Die innovative Krücke

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Niena atmete tief durch. Die Schulklingel läutete den Unterrichtsbeginn ein. Ruhig bleiben. Es gab nichts zu befürchten. Also machte Niena diesen einen Schritt über die Schwelle und betrat ihre Schule. In der einen Hand die schriftliche Abmeldung und in der anderen die Mitteilung über den häuslichen Unterricht, den Kenro ihr fortan geben würde. Allein bei dem Gedanken an ihr gestriges Treffen, wollte Niena sich einfach nur zusammenrollen und nie wieder zurück ins Sonnenlicht treten. Sie war so aufgeregt gewesen, das sie beinahe kein Wort herausgebracht hatte. Von Kenro ganz zu schweigen. Diese braunen Augen hatten sie von oben bis unten gemustert, bevor das kühlste 'Willkommen' das sie je gehört hatte, seinen Mund verließ. Seufzend schüttelte Niena diesen Gedanken ab. Er hatte ihr den Hausunterricht angeboten und die Abmeldung geschrieben, als er gesehen hatte, wie sehr sie sich bei dem Thema Schule quälte. So schlecht konnte er also nicht sein... Linda allerdings... Die war Niena nicht geheuer. Sie verzieh ihr die Anschuldigungen noch immer nicht. Würde es wahrscheinlich nie.
Mit ihrem neuen Mut, sowie dem Zweitnamen Shinayaka, der wie ein Schutzengel über ihrem Kopf schwebte, betrat Niena ihre persönliche Vorhölle. Es machte ihr nichts aus, als ihre früheren Klassenkameraden zu tuscheln begannen. Selbst, als die Zwillinge, die sie zuvor schikanierten, sich ihr näherten, blieb Niena ruhig. Beschützt durch den neu gewonnenen Mut. Die neu gewonnene Familie, die ihr zur Seite stehen würde.
"Na, wen haben wir denn da?" Niena lächelte den Mädchen freundlich zu. Irritiert sahen sie einander an.
"Was machst du hier, Brillenschlange?!" Die 14 Jährige hob die Abmeldung mit einem Lächeln, das den Zwillingen eiskalt den Rücken runterlief.
"Keine Sorge, das ist das letzte Mal, das ihr mich sehen müsst" Die Zwillinge blieben wie angewurzelt stehen. Sahen zu, wie Niena mit selbstbewussten Schritten, sowie zufriedenem Lächeln, summend zum Sekretariat ging. Und obwohl sie sich freuen sollten einen weiteren Schüler rausgeekelt zu haben, so hatten sie nicht das Gefühl, das Niena wegen ihnen ging. Geschweige denn Angst vor ihnen hatte. Das war nicht mehr die kleine, unscheinbare Brillenschlange mit der sie einst gespielt hatten.

Nachdem Niena all ihre Unterlagen und Formulare abgab, machte sie sich auf den Weg zur Karasuno. Unterwegs begrüßte sie Drago und seine Anhänger, begegnete Kamei und versuchte Kira so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Das Schulgelände der Karasuno war riesig und unbekannt. Mit ihren Alltagskleidern und jungem Auftreten, fiel sie auf wie ein Löwe unter Zebras. Doch das Summen verging Niena nicht. Sie hatte einen Auftrag. Eine Mission. Denn, um Kira zu helfen, brauchte sie Hilfe. Seufzend klammerte Niena sich an die kleine Hoffnung irgendein Gesicht vom Volleyballclub behalten zu haben. Sie erinnerte sich an einen kleinen, orangen Flummi und einen blonden Riesen, aber der Rest war irgendwie untergegangen in ihren Erinnerungen.
Gerade als sie die Turnhalle entdeckte, trat sie jemandem auf die Füße und landete mit dem Gesicht in einer Uniform. Der Jemand blieb, wie angewachsen stehen. Nicht einmal ein Stolpern. Die braunen Augen blickten musternd auf sie herab, während Niena einen Schritt zurückmachte und sich die angeschlagene Nase rieb, sowie ihre Brille richtete.
"Entschuldige, ich hab dich nicht gesehen" murmelte sie und sah zum ersten Mal hoch. Glück. Pures Glück.
"Du! Du bist in Kiras Team!" brach es aus ihr heraus, als sie den blonden Riesen wiedererkannte. Dieser zog unbeeindruckt die Augenbrauen hoch.
"Ja und?" Augenblicklich verschwand Nienas gute Laune. Sollte sie doch nach dem Flummi Ausschau halten? Der wirkte wesentlich freundlicher. Aber wer wusste, wie lange das dauern würde und ob sie ihn überhaupt finden würde. Also musste sie sich mit diesem Miesepeter zufrieden geben.
"Ich brauche deine Hilfe. Kannst du das restliche Team zusammentrommeln? Alle, außer Kira" Der Miesepeter schien noch immer ungerührt.
"Wieso sollte ich?"
"Es ist wirklich wichtig. Kira könnte sterben" Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich war es das erste Mal, das Tsukishima offen zeigte, was ihm durch den Kopf ging. Fürchterliche Gedanken, die Niena nur allzu gut nachvollziehen konnte.
"In 10 Minuten in der Turnhalle" meinte er und verschwand in den Massen. Zufrieden mit ihrem neuen Ich machte Niena sich auf den Weg zur Turnhalle. Dort wartete sie bloß 5 Minuten, bevor die Letzten hereinströmten.
"Wir haben nicht lange. Die erste Stunde beginnt bald" setzte Daichi an und sah Niena dann auffordernd an. Diese musste tief durchatmen. Beruhigte ihr rasendes Herz. Sie nahm sich einen Moment um in die Gesichter des Teams zu sehen. Echte Sorge stand in ihren Augen. Es war die richtige Entscheidung gewesen herzukommen. Sie mochten Kira genauso sehr, wie sie. Wollten ihm genauso gern helfen.
"Kira hat ein ernsthaftes Problem. In seiner Familie wird eine Krankheit vererbt für die Ärzte keine andere Behandlung sehen, als eine Operation. Als kleines Kind wurde Kira deshalb eine Niere rausoperiert. Bis vor ein paar Wochen schien alles in Ordnung. Die Krankheit war verschwunden. Bis er zu einer Untersuchung ging und der Arzt herausfand, das sich die Krankheit in seiner anderen Niere eingenistet hat" Das Team wurde ganz still. Sah sie gespannt an. Niena schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter.
"Er muss so schnell, wie möglich operiert werden, bevor die Krankheit sich weiter ausbreitet. Aber dafür haben sie einerseits nicht das Geld und andererseits... Kira braucht eine Spender-Niere... Deshalb bin ich hier. Ich... Ich weiß nicht, ob meine Niere als Ersatz taugen wird..." Nienas Stimme begann zu zittern. Sie wollte weiterreden, wollte ihnen erklären, warum sie hier war, aber das musste sie anscheinend gar nicht. Daichi legte ihr eine Hand auf den Kopf und schenkte ihr ein Lächeln.
"Du bist hier, um uns zu fragen, ob wir für dich einspringen würden, nicht wahr?" Niena nickte hastig, hoffte inständig, das sie sich nicht abwenden würden. Daichi wandte sich an sein Team.
"Was meint ihr? Wollen wir den Chaoten noch ein wenig behalten?" Ein Grinsen wanderte durch die Menge. Und das Funkeln in ihren Augen verriet Niena schon, bevor sie antworteten, das sie ihr helfen würden. Häuser einreißen und Flüsse dämmen würden, um Kira ein Leben zu ermöglichen. Und wegen ihrer Freude über ihren Erfolg bemerkte Niena gar nicht die wissenden Blicke des Teams, versteckt hinter einem Lächeln. Doch sie würden sich da nicht einmischen, würden es Kira überlassen der 14 Jährigen die Wahrheit zu sagen.

(Haikyuu FF) Volleyball ist ihr Leben!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt