Kapitel 6

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Ich borgte mir ein Motorrad, das samt Helm unbeobachtet vor dem Hotel stand und raste damit aus der Stadt raus in die Einöde. Es war eisig kalt und ich ärgerte mich, dass ich nicht an dickere Handschuhe, eine Mütze oder eine Jacke gedacht hatte. Ich war mit meinen Gedanken ganz damit beschäftigt gewesen, ungesehen in meinen Tarnanzug gekleidet und mit meinen Waffen bestückt, aus dem Gebäude voller reicher Leute zu kommen. Die Lederhandschuhe, die ich wie immer trug, verhinderten zwar, dass meine Finger am Lenker des Motorrads fest froren, ließen aber trotzdem die niedrigen Temperaturen ungebremst zu meiner Haut vordringen. Ich hatte mich erkundigt und herausgefunden, dass das Hochsicherheitsgefängnis, in das Diggle eingeliefert worden war, eine Meile außerhalb der Stadt lag und dementsprechend, war ich nun auf dem Weg dort hin. Auch wenn es bitter kalt war trieb ich das Motorrad zu Höchstleistungen an und kitzelte jeden einzelnen Stundenkilometer aus dem Blech. Das hatte zur Folge, dass es nicht lange dauerte, bis das riesige Areal vor mir auftauchte. Ich betrachtete die eintönige von Schnee und Eis bedeckte Landschaft und versuchte mir vorzustellen, wie es wäre in dieser Gegend zu leben. Ich wollte bereits nach den paar Stunden, die wir in Russland waren, zurück in die vereinigten Staaten. Ein riesiger Stacheldrahtzaun und schwere Mauern trennten den Knast vom Rest der Bevölkerung. Ich ließ das Motorrad und auch den Helm achtlos im Schnee liegen und kletterte mit flinken Bewegungen und ohne mich zu verletzen über den Zaun. Ich huschte die nächsten hundert Meter bis zum Besuchereingang eilig durch den Schnee und musste mich zusammen reißen, um meine Zähne nicht klappern zu lassen. An meinem Ziel angekommen schaltete ich die vorhandene Überwachungskamera mit einem einzelnen Schneeball aus, sodass die Linse komplett verdeckt wurde. Ganz leise begab ich mich in den Schatten neben der Tür und als der Wachmann eine Sekunde später missgelaunt nach draußen schlurfte, zeigte sich, dass mein Instinkt richtig gewesen war. Er ging direkt an mir vorbei, aber ich war so gut darin nicht aufzufallen, dass er mich nicht entdeckte. Zusätzlich war es mittlerweile stockfinster, wodurch man außer dem Schnee in ein paar Metern Umkreis um einzelne Lampen, überhaupt nichts sehen konnte. Ich beobachtete, wie der Russe prüfend einen Blick nach oben zu der Dachkante warf. Er schien sich mit der Erklärung zufrieden zu geben, dass der Schnee von dort abgerutscht war. Bevor er sich wieder umdrehte, um zurück nach drinnen zu gehen, schlüpfte ich im Schatten durch die Tür und mir wurde fast augenblicklich wieder warm, als ich an dem Heizstrahler neben der Tür vorbei ging. Ich bewegte mich leise und nicht zu schnell, sodass keiner der übrigen Wärter etwas mitbekam. Drei von ihnen saßen um einen Tisch herum und spielten Karten, während zwei andere sich verschiedene Monitore ansahen. Ich schenkte den Männern keinen zweiten Blick, sondern lief durch einen Gang weiter in das Gebäude hinein. Schon nach kurzer Zeit stellte ich fest, dass ich Diggle auf diese Art nicht finden würde, also versteckte ich mich in einer Nische und wartete ab. Zweimal schreckte ich zusammen, da Tropfen von dem geschmolzenen Schnee an meiner Kleidung auf den Boden geplatscht waren und das Geräusch von den schmutzigen Wänden wiederhallte. Es dauerte gut fünf Minuten, bis endlich ein Wärter den Gang entlang kam und ehe er sich versah, hielt ich ihm bereits eine Waffe an den Kopf.

"Wo ist John Diggle?", mein Russisch war ein bisschen eingerostet, aber für diese Zwecke reichte es. Der Mann starrte mich überfordert an und ich konnte in seinen Augen sehen, dass er schon jetzt zu überlegen begann, warum er sich von einer Frau bedrohen ließ, die gut einen Kopf kleiner war als er. Ich spürte, wie er Kraft sammelte, um mich abzuschütteln, aber ich kam ihm zuvor: "Wo ist der Mann mit der dunklen Haut?"

Ich lockerte den Dreieckswürger um seinen Hals so weit, dass er genug Luft bekam, um mir antworten zu können. Er japste etwas von "Kühlkammer" und erschlaffte im nächsten Moment in meinen Armen, als ich ein paar Sekunden lang Druck auf seine Halsschlagader ausübte. Ich zerrte seinen bewusstlosen Körper in die Nische, wo ich mich eben versteckt hatte und baute darauf, dass ihn hier so bald keiner finden würde. Wie hatte Diggle es geschafft innerhalb von ein paar Stunden mit der Kühlkammer bestraft zu werden? Ich war bereits einmal in einem solchen Gefängnis gewesen und es war der schwierigste Ausbruch gewesen, den ich je hatte wagen müssen. Alles in mir hoffte, dass ich nicht entdeckt wurde, denn ihr musste dasselbe passiert sein. Mein Weg führte mich zurück zu den Karten spielenden Wärtern und im Schatten eines Regals stehend, erhaschte ich einen Blick auf die Lagepläne des Gefängnisses. Ich entdeckte die Kühlkammer und machte mich keine Sekunde später auch schon auf den Weg. Dieses Mal bedeutend schneller, ich wollte nicht wissen, wie sehr erst Dig da drinnen die Zähne klappern mussten. Vor einer gut isolierten, eisernen Tür blieb ich stehen und sah mich um: Die Gänge waren wie ausgestorben. Zu meinem Glück. Ich drückte die Klinke nach unten und sobald ich die Tür aufstieß schwebte mir Eisnebel entgegen. Die Kälte war grausam. Draußen war es bei weitem nicht so kalt, wie hier drinnen. Ich brauchte nicht lange zu suchen, um Diggle zu finden und ich spürte eine gewisse Genugtuung, als Diggles Augen sich weiteten, als er mich entdeckte. Er war gegenüber von einem anderen Mann mit den Händen über dem Kopf an eine Leitung gefesselt und stieß eisigen Atem aus.

Arrow -Shadows- (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt