Der Flachmann in der Wehrmacht-Sonderedition in Panzergrau

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„SO! Jemand, und das werde nicht ich sein, muss mit diesem Mädchen Deutsch lernen", währenddessen kramt Johann ein rotes Bonbon aus seiner Jackentasche und ich frage mich, ob das ein Tick von ihm ist.

„Adolf, warum willst du nicht? Du bist doch die Verkörperung der Deutschen Sprache, du würdest sogar dem Duden alle Ehre machen!", meinte Günther mit einem begeisterten Klatschen.

„Günther. Ich weiß nicht einmal was das heißen soll, aber ich halt das Mädchen im Kopf nicht aus! Du verstehst dich doch so gut mit ihr. Du und deine sinnlosen Runen", Adolf fährt sich genervt durch seine Haare und wirft Johann und Günther einen bösen Blick zu.
Alle stehen wie angewurzelt im Kreis, während Irenka ausnahmsweise gebannt Herbert lauscht, der ihr versucht eine „moderne" Kamera zu erklären.
„Warum macht's nicht Adler?", Klaus versucht sich nun eine Zigarette anzuzünden, alle wirken höchst...motiviert.
„Wer ist Adler denn schon wieder?", warum kommen ständig neue Namen auf? Wie viele Leute arbeiten hier denn?

„Du, du Idiot!" Johann holt sich noch ein Bonbon aus seiner Tasche und ich frage mich wie viele Bonbons er in seiner Tasche hat, ist der sowas wie ne Nazi Mary Poppins?

„Aber das wichtigste ist erst einmal das Drehbuch", bemerkt Klaus seine Zigarette schmauchend. Dann starrt er einen Moment lang konzentriert auf den Schreibtisch. „Wer möchte das machen?", fragt er mit einem Lächeln, das einem Superschurken würdig wäre. Was läuft eigentlich falsch mit ihm?

„Ich!", ruft Günther begeistert. Eisernes Schweigen.

„Wirklich? Keiner?", fragt Klaus, Günther einfach ignorierend.

„ICH IIIIIIIIIICH will das machen! Bitte! Bitte! Bitte!!!" Günther hüpft wie ein kleines Kind auf der Stelle, und versucht dann auch noch mit wildem Armfuchteln auf sich aufmerksam zu machen. „BIIIITEEEEEE!!!!!"

Im Raum ertönt ein einstimmiges „Nein, Günther! Nein!"

„Gibt es niemanden, der nicht Günther heißt und sich freiwillig dafür opfert?", einstimmiges Kopfschütteln, außer Günther der noch immer das Drehbuch schreiben will.

„Jou isch mach!"

Darauf folgt ein noch lauteres, einstimmiges „Nein! Auf keinen Fall!"

„Dann eben nisch...", meint Irenka enttäuscht.

„Ich könnte es doch einfach mit Günther zusammen schreiben" mischt sich plötzlich auch noch Herbert ein.
„Na gut! Sonst finden wir ja keinen Trottel der das für uns erledigt!", sagt Klaus mürrisch.
Warum macht er es nicht einfach, wenn alle zu blöd dafür sind? Manchmal spielt der sich echt auf als wäre er der Führer höchstpersönlich! ...äh ja ich sollte mit dem Witz aufhören, der ist ja schon älter als Hitler selbst....Moment wie alt ist er eigentlich?

„JAAAAAAAA!", Günther stößt einen Schrei aus, der mich an die WM in Deutschland erinnert und umarmt dabei Herbert stürmisch. Das kann ja nicht gutgehen, mir schwant übles: übertriebener Kitsch, bunte Farben und noch schlimmer eine Liebesgeschichte!

„Also ich brauche noch eine weitere Kamera, ein verdammt gutes Skript, ein paar Nebendarsteller und einen Kaffee-schwarz und ohne Zucker! Ach und Elena, Johann ihr werdet die Hauptrollen übernehmen", Klaus wirkt dabei arrogant, gestresst und fuchtelt die Leute in die richtige Stellung.
„Ich?! Aber Herr Oberführer, ich habe viel zu großes Lampenfieber!", quietscht Johann hervor und hält sich die Hände vors Gesicht.
„Ach Papperlapapp, genau DU bist wie geschaffen für diese Rolle, was auch immer deine Rolle sein wird, sie dich doch an", Klaus wirkt überzeugend, aber seine Augen sagen „Mach es einfach du Trottel"
„Äh ...Klaus? Ich will's dir schonend beibringen. NEIN! NEIN! NEIN! HAST DU EIGENTLICH NICHT MEHR ALLE KANONEN IM ROHR?", ich schreie erneut. Er regt mich einfach auf! So viel Dummheit in einem einzigen Nazi...
„Adler, ich bin vielleicht alt, aber ich höre tatsächlich noch ausgezeichnet, du musst also nicht schreien! Und ihr beide seid die einzigen, denen ich ein gewisses Maß an Professionalität zutrauen kann", Klaus ist nun sichtlich genervt und ruft abermals nach einem Kaffee. „Wann kommt denn endlich mein Kaffee, Herrgott nochmal!" Genervt fährt er sich durchs Haar und fixiert dann mich. „Adler!", ruft er in militärisch strengem Ton. O Gott, was kommt denn jetzt nun wieder?! „Da du ja ohnehin nichts Besseres zu tun hast, bring mir sofort einen Kaffee! Schwarz mit Milch und OHNE Zucker!", dabei zieht er das e in „Kaffee" auf seltsame Art etwas in die Länge.
„Was?" Bin ich hier der Laufbursche oder was?
„Hopp hopp, im Stechschritt voraus, Mädchen!", Klaus klatscht auffordernd in die Hände.
Mit übertriebenem Stechschritt, der meiner Meinung nach sehr gut aussieht, verlasse ich denn Raum und renne elegant wie immer gegen die Wand.
„Der Stechschritt muss noch geübt werden, Mädchen", meint Klaus streng. Sein verdammter Ernst?!
Mit leichten Schmerzen verlasse ich den Raum und versuche, was in diesem Irrenhaus verdammt schwierig ist, seinen dämlichen Kaffee aufzutreiben. Irgendwann, nach gefühlten Stunden, bringe ich endlich die kleine Tasse in den Raum. „Bitte, Herr Oberführer, ihr Kaffee!" Ich salutiere übertrieben.
Klaus sieht mich nachdenklich an und trinkt dann einen Schluck, den er Sekunden später über seinen gesamten Schreibtisch verteilt. „Igitt, igitt! Was um alles im Reich, IST das?!!"
„Äh...Kaffee? Mit Milch ohne Zucker? Das nennt sich Milchkaffee!"
„Das ist Kaffee mit Milch!", herrscht er mich übertrieben wütend an.
„Und wo ist dann Ihr verdammtes Problem?" Was bei Odins Bart ist falsch mit dem Typ?!
„Ich will MILCH mit KAFFEE!", brüllt er wütend und Irenka hält sich die Ohren in einer übertriebenen Geste zu.
Ich sehe ihn verwirrt an. „Und...was hab' ich Ihnen gebracht?"
Klaus massiert sich die Schläfen. „Kaffee mit Milch", meint er leise und eindringlich, als wäre das etwas völlig Offensichtliches.
„Und wo bitteschön ist der Unterschied?", jetzt verstehe ich gar nichts mehr.
Klaus' Augen weiten sich und er betrachtet mich, als hätte ich mich vor seinen Augen in Hitler verwandelt. „Günther... Günther...", ruft er verzweifelt, „bitte bring mir meine Kaffee-Milch. Schön weiß, wie sich's für Arier gehört."
„Kommt sofort, Herr Oberführer!", ruft Günther Eva, begeistert, dass er nun endlich gebraucht wird. Damit eilt er aus dem Raum.
„Isch komm auch mit!", ruft Irenka und läuft ihm hinterher. Weil ich nicht mit Klaus allein sein will, komme ich auch mit. Der Typ ist mir echt nicht geheuer!
Günther steht schon -wie auch immer er das hingekriegt hat- mit einem fertigen Kaffee...nein, mit einer Kaffee-Milch da.
„Rischtischer Kaffee geht nur mit Vodka!", ruft Irenka aus und zückt einen Flachmann, den sie aus ihrer Hosentasche gezogen hat. Woher hat sie das denn schon wieder?!
Während Irenka mindestens ein Drittel des Inhalts in die Tasse entleert, kommt uns Adolf entgegen. Er bleibt wie angewurzelt stehen und starrt Irenka fassungslos an. „Ist das...ist das...", stottert er leise und hebt die Hand, auf den Gegenstand in Irenkas Händen deutend, „m-m-mein...Flachmann? Hat sie da MEINEN Flachmann?" Adolf scheint zutiefst schockiert.
„Ist schon gut, Adolf", beschwichtigt Günther.
Doch der Standartenführer schüttelt nur den Kopf. „Aber...aber das ist die Wehrmachts-Sonderedition! In panzergrau!"
„Schon gut, schon gut...", beruhigt Günther den erschütterten Adolf, der seinem Flachmann in der Wehrmachts-Sonderedition in panzergrau nachtrauert. Danach bringt Günther Klaus seinen Kaffee...oder seine Milch, wie man's eben nimmt. Begeistert trinkt Klaus die halbe Tasse leer, während ich ihn eigentlich noch vorwarnen will. „Also...eigentlich..." Ach, was solls!

Die nächsten Stunden verbringen Günther und Herbert mit dem Drehbuch, während Klaus eine Tasse nach der anderen von Irenkas Vodka-Kaffee runterkippt...und das in Sorgen bereitenden Mengen. Mittlerweile ist da schon mehr Alkohol als Milch in der Tasse und Klaus beginnt bereits merklich zu taumeln. Während Irenka eine neue Milch für ihn holt, sitze ich schweigend alleine in dem Raum mit dem betrunkenen Klaus.
Begeistert stimmt er ein Lied an, das sich nach genauerem Hinhören als das „Panzerlied" identifizieren lässt und tanzt dabei begeistert durch den Raum. „Oss stürmm od schnedd, ows de Sonn uns lach...", grölt er kaum verständlich und untermalt dies mit rhythmischem Klopfen auf den Tisch, wobei die Gegenstände darauf immer einen kleinen Satz machen. „Verstau sin de Jesichta, do frooh is unsa Si..", setzt er fort. Kurz unterbricht er das Lied für ein genuscheltes „Komm, El'na sing mt mir..."
Hilfe! Was läuft denn hier falsch?!
Irgendwann verstummt er und starrt einen Moment mit leerem Blick auf den Boden, dann beugt Klaus sich langsam und ungeschickt über den Tisch und deutet mit der Tasse, die er wie einen Bierkrug hält und durch die Gegend schwenkt, auf mich. „Weisss du, Elena....Irjendwie find ich da ganze scho komisch... Du und deine *hicks*", er stößt einmal auf, „Freundin komm einfach her und hab keine Ahnung vo diesa Welt. Ihr hab nich ma Ausweise und dann...dann..." Er scheint kurz den Faden verloren zu haben. „Dann spaziert ihr hier enfach rein...", redet er weiter und trinkt dann einen Schluck. „Man möchte fast menen du bist aus da Sukunft...", nuschelt er noch, ehe die anderen den Raum betreten. Dann fallen ihm plötzlich die Augen zu, der Becher rutscht ihm aus der Hand und fällt zu Boden, genau wie er selbst.
Ich springe auf. Was ist denn jetzt los? Adolf, der mit den anderen den Raum betreten hat, stürzt vor. „Der ist einfach nur sternhagelvoll!", verkündet er.

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