Zweisamkeit

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Ich ließ das eben Geschehene noch einmal in meinem inneren Auge ablaufen. Wie all diese „Menschen" uns verfolgt hatten, als wären wir ihr lang ersehntes Mittagessen. Was war bloß mit ihnen passiert...ich meine es wird nicht einfach so aus normalen Menschen...nun ja so etwas. So ganz normal hatten sie auch gar nicht ausgesehen, was mir aber nicht direkt aufgefallen war. Sie sahen krank aus. Mehr als das...verletzt, zerfetzt und hungrig. Sie sahen im wahrsten Sinne des Wortes wie Zombies aus. Aber das war doch unmöglich... „Das sind keine Menschen...die sind schon lange tot", unterbrach der Fremde meine Gedanken, als hätte er sie lesen können. „So tot sehen die aber nicht aus", murmelte ich eher zu mir als zu ihm. Ich saß noch immer am Boden direkt neben der Tür. Mein ganzer Körper schmerzte und mein Kopf schien zu explodieren. Plötzlich stand der Fremde direkt vor mir, beugte sich soweit runter, dass sein Gericht direkt vor meinem war. „Alles klar bei dir?"
„Ist das dein Ernst?? Wir sind gerade vor 'ner Horde Irren davongerannt, die wer weiß was mit uns anstellen wollten!" ...wie konnte man nur so eine blöde Frage stellen! „Das waren Untote" „Untote?"
„Ja..Untote, Zombies...wie auch immer du sie nennen willst. Vor drei Tagen hat alles angefangen. Man sichtete nicht weit von hier den ersten und schon bald waren es zwei, vier und nun ist kein Normaler mehr übrig...oder zumindest nicht all zu viele. Du kannst von Glück reden, dass du nicht gebissen worden bist, denn sonst wärst du jetzt einer von ihnen", erklärte er mir. „Also wird man durch einen Biss auch zum Untoten..mehr oder weniger genau so wie in jedem billig Zombie Film..." Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Ja..aber nur dass das die Realität ist."
„Aber warum wurde ich eigentlich nicht gebissen? Immerhin lag ich seitdem das Chaos ausgebrochen war, wie ein Stein in der Brandung direkt mitten auf der Straße..." Irgendeines dieser dämlichen Dinger hätte mich doch sehen müssen. „Sie sind blind. Wenn du dich geräuschlich nicht bemerkbar machst, dann entdecken sie dich auch nicht. Musst wohl einfach friedlich auf der Straße gelegen haben ohne einen Laut von dir zugeben. Aber haben sie erst mal deine Spur gewittert wirst du sie nicht so schnell wieder los." Also hatte mir mein Missgeschick von einem Sturz das Leben gerettet. Ziemlich ironisch. Normalerweise werden die Verletzten doch immer zuerst verspeist und ausgerechnet ich, der da lag wie eine blinkende Zielscheibe, blieb völlig unversehrt. Aber wenn das ganze vor drei Tagen angefangen hatte..."Ich lag 3 Tage bewusstlos auf der Straße?" irgendwie entsetzt darüber strich ich mir durch die Haare. Jetzt machten sich auch das Hunger- und Durstgefühl bemerkbar. „Ich will dich ja nicht nerven, aber hast du was zu trinken und zu essen dabei?" Ich machte eine kurze Pause. „Ich bin übrigens Jungkook", stellte ich mich vor. „Jimin", gab der Schwarzhaarige knapp zurück. Ich wusste nicht genau ob er mich nicht leiden konnte, ich ihn genervt hatte oder ob er generell so drauf war...aber er verhielt sich ziemlich merkwürdig. Er war so verschlossen und gut gelaunt war auch etwas Anderes. Wobei Letzeres in solchen Umständen auch nicht wirklich zu erwarten war. Jimin entfernte sich von mir um die Wohnung zu erkunden. Seinen Revolver hatte er zurück in seine Hosentasche gesteckt und legte nun sein Gepäck, welches er auf dem Rücken getragen hatte, auf den Boden nieder. Dort waren ebenfalls Waffen drin, soweit ich das beurteilen konnte... Allerdings schien mir Jimin generell ziemlich militärisch veranlagt zu sein. Zumindest dem Anschein nach. Obwohl er etwas kleiner war als ich, hatte er Muskeln aus Stahl und einen durchtrainierten Körper. Gut Stahl war jetzt etwas übertrieben. Vielleicht war er ja Pportler oder sowas. Oder ein Offizier. Keine Ahnung. Aber auch seine kalte Art schien ihn „militärischer" wirken zu lassen. Nicht gerade der sympathischste Mensch. Aber jede Gesellschaft war besser als keine. Mag mir gar nicht vorstellen wie es ist alleine hierdurch zu müssen. Jimin schaute ihn jede Schublade, jedes Fach auf der Suche nach hilfreichen Dingen. Ein paar Dinge hatte er wohl zusammen tragen können, denn als ich ihm in die Küche dieser Wohnung gefolgt war, lagen dort bereits einige Dinge auf dem Tisch ausgebreitet. Unter Anderem Messer, Verbandszeug, viele Wasserflaschen und noch so einiges mehr. „Und das willst du alles mitnehmen?", fragte ich ihn etwas ungläubig. „Ja, was dagegen? Man muss alles nehmen was man kriegen kann. Dazu wird man nicht mehr allzu oft die Gelegenheit bekommen und man stattet sich besser jetzt aus, als später ohne irgendwas da zustehen." Wo er Recht hat, hatte er Recht. „Da." Er drückte mir einen leeren schwarzen Rucksack in die Hand, welchen er wohl hier gefunden haben musste. „Pack ein was geht und dann müssen wir schauen wie wir hier wieder wegkommen." Mit einem leisen Grummeln nahm ich den Rucksack entgegen und begann nun ein paar Sachen darin zu verstauen, sowie Seile, ein paar der Verbandssachen, 3 der Wasserflaschen und ein paar Werkzeuge sowie einige Konservendosen. Jimin packte ebenfalls so viel ein wie er konnte. Als seine Tasche zum Platzen voll war, legte er sie neben seine Andere. Ich schnappte mir eine der Konservendosen um sie zu öffnen damit ich endlich etwas essen konnte, da riss Jimin sie mir auch schon wieder weg. „Stopp! Nicht die Konserven! Im Kühlschrank sind frische Lebensmittel...die sollten wir zuerst verbrauchen." „Ist ja gut!" Er brauchte mich ja nicht gleich so anzufahren..."Sorry...ich wollte nicht so schroff sein, aber Konserven halten sich nun mal ewig und solange es noch frische Lebensmittel gibt, sollte wir sie eben auch verwenden.", entschuldigte er sich. Er war echt nicht der sozial einfachste Mensch, aber damit würde ich klar kommen müssen. Wenn wir denn überhaupt als Gruppe zusammen blieben. Da ich aber immer noch tierisch Hunger hatte, wendete ich mich nun zum Kühlschrank, dessen Strom mittlerweile jedoch ausgefallen war. Dort lag tatsächlich noch einiges an Lebensmitteln. Das erste was ich sah war..Nutella. Voller Freude schnappte ich mir das Glas und packte es schnell in meine Tasche, in der Hoffnung Jimin würde es nicht bemerken....falsch gedacht. „Was hast du da?" „Nix", antwortete ich schnell, doch er beließ es nicht dabei und drängelte sich an mir vorbei zu meiner Tasche. Als er die Nutella fand schüttelte er nur den Kopf. „Was denn? Nutella ist auch was zu essen und wer weiß wann ich jemals wieder an welche rankomme? Ohne Nutella kann ich nicht leben!" Tatsächlich liebte ich Nutella überalles. Jimin ignorierte das gekonnt und begab sich zu einem der Fenster um zu sehen wie so die Lage war. Ich ging nochmal in die Küche um erstens Löffel für mein lebenswichtiges Karies im Glas zu besorgen und zweitens etwas was ich jetzt essen konnte. Da ich Käse nicht ausstehen, konnte griff ich nach einer Wurst. Zum Glück waren die Lebensmittel noch nicht verdorben, soo lange konnte der Strom also noch nicht ausgefallen sein. Glücklicherweise fand ich auch Brot und belegte mir somit mehrere. Eins im Mund und eines in der Hand, stellte ich mich zu Jimin. „Hier!", bot ich ihm eines der Brote an. Doch er lehnte dankend ab. Er runzelte leicht die Stirn und schaute ziemlich beunruhigend drein. „Was ist denn los?" Ich schaute nach draußen um zu sehen was ihn so beunruhigte und sofort blieb mir das Brot im Hals stecken. Ich verschluckte mich und musste mehrmals husten. Dort unten standen so viele Untote, dass man kaum die Straße sehen konnte. So schnell würden wir hier nicht wegkommen. „Wir müssen wohl oder übel die Nacht hier verbringen...machen wir uns Morgen Gedanken darüber, wie wir hier wieder wegkommen." Allerdings. Da unten würden wir keine zwei Sekunden überleben. „Seh ich auch so" Nachdem ich das erste Brot bereits verschlungen hatte machte ich mich nun an das zweite. Fürs erste konnte ich zwar nichts mehr runterbringen, so ganz gestillt war mein Hunger allerdings noch nicht...kein Wunder. Ich hatte ja auch mehrere Tage nichts gegessen und getrunken. Apropos Trinken. Ich kippte mir in wenigen Schlucken eine ganze Flasche Leitungswasser hinunter. Erst wollte ich sie am Leitungshahn wieder auffüllen, musste jedoch feststellen, dass dieser nicht mehr funktionierte. Den Rest des Tages verbrachten wir ziemlich schweigsam. Jimin war wohl nicht der größte Redner und ich stand immer noch halb unter Schock. Zudem kannte ich Jimin gar nicht und überhaupt..über was sollten wir schon groß reden? Über unsere Familien welche vermutlich schon längst gestorben waren? Über unsere Jobs welche nie wieder eine Rolle spielen würden? Jimin verschwand später für eine ganze Weile. Vermutlich schaute er sich in den Wohnungen unter uns um. Ich hingegen untersuchte jene, in der wir uns breit gemacht hatten. Dort hangen viele Familienfotos. Diese Familie musste sehr glücklich gewesen sein. Auf den Fotos waren 2 Kinder zu sehen. Ein kleiner Junge, so um die 7 Jahre und ein Mädchen das noch nicht mal groß genug für den Kindergarten zu sein schien. Nicht zu vergessen Mutter und Vater welche beide ein strahlendes Lächeln auf den Lippen hatten. Unvorstellbar dass genau diese Familie jetzt da unten stehen könnte. Oder schon komplett tot war. Was auch immer, keiner der vorstellbaren Möglichkeiten waren besonders toll. Nicht einmal wenn sie überlebt hätten. So wie die Welt jetzt aussah würden sie wohl nie wieder so glücklich sein. Die Kinder würden unter Schmerz und Grauen aufwachsen und es wäre ein ständiger Lebenskampf. Da fiel mir ein, dass es bei mir nicht anders war. Von jetzt an müsste ichs ums Überleben kämpfen. Jeden einzelnen Tag. Alleine. Besser gesagt zu zweit alleine. Wobei ich das ungute Gefühl hatte, dass Jimin nicht ewig auf mich aufpassen würde. Er schien mir eher wie der geborene Einzelgänger. Ob es noch viele Überlebende gab? Vermutlich eher weniger. Als langsam die Nacht hereinbrach, begab ich mich in das Schlafzimmer der Eltern. Da ich mich nicht besonders Wohlfühlte direkt so auf dem Bett zu schlafen, nahm ich mir ein paar Decken herunter und breitete sie auf dem Boden aus. Jimin war noch immer nicht wieder da. Mit dem Gedanken, dass keiner dieser Dinger hier hoch kommt, Jimin bald wieder da ist und alles gut ist, versuchte ich einzuschlafen. Je mehr Schlaf ich hatte desto besser...auch wenn es noch nicht wirklich spät gewesen war. Morgen würde die Welt anders aussehen...oder eben nicht.

Die ApokalypseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt