Ferien bei den Malfoys (01.07.2016 - 31.07.2016)

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Der salzige Wind pfiff durch die Klippenlandschaft und zerrte an zwei Gestalten, die sich ihren Weg hinunter zum Wasser suchten. Die weißen Felsen strahlten gespeicherte Wärme der letzten Sommertage ab. Immer wieder stützten sich die zwei Männer, einer von ihnen mit sichtbar ergrautem Haar, an den kantigen Steinen ab um sicher einen Weg nach unten zu finden. Der Jüngere der beiden schnaufte ärgerlich, als dieser erneut auf abschüssigen Kieseln auszurutschen drohte. Im Gegensatz zu seinem Begleiter hatte er nämlich keinen Gehstock um sich zusätzlich abzustützen.

"Wir hätten apparieren sollen", sagte er, als er sich wieder gefangen hatte. Zwei graue Augen funkelten ihn daraufhin von der Seite an.

"Du bist viel zu verweichlicht, Junge." Die Stimme des Älteren war rau und schwach, doch trotzdem schnitt sich jedes Wort in das Bewusstsein von Lucius Malfoy. Er rümpfte verächtlich die Nase, was sein Vater jedoch nicht sah, da dieser seine Konzentration wieder auf den Weg gerichtet hatte. Lucius blieb stehen und beobachtete die Landschaft vor und unter ihm. Das Geschrei der einzelnen kreisenden Möwen schien ihn zu verspotten. Jede einzelne dieser Möwen stand für dutzende seiner Landsmänner. Er hörte sie förmlich lachen über ihn, seine Familie, sein Erbe. Er ermahnte sich zur Ruhe. Er war hierher gekommen mit seiner Familie um damit abzuschließen. Vier Wochen, die nur seiner Frau und seinem Sohn gehören sollten.

Sein Blick glitt auf den Rücken seines Vaters und er atmete schwer aus. Narzissa hatte darauf bestanden, dass er sie begleiten sollte. Nach der schweren Zeit, die seine Frau nur wegen ihm durchmachen musste, konnte er ihr kaum etwas ausschlagen.

Anstatt bei ihr und seinem Kind am Strand zu sein wanderte er also mit seinem Vater durch die Landschaft, weil dieser darauf bestanden hatte den alten Weg zu gehen, den – wie hatte er es genannt – bereits ihre Vorfahren beschritten hatten. Das Hirngespinst eines alten Mannes, dachte sich Lucius.

"Tun dir die Füße weh, Junge?"Das ungeduldige Klacken von Abraxas' Gehstockes auf Stein war zu hören, als er seinen Sohn rief. Lucius schluckte seinen Ärger hinunter und setzte eine gleichgültige Mine auf. Er hatte schon vor Jahren aufgegeben sich gegen seinen Vater stellen zu wollen. Resigniert schloss er auf und folgte dem mittlerweile etwas buckligen Malfoy auf dem gekieselten Weg.

Nach etwas mehr als der Hälfte des Weges war erneut die raue Stimme des Älteren zu hören. "Hab' etwas mehr Respekt, Lucius. Dies hier ist die Geburtsstätte unserer Vorväter!" Lucius verdrehte die Augen. Seine Familie gehörte nach England, wo sie sich in den letzten Jahrhunderten nicht nur ein Vermögen angeeignet hatten, sondern auch Ansehen und Prestige. England war die wahre Geburtsstätte der Malfoys, nicht dieser Flecken Erde, der nur noch aus Stein und Sand bestand und von Möwen beherrscht wurde.

Seine Familie war zu Zeiten William des Eroberers von hier, aus dem Norden Frankreichs, nach England gezogen. Dort oben auf dem Kliff, wo nun ein neues, prächtiges Anwesen thronte, sollen seine Vorfahren gelebt haben. Mittlerweile diente das rund um neu aufgebaute Häuschen als Feriendomizil – und Ferien hatten sie sich sich verdient.

Seine Gedanken schwiffen zu seiner Frau, weg von dem murrenden alten Mann vor ihm. Ein Jahr war es nun her, dass der Dunkle Lord besiegt worden war. Ein Jahr, das vieles von ihm und seiner Familie abverlangt hatte.

Erleichtert spürte er, wie die scharfkantigen Steine unter seinen Füßen langsam feinem Sand wichen. Widerwillig half er seinem Vater auf dessen Geheiß die letzten Schritte zu tun, eher er seine nackten Zehen in warmen Sand vergraben konnte. Der schwarze Gehstock seines Vaters nutze ihm nun auf dem weichen Untergrund nichts mehr, weshalb Lucius ihn an sich nahm.
Das Rauschen des Meeres war nun deutlich zu hören, als sie nebeneinander zu Narzissa und Draco stapften, die sich in der Nähe des Wasser niedergelassen hatten. Abraxas hielt sich mit überraschend festem Griff am Oberarm seines Sohnes fest, der dies unkommentiert geschehen ließ.

Bald schon hatte Draco seinen Vater entdeckt und hüpfte daraufhin laut lachend um seine Mutter herum. Zwar konnte er schon erste Distanzen auf eigenen Beinen laufen, doch im lockeren Sand fühlte er sich wohl zu unsicher. Ansonsten wäre der Kleine seinem Vater und Großvater entgegengerannt. So wartete er, bis die beiden aufgeschlossen hatten. Narzissa hatte sich bereits erhoben und empfing die beiden mit einem warmen Lächeln.

"Draco hat schon gefragt, wo ihr beiden seid", sagte sie und strich dem Jungen über die blonden Haare. Dieser kämpfte sich knurrend aus den Händen seiner Mutter und schwankte mit erhobenen Armen auf seinen Vater zu.
"Baba", brabbelte er fröhlich und kicherte, als Lucius ihn hoch hob. Dabei erregte der Gehstock in dessen Händen sofort Dracos Aufmerksamkeit. Seine kleinen Finger schlossen sich um den glänzenden Kopf der Schlange. Als er jedoch ansetzte auch seinen Mund zum Abtasten zu nutzen, griff Abraxas mit verzerrter Mine ein.

"Nein, Draco. Das gehört Großvater."

"Grobaba", nuschelte er nach und lachte den ernst drein schauenden Malfoy an. Doch langsam wurden die Linien um seine Augen weicher und er lächelte seinen Enkel sanft an. "Magst du mir ein paar Muscheln sammeln?", fragte er das Kind mit sanfter, melodischer Stimme. Ein glucksendes Quietschen war die Antwort und Draco torkelte davon, nachdem Lucius ihn wieder auf den Sand gesetzt hatte.

Abraxas atmete schwer aus, doch plötzlich wurde er von heftigem Schütteln geplagt. Lucius stand eher unbeeindruckt daneben, doch Narzissa kam sofort besorgt an seine Seite.

"Ihr beiden hättet nicht laufen sollen", sagte sie tadelnd und schwang ihren Zauberstab. Sofort erschien ein gemütlicher Ohrensessel, in den sich Abraxas nieder ließ. Mit einem zweiten Schlenker beschwor sie einen großen Schirm, der Abraxas vor der stärker werdenden Sonne schützte. Ein helles Lachen lies sie herumfahren. Draco drohte bei seiner Suche zu weit ins Wasser zu laufen. Narzissa rief seinen Namen und ging ihm hinterher, sodass die beiden Malfoy Herren wieder alleine waren. Der Anfall von Abraxas hatte inzwischen nachgelassen.

"Eine gute Frau, diese Narzissa", röchelte er. Lucius antwortete nur mit einer genuschelten Zustimmung ehe er sich selbst eine Sitzgelegenheit aus einem zufälligen Stein transfigurierte. Den Stock steckte er neben sich in den Sand. Er lehnte sich in den Schatten und beobachtete, wie seine Frau Draco half ein paar Muscheln zu finden. An einem Gespräch war er wenig interessiert, doch Abraxas hatte wie immer andere Pläne.

"Eine gute Frau und gute Mutter. Auch wenn du eigentlich Bellatrix hättest wählen wüssen." Es bedarf jedes Fünkchen Beherrschung im Innern von Lucius seine Stimme nicht zu erheben, als er antwortete.

"Es gab nie eine Wahl, Vater. Ich wollte Narzissa heiraten. Nicht ihre Schwester." Seine Fingernägel gruben sich in das weiche Leder seines Sessels.

"Pah, wollen", wiederholte Abraxas unbeeindruckt. "Es wäre Bellatrix' Recht gewesen als die Ältere dich als den Malfoy Erben zu heiraten."

"Es gibt einen neuen Erben, nicht wahr?", erwiderte Lucius kühl und deutete Richtung Wasser, wo sein Sohn spielte. Abraxas nickte zufrieden.

"Er ist neugierig und lässt sich nicht einschüchtern. Vielleicht wird aus ihm ja ein würdiger Nachfolger." Lucius hatte sich in all den Jahren an die Seitenhiebe seines Vater gewöhnt. Früher einmal hatte die Ablehnung seines Vaters ihn geschmerzt, doch seit er eine eigene Familie hatte, war es ihm egal. Er hatte in den letzten Jahren größere Widrigkeiten gehabt und erlebt, als einen unzufriedenen Vater.

"Baba!", hörte er Draco rufen und winkte im zu als er sah, dass er eine besonders große Muschel stolz in die Luft hob. Dabei rutschte der Ärmel seines dünnen Hemdes nach unten und entblößte schwarze Linien auf seiner heller Haut. Vorsichtig bedeckte er seinen Arm wieder mit dem langen Ärmel und schloss mit geübten Fingern die kleinen Knöpfe. Dabei wurde er von Abraxas beobachtet. Dieser blieb zur Verwunderung Lucius' stumm.

"Keine Bemerkung, Vater?", provozierte er ihn. "Kein Gelächter oder Beleidungen, die meinen gesunden Menschenverstand betreffen?"

"Ich habe dir in der Nacht, in der du das Mal empfangen hattest bereits gesagt, was ich davon halte." Abraxas lehnte sich müde in den Sessel zurück. Auch seine Stimme hatte an Kraft verloren. "Weitere Worte sind nicht nötig, Junge." Er legte seinen Kopf schief und starrte Lucius an, der demonstrativ nach vorne schaute.

In dem Moment, in dem sein Vater das Mal auf seinem Arm entdeckt hatte, hatte er jede Achtung vor Lucius verloren. Lucius hingegen hatte nie begreifen können, weshalb sein Vater sich geweigert hatte sich treu zum Dunklen Lord zu bekennen. Nun, nach dessen Tod, hatte er endlich verstanden.

Das Mal war ein Fluch. All seine Überzeugungskünste und eine Menge seines Geldes hatte es benötigt um einer Verurteilung von Seiten des Ministeriums zu entgehen. Nicht zuletzt musste er sich eingestehen, dass es sein Vater war, der maßgeblich dazu beigetragen hatte ihn vor den Dementoren zu bewahren. Das fehlende Mal auf seinem Arm und seine Beziehungen hatten mehr Wirkung gezeigt, als all das Geld, das Lucius den Mitgliedern des Zaubergamot angeboten hatte.

Nicht nur die Sorge um eine drohende Verurteilung hatte ihn den Schlaf geraubt, sondern auch das Wissen, seine junge Familie in Gefahr gebracht zu haben. Nun, nachdem der Dunkle Lord tot war, würde man immer einen Beweis auf seiner Haut sehen. Einen Beweis für seine dunkle Vergangenheit. Das Gerede anderer Leute über ihn war ihm egal, doch sein Sohn und vor allem Narzissa litten durch öffentliche Anschändungen. Wie eine ehrhafte Frau hatte Narzissa alles über sich ergehen lassen und sich nie geäußert, doch er wusste, wie sehr es sie zugesetzt hatte. Einen ruhigen Urlaub weg von England hier in Frankreich hatte sie verdient.

"Grobaba", riss ihn sein lachender Sohn aus den Gedanken. In seinen Armen trug er dutzende von Muscheln, die er alle vor die Füße von Abraxas legte und wartete nun auf dessen Reaktion.

"Hast du die alle alleine gefunden, Draco?", fragte er anerkennend und lupfte seinen Enkel auf seinen Schoß. Abraxas schwenkte seine Hand und die Muscheln im Sand begannen zu schweben. Draco klatschte vergnügt in die Hände, als die Muscheln, die er gebracht hatte, um ihn herum zu tanzen begannen. Narzissa war zu ihnen gestoßen und legte ihrem Mann die Hand auf die Schulter, während sie amüsiert dem Treiben zusah.

Sie und seinen Sohn unbeschwert lachen zu sehen, war ihm Urlaub und Erholung genug, dachte sich Lucius.

"Baba! Muschel", sagte Draco. Lucius beugte sich vor und nahm Abraxas Draco ab.

"Ja, fliegende Muscheln. Möchtest du auch gerne fliegen, Draco?", fragte er seinen Sohn. Dessen Giggeln war Antwort genug.

"Lucius, sei bitte vorsichtig", hörte er Narzissa, doch er stand bereits und hielt Draco weit über seinen Kopf. Dieser streckte die Arme von sich und genoß den Wind in seinem Gesicht. Er warf Draco ein wenig in die Höhe nur um ihn daraufhin wieder zu fangen. Draco verlangte immer höher geworfen zu werden, doch der Sicherheit wegen und um Narzissas Nerven nicht überzustrapazieren übertrieb es Lucius nicht.

Lucius hielt seinen Sohn in den Armen und lächelte über dessen rote Backen. Heute Nacht würde der Junge gut tief schlafen, dachte er. Plötzlich spürte er einen scharfen Schmerz am Kopf. Draco hatte eine Haarsträhne zu fassen bekommen und zog nun mit erstaunlicher Kraft daran. Lucius drehte sich mit dem Rücken zu Abraxas, damit dieser nicht mitbekam, wie Lucius mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte seine Haare aus dem Griff des Kleinen frei zu bekommen.

Kaum hatte Draco wieder Sand unter den Füßen lief er wieder Richtung Wasser. Narzissa zuckte mit den Schultern und folgte ihm, nachdem sich Lucius schwer atmend wieder niedergelassen hatte. Dabei fuhr er sich durch die Haare.

Abraxas bliebt einige Zeit stumm, doch dann verfiel er ihn lautes Gelächter. Wenn in diesem Moment der Leviathan aus dem Meer emporgestiegen wäre, wäre Lucius weniger überrascht gewesen, als seinen Vater lachen zu hören. Mehr als irritiert von dem plötzlichen Gefühlsausbruch starrte er Abraxas von der Seite an und wartete ab.

Statt sich zu beruhigen verfiel dieser jedoch wieder in schweres Husten, das dieses Mal sogar noch länger anzudauern schien. Erschöpft versank Abraxas im Ohrensessel und atmete schwer. Lucius fiel in diesem Moment auf, wie alt sein einst so stolzer Vater wirkte.

"Komm Vater, wir gehen zurück zum Haus", sagte Lucius, stand auf und griff bereits nach dem Gehstock neben sich.

"Nein", kam es schneidend von der Seite. Er hob die Hand und deutete auf den Sessel neben sich. "Setzt dich, Junge." Abraxas wirkte zwar schwach, doch auch in diesem Zustand lies er keine Widerrede zu. Lucius setzte sich stumm und fuhr damit fort, seine Familie zu beobachten, als Abraxas erneut das Wort ergriff.

"Familie ist das wichtigste, Lucius. Beschütze sie." Die Worte wirkten seltsam deplaziert. Lucius runzelte die Stirn und sah seinen Vater fragend an.

"Wa-"

"Versprich es, bei deiner Ehre", unterbrach Abraxas ihn. "Draco ist ein fröhlicher Junge und er wird zu einem ehrenhaften Mitglied dieser Familie heranwachsen. Beschütze ihn und deine Frau."
Lucius richtete seine Augen wieder auf das Wasser, wo Narzissa mit Draco auf dem Arm knietief stand und das Wellenspiel beobachtete.

"Ich verspreche es", sagte er schließlich und vergaß für einen Moment die Strapazen der letzten Wochen und die Sorge darüber, was sie in England erwarten würde. Alles was zählt, war seine Familie und deren Glück. Die nächsten Tage hier sollten die glücklichsten werden. Er versprach nicht nur seinem Vater die Verantwortung zu übernehmen, sondern er versprach auch sich selbst alles dafür zu tun, dass sie ein wenig von dem Glück, das sie hier erfuhren, mitnehmen würden.

Kurzgeschichten aus der Welt von Harry Potter - HP One ShotsWhere stories live. Discover now