Teil 10-Privatstunden

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DER SCHATTEN

Die Beziehung von Ember und mir war so weit entfernt, dass man sie eigentlich gar nicht als Beziehung bezeichnen konnte. Natürlich kannte jeder, der irgendetwas mit Auftragskillern zu tun hatte, ihren Vater, Alexej Gromov. Nicht unbedingt persönlich, aber den Namen hatte man schon einmal gehört. Ich kannte ihn vor allem wegen meinem großen Bruder. Die beiden waren sehr gute Freunde gewesen, tatsächlich hatte er Ember sogar gekannt, aber sie war da noch sehr klein gewesen. Auch er war Auftragskiller gewesen und hatte den Namen der Schatten getragen. Nach seinem Tod hatte ich seinen Namen angenommen, was mich in meinem Beruf ganz schön weitergebracht hatte. Er hatte mir nahe gestanden, aber ich weiß, dass Alexej Gromov mehr wie ein Bruder für ihn gewesen war. Er war in Spanien gestorben, nach einem Auftrag war er von der Polizei umzingelt worden, er hatte sich sogar ergeben, aber sie hatten ihn trotzdem erschossen. Ich kann ihnen keine Vorwürfe machen, ich habe auch viele erschossen, obwohl sie sich ergeben haben. Ich hatte mich rächen wollen und den Polizisten erschießen wollen, doch Alexej Gromov war mir zuvor gekommen. Damals war ich 18 gewesen und Ember so weit ich weiß 5. Seit damals sind 10 Jahre vergangen. Sie war ihrem Vater auf eine ganz besondere Art ähnlich, natürlich hatte sie die gleiche Haar- und Augenfarbe, aber auch Charakterlich sind sie sich sehr ähnlich. Mein Bruder hatte mir gesagt, dass ihr Vater genauso wenig Killer hatte werden wollen und heute war er der beste der Welt, aber wenn er sich sehen hat lassen nur um sie zu sehen, scheint er seine Gefühle noch immer nicht ganz begraben haben. Ich kann ihn absolut verstehen. Manchmal fällt es auch mir schwer, auch wenn es nicht daran liegt, jemanden zu töten, sondern eher daran, dass die Trauer über meinen Bruder erneut über mich hineinbricht. Tatsächlich kann ich aber nicht verstehen, dass Ember so geschockt über den Tod der Wölfin war, denn sie war ein furchtbarer Mensch, dem es nichts ausmachte ein Opfer vor dem Tod leiden zu lassen. Ich hatte Ember damals beobachtet, allerdings hatte noch niemand gewusst, dass ich bereits auf der Insel war.
In knapp einer Stunde würde ich Julius und Ember unterrichten. Die "Stundenpläne" waren simpel aufgebaut. Morgens um 5:00 Uhr gab es das übliche Ausdauertraining für alle. Für jedes Team gab es einen eigenen Tag und ein eigenes Jurymittglied abgesehen von mir. Bei Ember und Julius waren es die Direktorin und ich. Nach dem Ausdauertraining würden Ember und Julius von mir und der Direktorin drei Stunden unterrichtet werden, danach hatte Ember drei Stunden Einzelunterricht bei der Direktorin und Julius bei mir. Danach tauschten sie die Lehrer für weitere drei Stunden. Das alles ohne Pause. An den anderen Wochentagen trainierten sie nur mit der Direktorin. Genauso lief das auch bei den anderen ab.

Ich und die Direktorin standen Ember und Julius gegenüber. Sie machten beide einen sehr sportlichen Eindruck schienen aber beide ein wenig außer Atem zu sein. Die Direktorin erklärte ihnen grade, dass sie heute um 11:30 Uhr mit mir in den Wald gehen würden um das Grab für die Wölfin zu graben. Ich muss gestehen, dass auch ich es ziemlich unfair finde, dass die beiden für ihren haushohen Sieg bestraft wurden. Generell hatte ich nicht das Gefühl, dass die Direktorin besonders angetan von den beiden war. Sie sah beide ziemlich düster an. Vielleicht war sie einfach nicht gern in Gegenwart von begabten Leuten, zumindest nicht begabter als sie selbst war. Die Direktorin wollte auch eindeutig nicht zugeben, dass sie alt wurde. Man merkte, dass ihr sportlich Aktivitäten durchaus zusetzten. Ich hatte Leute mit über 70 gesehen die tatsächlich noch besser in Form waren als die fast 50-jährige Direktorin. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie mit den beiden großartig Sport treiben wollte. Es sah eher so aus, als wolle sie meditieren und Yogaübungen machen. Was sie dann tatsächlich auch tat. Mir viel auf, dass Ember ziemlich genervt davon zu sein schien, obwohl Sie Yoga perfekt beherrschte, weil sie so klein und gelenkig war. Für Meditation war sie leider viel zu ungeduldig, was nicht so gut für einen Killer war. Julius war sehr geduldig, auch wenn es vermutlich von außen nur so aussah, ich konnte sein Inneres Feuer fast sehen. Genau wie Ember hatte er einen guten Gleichgewichtssinn und war deshalb auch gut in Yoga. Nachdem die Hälfte der Zeit vergangen war, konnte ich die Direktorin überreden, dass jetzt ich Übungen mit ihnen machte. Sie war einverstanden und machte sich nicht einmal die Mühe zu bleiben und zuzuschauen. Als erstes versuchte ich, alle Nahkampfsportarten zu vereinen und gegen die beiden zu kämpfen. Leider hielten beide zusammen höchstens eine Minute gegen mich durch. Julius steckte viel ein, aber es schien ihm nicht wirklich weh zu tun, Ember konnte vielen meiner Schläge ausweichen, allerdings schien sie, wenn sie getroffen wurde, starke Schmerzen zu haben, denn sie verzog immer das Gesicht, aber alles in allem waren beide gut darin den Schmerz zu unterdrücken. Auch wenn sie am Teamwork arbeiten mussten, zwischen den beiden schien ein Abgrund zu liegen. Im Laufe der Zeit wurden die beiden immer besser, was mich ein wenig stolz machte. Am Ende hätten sie es sogar fast geschafft mich zu besiegen, die beiden hatten mich auf den Boden gedrückt, aber ich konnte wieder aufstehen, allerdings mit einem festen Tritt in Embers Bauch. Sie lag danach auf dem Boden und hielt sich den Bauch. Als ich wieder stand und ihr die Hand hinhielt sah sie mich ein wenig vorwurfsvoll an und fragte mich, warum ich so fest zutreten musste. Aber sie nahm kurz darauf meine Hand und ich zog sie hoch. Sie war noch leichter als ich erwartet hatte. Dann waren die drei Stunden vorbei. Als Ember durch die Tür verschwand um zu der Direktorin zu gehen, murmelte sie etwas von: "Toll, jetzt kann ich schön meditieren. Ob sie wohl merkt, wenn ich einschlafe?" Ich musste lächeln, dann wandte ich mich an Julius, der mich sofort fragte: "Sie ist klasse, finden Sie nicht?" Ich konnte mir ein Grinsen nur schwer verkneifen: "Das werde ich sehen, wenn ich die anderen Teams gesehen habe. Aber ich muss euch loben, ihr könnt wirklich sehr gut mit Schmerz umgehen." "Warum haben Sie sie so fest getreten?" "Stell dir vor, das wäre echt gewesen, hättest du nicht auch alles getan um irgendwie aus dieser Lage zu kommen, wenn der Gegner die Oberhand hat?" Er nickte etwas zögernd, dann ging ich wieder in Kampfposition und er tat es mir ohne zu Zögern nach. Dann fingen wir wieder an zu kämpfen. Beim Kämpfen bekam ich immer ein Gefühle über meinen Gegner. Julius erinnerte mich stark an meinen großen Bruder, den waren Schatten. Und Ember an ihren Vater, was ich aber nur von den Erzählungen von meinem Bruder vermuten konnte.

Famous but nameless Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt