Die Bestimmung

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Als ich abends nach Hause kam, war Jeanine nicht da. Es war schon spät, da ich mit Leonie noch etwas Trinken war und ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, auf sie zu warten. Wenn sie bis jetzt nicht hier war, würde sie auch nicht mehr kommen. So war es oft und es war mir auch herzlich egal. Ich hatte nie eine besonders enge Bindung zu Jeanine aufbauen können und so konnte ich wenigstens tun, was ich wollte, ohne dass sie mich nervte.
Erschöpft ließ ich mich in mein riesiges Himmelbett fallen. Das würde ich als Einziges wirklich vermissen. Ich wusste, dass es bei den Ferox nicht so gemütlich sein würde, aber es war mir egal. Ich hatte mich entschieden.

Aus dem riesigen, weißen Kleiderschrank in meinem Ankleidezimmer holte ich am nächsten Morgen ein knielanges, blaues Kleid mit Tüllrock und V-Ausschnitt. Das letzte Mal blau. Meine Haare steckte ich zu einer recht aufwendigen Hochsteckfrisur zusammen, die mein Gesicht schön betonte, dann legte ich noch Schmuck und blaue High Heels an und ging hinunter. 2 Minuten später kam auch Jeanine. Gemeinsam verließen wir das Haus und stiegen ins Auto. "Was war dein Testergebnis?" fragte sie. "Du kennst es doch" antwortete ich. Damit war die Konversation für heute auch schon erledigt. Gut so, ich hatte ausnahmsweise keine Lust, mit ihr zu diskutieren.
Oben im Zeremoniensaal sprachen wir zuerst mit Markus Eaton, dem Anführer der Altruan, dessen Fraktion natürlich die Erste war, die hier war und die Stühle für alle aufstellte. Dann mit Johanna Cale, der Leiterin der Amite, sie war freundlich, was auch sonst? John King von den Candor war mir noch am sympatischten, irgendwie.

Eric PoV:
Max und ich gingen die Treppen hinunter zu den Initianten unserer Fraktion. Wir mussten noch mit Jeanine sprechen, so war es Tradition. Sie war die Präsidentin des Rates der Fraktionen und die Anführerin der Ken. Ich ließ meinen Blick durch den Raum streifen und entdeckte sie bei John King von den Canor. Neben ihr stand ein Mädchen, das genauso blond war, wie Jeanine. Ich stupste Max an und deutete auf die Zwei: "Ich wusste gar nicht, dass Jeanine eine Tochter hat" "Nichte. Ihr Vater starb als sie 12 war." Ahja. "Hab sie nur einmal kurz gesehen. Rotzefrech aber auch sauschön und anscheinend auch nicht blöd. Wahrscheinlich die nächste Jeanine." Die zwei Frauen hatten das Gespräch offenbar beendet und kamen nun auf die Ferox zu. Beide die selben blonden Haare, die selbe gerade Haltung und das selbe überlegene Lächeln. Das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Jeanines Nichte war kleiner als sie und wahnsinnig schlank. Sie hatte grüne und nicht graue Augen und viel markantere Augenbrauen. Ihre Wangen waren schmaler, ihre Nase kleiner und ihre Lippen röter. Und ihr Busen, nun ihr Busen lud unter dem eng geschnittenen Kleid zum Anfassen ein. Oh ja, Max hatte recht, sie war sauschön. Ich hoffte auf eine lange und sehr, sehr innige Zusammarbeit mit ihr. "Max, Eric, meine Nichte, Rosalinda" Grauenhafter Name. Das fand sie wohl auch, denn ihre Augenbrauen zogen sich kaum merklich zusammen. Wir nickten ihr zu und kurz wurde ihr Lächeln, wie das von Jeanine derart überheblich, dass ich ihr am liebsten in ihr hübsches Gesicht geschlagen hätte. Wir wechselten noch ein paar Worte mit Jeanine, dann begaben sich alle auf ihre Plätze.

Rosalinda PoV:
Nach Markus' Rede folgte noch eine von Jeanine, dann wurden die Namen alphabetisch aufgerufen.
"Rosalinda Matthews" "Viel Glück" sagte Jeanine. Ich nickte und ging nach vor. Ich nahm Markus das Messer aus der Hand, schnitt mir in die linke Hand und schon zischte mein Blut auf glühende Kohle. "Ferox" rief Markus. Ich ging erhobenen Hauptes zu den jubelnden Ferox. Ich war die erste Ken die heute hier hin gewechselt war und ich blieb auch die Einzige. Als die Zeremonie vorbei war, sprangen die Ferox auf und liefen die Treppe hinab ins Freie. Jubelnd und Schreiend liefen wir ein paar Straßen durch die Stadt. Jeder Andere wäre in diesen High Heels wohl schon am Boden gelegen, doch ich trug schon mein ganzes Leben lang hohe Schuhe und konnte damit, wie sich nun herausstellte, sogar auf Stahlmasten klettern und auf Züge springen. Ich war schnell und deshalb nicht nur eine der Ersten im Zug, sondern auch beim Abspringen. Ich landete hart auf dem Kieselsteindach, doch es war mir egal. Lachend stand ich auf und stellte mich mit den Anderen auf. "Hört mal alle her!" es war Eric, den ich heute schon kurz kennengelernt hatte. Jetzt hatte ich die Gelegenheit, ihn ungestört zu mustern. Vorhin war das unmöglich, man musste den Leuten provozierend in die Augen schauen und Lächeln, um Macht zu demonstrieren, hatte Jeanine immer gesagt. Aber ich war nun ein schlaues Mädchen bei den Ferox und mein Verstand riet mir, mich lieber zurück zu halten. "Ich bin Eric, einer eurer Anführer und für sie nächsten 10 Wochen einer eurer Ausbilder" Er konnte sich echt sehen lassen. Er war groß und hatte unglaublich viele Muskeln, die unter dem T-Shirt gut zur Geltung kamen. Seine Arme und seinen Hals zierten Tattoos und über seiner rechten Augenbraue waren zwei Piercings. Und seine Ausstrahlung war ... irgendwie einschüchternd. "Wenn ihr zu den Ferox wollt, ist das hier der Weg hinein. Wenn ihr euch nicht traut, zu springen, werdet ihr Fraktionslos" er zeigte hinter sich nach unten. "Ist da unten Wasser oder so?" fragte ein Candor Junge. "Das findst du schon raus - oder auch nicht. Also, wer traut sich?!" Es wurde gemurmelt aber keiner trat vor. Ohne lange zu überlegen, ging ich nach vorne. "Oh die einzige Aleck" schnaubte Eric leicht spöttisch. Ich ignorierte ihn.  Aleck war der fiese Spitzname für die Ken - die gemeine Abkürzung des Wortes smart aleck für besserwisserisch. Ich stieg vorsichtig auf die Mauer, bedacht darauf mit meinem  Kleid zumindest einen Teil meines Hinterns zu verdecken. Von hinten hörte ich Pfiffe und Lachen. Ich sah nach unten. In einem niedereren Dach unter mir war ein Loch, was darunter war, konnte man nicht erkennen. Doch ich war schlau genug, um zu wissen, dass die Ferox unseren Mut testen wollten und nicht die Absicht hatten, damit Initianten umzubringen, also zögerte ich gar nicht erst, sondern sprang ins Nichts.
Es fühlte sich an wie fliegen, doch unten wurde ich hart von einem Netz aufgefangen und noch einmal ein bisschen nach oben geworfen, bis ich schließlich liegen blieb. Das Netz wurde nach unten gezogen und ich kugelte fast hinaus. "Wie ist dein Name?" fragte mich ein junger Mann. Ich wusste, dass ich jetzt einmalig die Chance hatte, meinen schrecklichen Namen endlich loszuwerden, also überlegte ich kurz und entschied mich schließlich für eine nicht allzu große Änderung.
"Rose"

"Erste Springerin: Rose"

die bestimmung - rose (eric ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt