt und ich eine lange Nacht hinter mir habe." Nachdem ich das gesagt hatte, konnte er sich nicht mehr zurückhalten und begann laut loszulachen. Irgendwann stimmte ich auch mit ein, einfach weil die Situation bei längerem Nachdenken echt dumm war.

Es klingelte, der Unterricht begann und ich zog sofort meinen Zeichenblock, den ich mir gestern Abend extra eingepackt hatte, unter der Federtasche vor. Ich skizzierte grob etwas, was einer Landschaft ähnlich sah. Plötzlich fragte mich Nate: ,,Was willst du nach der Schule und deinem eventuellen Studium eigentlich mal werden?" Diese Frage wurde mir schon öfter gestellt und ich beantwortete sie jedes mal aufs Neue mit: ,,Gamedesignerin, am liebsten bei Nintendo. In Japan, Kyoto." Das war meine Standart-Antwort und die gab ich auch jetzt. ,,Und wieso sitzt du dann mit mir hier in Psychologie?" Das stimmte. Warum saß ich in Psychologie, wenn ich Gamedesign machen wollte? Ganz einfach. Es konnte mir bei meinem Job als Auftragsmörderin helfen. ,,Weil es mich interessiert", gab ich zu verstehen. Ich merkte, dass er es mir nicht wirklich abkaufte , aber das war mir im Moment so ziemlich egal. Ich kramte ein wenig in meinem Block Zeichenblock herum, um eine leere Seite zu finden, dann fing ich an, in meiner Federtasche herumzuwühlen. ,,Sag mal... Ordnung liegt dir aber nicht wirklich, oder?", fragte mich Nate mit einem breiten Grinsen. ,,Lass mich, ich hatte eine schlaflose Nacht und heißen Kaffee auf meiner Hand, ich darf das!", murrte ich. Ich hatte das Recht darauf, zickig zu sein, schließlich bin ich ein Mädchen!

Der Schultag verging schneller als erwartet und demzufolge auch schneller als mir lieb war. Nach Unterrichtsschluss ging ich in den Raum, wo ich immer Deutsch hatte. Coraly und Frau Mertin warteten bereits auf mich und schienen sich zu unterhalten, allerdings waren es eher belanglose Themen wie beispielsweise das Wetter. Na das konnte lustig werden!

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Hey Leuts!

Nach ewigen Tagen und Wochen kommt mal wieder ein Kapitel!

Was meint ihr? Stimmt die Antwort, dass Hana eigentlich Gamedesign machen will? Und warum sitzt sie eigentlich in Psychologie? (Okay, die Antwort auf die letzte Frage ist eher einfach)

Ich habe ja jetzt Sommerferien, also könnte es durchaus sein, dass demnächst noch ein Kapi kommt, allerdings habe ich hier kaum Internet, also gebt mir bitte noch eine Woche Zeit :D

Feedback und so ist immer erwünscht, also immer her damit!

Eure Franzie :)

Kill Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt