Verloren

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Schüsse. Schreie. Dann Stille. Ich blickte mich um und konnte nichts als Leichen um mich herum entdecken. Ich war ganz alleine in einem Meer voller Toten. Woher kamen die Schüsse? Ich drehte mich im Kreis und konnte niemanden sehen. Aus dem Nichts hatten sie wohl kaum kommen können. Als ich am Boden aber immer noch nichts sehen konnte, blickte ich in den Himmel und wurde fündig. Ein Helikopter. Von dort haben die Schüsse kommen müssen. Doch obwohl es, die Schüsse mal ausgenommen, unglaublich still gewesen war, hatte man ihn nicht hören können. Waren Helikopter nicht sogar lauter als Flugzeuge? Ohne mir weitere Gedanken darüber zu machen, versteckte ich mich schnell unter einem kleinen Vordach eines wohl sehr ruinierten Hauses. Kaum war ich darunter verschwunden fing die Schießerei auch wieder an. Da sie mich hier nicht erwischen konnten, wofür ich unendlich dankbar war, traten sie nach einen Minuten den Rückzug an. Erleichtert ließ ich mich auf den Boden sinken. So ein Herzrasen hatte ich seit meinem letzten Date nicht mehr verspürt. Wo mal so neben bei gesagt, quasi alles schief ging was hätte schief gehen können. Aber das ist eine andere Geschichte. Nachdem ich mich wieder halbwegs sicher gefühlt hatte, trat ich wieder raus auf die Straße. Wer auch immer in diesem Heli gesessen hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Ein Haufen Untoter lag dort, ausgebreitete über die gesamte Straße. Doch unter den vielen Leichen konnte ich auch Menschen entdecken. Menschen die gestorben waren, bevor sie gebissen worden sind. Bevor sie Untote waren und vielleicht wären sie es auch niemals geworden, hätte man sie nicht einfach kaltblütig abgeknallt. Ich nehme mal an, dass dieser Helikopter zum Militär angehörte, welches offenbar den Auftrag gegeben hatte alles nieder zu metzeln was sich regte. Unabhängig davon wie ihr Zustand war, oder was sie waren. Wer sie waren. Niemand hatte sich darum geschert. Sie wurden einfach abgeschlachtet, vermutlich mit der Begründung, dass sie ein Risiko darstellten. Zugegebenermaßen hätte es für sie mehr als schlecht ausgesehen, da sie umzingelt wurden. Hätte man allerdings, wovon ich mir sicher bin, dass das Militär mittlerweile dazu in der Lage war, gezielt die Untoten erschossen, so hätten die Lebenden auch überlebt. Die hohen Tiere selbst, welche mutmaßlich die Auftraggeber hier für waren, würden sich vielleicht noch ein Weilchen schützen können, aber früher oder später waren wir alle dazu verdammt zu sterben. Ob nun durch Zombies oder Altersschwäche war egal, denn würden sie erst einmal gestorben sein, war keiner mehr da der ihren Posten übernehmen würde. Welche aber bald sowieso irrelevant waren. Wenn überhaupt hatte nur ein kleiner Bruchteil der Menschheit überlebt und wenn wir uns nicht zusammenfinden, würden wir sowieso aussterben. An Kinder war jetzt sowieso nicht zu denken. Diese Welt, so wie sie jetzt war, war viel zu gefährlich für Kinder. Keines würde alt genug werden um für sich selbst zu Sorgen und somit war der Tod der Menschheit quasi vorprogrammiert. Allerdings wusste ich nicht genau, ob auch wirklich die gesamt Welt von Zombies befallen war, aber so schnell wie es sich hier ausgebreitete hatte, konnte man es womöglich gar nicht mehr aufhalten. So wie ich es verstanden hatte, war Seoul der Ursprung des Ganzen und somit mussten zumindest alle Nachbarländer bereits mit untergegangen sein. Da fiel mir ein...wo war ich eigentlich? Wie kam ich hier her und wo war Jimin? Ich konnte mich an nichts erinnern, außer dass ich plötzlich hier mitten auf der Straße stand. Hatte ich mich ohne Jimin auf den Weg gemacht oder lag er eventuell bereits tot in unmittelbarer Nähe? Ich hatte einen totalen Blackout und kam mir etwas verloren vor. Ich ging ein Stück, suchte unter den leblosen Körpern nach Jimin, doch ich fand ihn nicht. Einerseits froh, dass er nicht tot war, andererseits besorgt wo er stattdessen sein könnte, machte ich mich auf den Weg. Wohin genau wusste ich nicht. Doch ich hielt es für das Beste hier schleunigst zu verschwinden, bevor ich nicht doch noch abgeknallt wurde. Die Straßen waren leer. Nicht einmal Untote liefen durch die Gegend. Was mich allerdings auch nicht mehr beruhigte. Nach etwa zwölf Blocks beschloss ich eine Pause zu machen. Immerhin war es immer noch Hochsommer und ich hatte weder Sonnenschutz jeglicher Art, noch Wasser dabei. Geschafft von der Hitze ließ ich mich im Schatten eines Wolkenkratzers nieder. Zu allem Unmut war es heute auch noch schwül. Besser hätte es gar nicht laufen können. Ich wischte mir den Schweiß von meiner Stirn, nur um ihn mir dann gleich wieder an meiner Hose abzuwischen. Dummerweise hatte ich nicht mal eine kurze Hose dabei und hatte logischerweise auch keine zum Wechseln. Da ich schlecht in Unterhose durch die Gegend laufen konnte (wobei ja niemand da gewesen wäre den es hätte stören können), musste ich sie wohl oder übel anbehalten. Auch wenn ich hier augenscheinlich allein war, wusste man nie ob ich nicht doch auf jemanden stoßen würde und ich würde diesen jemand nicht unbedingt gleich mit meinem freizügigen Anblick verschrecken wollen. Zudem konnte ich es einfach nicht. Sowas würde ich vermutlich nicht mal machen, wenn ich der letzte Mensch auf Erden war. Da machte mir mein Anstand einfach einen Strich durch die Rechnung. Eine ganze Ewigkeit saß ich einfach nur so da ohne irgendetwas zu tun. Dachte einfach nur etwas nach. Versuchte all die geschehen Ereignisse genau zu verstehen und zu verarbeiten. Versuchte auch vergebens nicht an meine Eltern zu denken. Ohne dass ich es wollte tauchten sie alle zwei Minuten in meinem Gedächtnis auf. Der Gedanke, dass sie als Zombies durch die Gegend streiften ließ mich einfach nicht los. Ich versuchte mir einzureden, dass sie es weggeschafft hatten, dass sie in Sicherheit waren, doch irgendwann musste ich einsehen, dass dies nur Wunschdenken war und die Wahrscheinlichkeit dass sie noch lebten schwindend gering war. Und da war ja noch Hoseok. Den hatte ich ganz vergessen! All die Tage in denen ich bereits in der „neuen" Welt verbracht hatte, hatte ich keinen einzigen Gedanken an meinen besten Freund Hoseok verschwendet. Auch ihn hatte es vermutlich erwischt, wobei ich bei ihm eine höhere Überlebenschance sah, als bei meinen Eltern, aber das musste ja nichts heißen. Ich hielt mich davon ab mir große Hoffnungen zu machen. Das würde mich letztendendes nur noch mehr verletzten und würde niemals loslassen können. Natürlich wünschte ich mir im Augenblick nichts lieber, als in sein freundliches, stets aufmunterndes Gesicht zu sehen, doch ich zwang mich an irgendetwas anderes zu denken. Zum Beispiel ans Überleben. Wie in Gottes Namen sollte ich das überleben und mal ganz ehrlich...es war ein reines Wunder, dass ich solange durchgehalten hatte. Wozu übrigens Jimin auch dazu beigetragen hatte...immerhin hatte er mir das Leben gerettet...Wobei er es gleich wieder aufs Spiel gesetzt hatte, indem er mich allein zurück ließ, doch nun war es ebenso und ich sollte das Beste daraus machen. Man bekam nicht jeden Tag das Leben gerettet und ich sollte diese zweite Chance nutzen. Nach vielen Stunden, in denen ich einfach nur gedankenverloren dagesessen hatte (mittlerweile lag ich), begann es zu dämmern, was bedeutete ich sollte meinen Arsch hoch kriegen und mir einen sicheren Unterschlupf für die Nacht suchen. Es wäre Selbstmord hier draußen zu schlafen. Hätte mich erst mal eine Herde Untoter entdeckt, gäbe es kein Entkommen mehr. Zudem würde ich vermutlich nicht mal aufwachen und sie hätten mich einfach im Schlaf verspeist. Worauf ich jetzt auch nicht ganz erpicht drauf war. Da ich also nicht vorhatte zu den Zombies zu konvertieren, begab ich mich in den Wolkenkratzer, welcher zugegebenermaßen echt überdimensional groß war. Die Türe stand offen. Die Leute, die geflüchtet waren, hatte es wohl nicht weiter gekratzt, ob die Tür hinter ihnen nun zu war oder nicht. Verständlich. Ich trat in die Eingangshalle ein und schloss die Tür hinter mir. Da ich nichts hatte um sie weiter zu sichern konnte ich nicht mehr tun, als sie ganz simpel zu schließen. Wie auch mit Jimin zuvor begab ich mich nach oben. Hier unten war ich mehr als ein leichtes Ziel. Da jedoch der Saft für die Aufzüge ausgegangen war, musste ich die Treppen nehmen. Keine Ahnung wie viele Stockwerke es gab, doch ich kam nicht sehr weit. Meine Beine schmerzten und ich war völlig außer Atem. Da es nicht mein Ziel war einen mordsmäßigen Muskelkater in den Beinen zu bekommen, beschloss ich einfach hier halt zu machen. Das Treppenhaus war recht eng, was mich ein wenig wunderte bei dem rießen Klopper von Gebäude und die Wände, welche vermutlich einmal weiß gewesen waren, hatten einen ekel erregenden gelbstich. Diese Treppen hatte wohl schon lang keiner mehr benutz, geschweige denn sauber gemacht. Aber wen kümmerts solange man Aufzüge hatte wahr die Welt in Ordnung. Sah jedenfalls nicht gerade einladend aus. Aus dem Treppenhaus hinaus, führte nur eine Metalltür. Ich drückte die eiskalte Klinke runter und befand mich nun dem Anschein nach in einer kleinen Firma, welches wohl dieses Stockwerk für sich in Beschlag genommen hatte. Ganz anders als im Treppenhaus, war hier alles sehr modern eingerichtet und machte somit einen deutlich besseren Eindruck. Das einzigste was dieses Bild zerstörte, waren die ganzen Sachen, welche überall völlig durcheinander am Boden verstreut lagen. Hier musste wohl ebenfalls eine Panikattacke ausgebrochen sein nachdem von den Zombies bekannt wurde. Ich streifte durch die Büros, bis ich eines mit einem Sofa fand. Darauf würde ich wohl die Nacht verbringen. Ohne weiteres Tun, schmiss ich mich mit einem zufriedenen Seufzer darauf. Ein wenig Komfort war nie verkehrt. Relativ schnell war ich in einen tiefen Schlaf gefallen. Doch schon bald wurde ich durch ein merkwürdiges Röcheln geweckt. Ein Schmer
durchzuckte mein Bein und ich riss die Augen auf. Mein Herz hörte auf zu schlagen und ich wurde weiß wie eine Wand. Ich wurde gebissen. Und nicht nur das, der Zombie welcher mich im Schlaf angefallen hatte kaute weiter auf meiner Wade herum. Schreiend versuchte ich mich zu wehren, doch es war bereits zu spät.


Die ApokalypseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt