-7-

25 2 0
                                    

,,Bitte. Hana, es bringt dir nichts außer eine Erkältung, wenn du mitten in der Nacht einfach in deinem dünnen Schlafanzug raus gehst. Das wissen wir beide. Du darfst nicht so oft in der Schule fehlen! Es wird sonst zu auffällig! Hana, ich appelliere jetzt an dein Gehirn: geht niemals, niemals, wieder mitten in der Nacht hoch auf die Dachterasse! Und überhaupt. Warum treibst du dich so oft da oben rum?!"
Ihre lange Rede ging mir ein wenig auf die Nerven. Ich verdrehte meine Augen, aber Coraly schien es nicht zu stören. Sie schimpfte weiter.
,,Coraly, mach mal halblang!", funkte ich dazwischen. ,,Du weißt genau, dass es der einzige Platz ist, an dem ich ungestört sein kann! Oder Ort erinnert mich an Mama, deine Schwester! Hat dieser Platz denn keine Bedeutung für dich?!" Mittlerweile schrie ich schon regelrecht. Coralys Unverständnis brachte mich zur Weißglut!
,,Natürlich ist es auch für mich scheiße, das brauchst du mir gar nicht zu unterstellen, aber denk doch mal nach! Seit Victorias Tod hast du dich verändert! Deine Haare? Blau, deine Kontaktlinsen? Auch blau! Blau ist die Farbe depressiver Personen! Du solltest dich mal einer Therapie unterziehen!" Das war jetzt wirklich zu viel! Eine Therapie?! Am Ende fand der auch noch raus, was für einen Beruf ich ausführte! Nein danke, das konnte ich mir durchaus sparen! ,,Im Endeffekt ist blau auch nicht mehr als eine Farbe.", sagte ich mit ruhigem Ton in der Stimme und verließ den Raum.

In meinem Zimmer angekommen, schnappte ich mir demonstrativ meine Jacke und den Schlüssel für die Dachterasse. Ich musste fliehen, dass in meinem Zimmer noch Hausaufgaben und Arbeit warteten, ignorierte ich einfach. Sollten die Lehrer mich doch anschnauzen. Nicht mein Problem.

Es war schon lange dunkel draußen. Eine sternenklare Nacht, jedoch nicht in einer Großstadt. Hier schienen die Sterne am Boden.
Beim Nachdenken wurde ich schon wieder sentimental und meine ganzen Emotionen vom Streit mit Coraly brachen aus mir heraus. Eine Träne nach der anderen lief mein Gesicht herunter und ich wollte mir nicht vorstellen, wie ich aussah. Meine Schminke war bestimmt komplett verschmiert und meine Augen gerötet. Ich musste aussehen wie so ein Zombie.

Nachdem ich mich so halbwegs wieder beruhigt hatte, sah ich auf meine Armbanduhr. Schon kurz vor halb zehn... Ich hatte noch Hausaufgaben und wenn ich mich beeilte, könnte ich es vor elf Uhr schaffen. Ich ging zu der Tür, die ins Innere des Gebäudes führte und drehte mich nochmal um. Es machte mich fertig, dass Coraly es nicht akzeptierte, dass dies hier mein Lieblingsplatz war. Schnell drehte ich mich wieder zur Tür und schloss auf.

In meinem Zimmer setzte ich mich sofort an meinen Schreibtisch und kramte meine Hausaufgaben hervor. Mathe war schon immer ein leichtes für mich gewesen, deshalb brauchte ich keine zwanzig Minuten, um die fünf Aufgaben zu lösen. Als nächstes sollte ich noch eine kleine Grafik für eine Gruppenarbeit in Deutsch ausdrucken, auch das ging schnell. Dann warf ich noch einen Blick auf meine Uhr. Halb elf. Ich könnte noch eine halbe Stunde arbeiten. Schnell öffnete ich die Dateien vom gestrigen Tage und als mir alle Berichte nochmal ansah, fiel mir eine Kleinigkeit auf. Die Handschrift der einen Notiz, die besagte, dass jemand die Tablettendosis auf drei Tabletten pro Mahlzeit erhöhen sollte, war in einer ganz anderen Handschrift geschrieben. Sie war sehr kunstvoll und geschwungen, während die anderen Notizen immer in einer einfachen, ordentlichen Schrift waren. Diese andere Handschrift sah nach einer Frau aus, aber ich wollte mir nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen. Müde lief ich ins Bad, um mich abzuschminken und mir die Zähne zu putzen.

Nach meiner Abendroutine fiel ich erschöpft ins Bett und schloss die Augen. Nachdem ich mich einige Male hin- und hergedreht hatte und immer noch nicht schlief, beschloss ich aufzustehen. Wie die letzte Nacht auch, ging ich in die Küche und machte mir einen Kakao mit Marshmallows. Als ich die Milch auf dem Herd erhitzte, griff ich nach meinem Handy um zu schauen, wer mir geschrieben hatte. Nate wurde dem Klassenchat hinzugefügt und Skylar hatte sofort versucht, sich mit Herzchen seine Aufmerksamkeit zu holen. Ich könnte kotzen.

Erst, als mir etwas extrem heißes auf den Fuß lief, merkte ich, dass die Milch übergekocht war. Darum bemüht, nicht bei jedem Schritt laut aufzuschreien, zog ich erstmal den Topf von der Kochfläche und griff dann nach der Küchenrolle, um das, was auf dem Boden gelandet war, aufzuwischen. Plötzlich vibrierte mein Handy.

Ich schaute drauf und sah, dass ich eine Nachricht von Nate bekommen hatte:

,,Hey Schlumpfine ;) Morgen schon was vor? Falls nicht, dann stehst du morgen um zehn bitte vor deinem Wohnhaus :) Ich hab Hausaufgaben und brauche Hilfe xD"

Diese ganzen Smileys irritierten mich. Und dann noch der Spitzname. Schlumpfine. Dass ich nicht lache. Trotzdem schrieb ich zurück, dass ich Zeit hätte. Kopfschüttelnd goss ich die Milch in den Abfluss. Was konnte schon schief gehen?

Nachdem ich die ganzen Sachen wieder weggeräumt hatte, schnappte ich mir eine kleine Schüssel und füllte mir ein paar Marshmallows hinein. Die Schüssel nahm ich mit auf mein Zimmer.

Ein paar Minuten später fand ich mich an meinem fast leeren Schreibtisch wieder, ein weißes Blatt Papier vor mir und meine Buntstifte neben mir. Es war halb zwölf in der Nacht. Bis ein Uhr konnte ich also noch zeichnen. Mir würden sieben Stunden Schlaf reichen. Dann hatte ich zwei Stunden Zeit für meine Morgenroutine.

Eine halbe Stunde später hatte ich eine komplette Skizze von einer Ballerina fertig. Doch genauso schnell, wie ich das Blatt hergezaubert hatte, so schnell war es auch in meinem Mülleimer versenkt. Ich war müde, ich hätte auf meinem Stuhl einschlafen können und das passierte mir so gut wie nie. Ich beschloss, völlig übermüdet, in mein Bett zu gehen, das letzte woran ich denken konnte, war die Frage, ob das morgen wirklich alles gut lief.

Den nächsten morgen wachte ich dadurch auf, dass etwas gegen mein Fenster klopfte. Ich schreckte auf und lief hin, dann sah ich, dass ein kleiner Vogel auf meinem Balkon lag. Er war offensichtlich gegen die Scheibe geflogen. Ich öffnete die Schiebetür und bückte mich, um den kleinen Spatz aufzuheben, als mich etwas an der Schulter packte, ich aufschreckte und mir den Kopf am Türrahmen stieß. ,,AUA!", schrie ich und drehte mich um. Coraly schlug erschrocken die Hände über dem Kopf zusammen. ,,HANA! Ist alles in Ordnung bei dir?!", fragte sie mich voller Sorge. Ich rieb mir über die schmerzende Stelle am Kopf. ,,Ja. Nachdem mein Kopf auch Bekanntschaft mit der Tür gemacht hat, bin ich sogar wach.", murrte ich. Schnell schaute ich auf die Uhr gegenüber von meiner Wand. Heilige Makkaroni!
Nur noch eine Stunde?!
Schnell drückte ich der verdutzten Coraly den kleinen Vogel in die Hände. Ich rannte aus meinem Zimmer, hatte jedoch meine Kleidung vergessen und durfte deshalb zurück in mein Zimmer sprinten. Dort riss ich die Kleidung, die ich mir gestern Abend noch auf meinen Stuhl geschmissen hatte, runter. Ich schlitterte wieder um alle Ecken, um in das große Bad zu gelangen und schloss mich dort ein.

Nachdem ich voll bekleidet und mit einem Hauch von Makeup wieder aus dem Bad kam, musterte mich Coraly erstmal gründlich, nur um mich dann zu fragen, wo meine üblichen Hoodies geblieben waren. Ich sah an mir herunter. Heute trug ich ausnahmsweise mal ein Kleid. Ein hellblaues Kleid mit ein paar Rüschen und ein wenig Spitze. Also genau das, was ich sonst nie trug. Ich lächelte sie nur leicht an, als sie mir verschwörerisch zuzwinkerte. ,,Ah. Ein Junge also. Na dann pass schön auf, dass er nicht anfängt zu sabbern, wenn er dich sieht!", rief sie mir noch hinterher, als ich schon drei Ecken weiter in meinem Zimmer war.

Genau zehn Minuten später, pünktlich um zehn Uhr, stand ich vor dem Hochhaus, das meinen Arbeitsplatz und gleichzeitig mein Zuhause darstellte.

Plötzlich hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Laut. Sehr laut. Alles drehte sich zur Quelle dieser Stimme um. Da lief ein winkender und grinsender Nate auf mich zu und ich war leicht verängstigt. Hoffentlich wird er mich nicht umarmen.

Na der Tag könnte ja lustig werden!

------------------------------------------------------

Ja, ich lebe noch :)

Ich hatte eine Art Schreibblockade und konnte bezüglich Kill keinen klaren Gedanken mehr fassen, aber jetzt bin ich ja wieder da, mit einem Satz frischer Ideen :D

Scheut euch nicht davor, eure Meinung in die Kommentare zu schreiben c:

Eure Franzie

Kill Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt