Vorsichtig trat er an mit den Füßen auf das weiche Gras und rutschte von seinem Besen. Er war sich sicher, dass sein Tarnumhang nicht seine komplette Gestalt samt Besen verdecken konnte, doch er hatte sichergestellt erst dann zu landen, als kein Muggel zu sehen gewesen war. Schnell ging er in den Schatten des nächst gelegenen Baumes und öffnete seinen Rucksack. Hermine hatte ihm den zum Geburtstag geschenkt und er musste neidlos zugeben, dass dies vermutlich nach dem Besenpflegeset das beste Geschenk war, das sie ihm je gemacht hatte. Eilig verstaute er seinen Feuerblitz und stopfte seinen Tarnumhang hinterher.
Die Aussicht gleich diese Straße entlang zu laufen rief einen bitteren Geschmack in seinen Mund. Bereits als er von oben die bekannte Ortschafft entdeckt hatte, war ihm ein Kloß in den Magen gerutscht. Wer hätte gedacht, dass drei Jahre vergangen waren, seit er zum letzten Mal Fuß hierher gesetzt hatte? Damals waren die Umstände weit weniger friedlich gewesen.
Schwer hechelnd fasste er sich an den Kopf und lehnte an den Baum, den Rucksack zwischen den Beinen, und atmete tief den leichten Wind des warmen Oktoberabends ein. Zusammen mit dem bitterem Geschmack versuchte er die aufkommenden Bilder der Vergangenheit herunter zu schlucken. Die Bilder der Reise mit Ron und Hermine waren bedeckt von einem grauen Nebel in seinem Gedächtnis; undeutlich und unendlich lange her. Er wollte vergessen, er wollte die Bilder aus seinem Bewusstsein streichen und neu anfangen, weshalb er nur sehr ungern hierhergekommen war. Denn weitaus schwieriger als ein Bild zu verbannen war es, zu vergessen wie man sich damals in dieser Situation gefühlt hatte.
All die Emotionen, die er in dieser Zeit erlebt hatte, ließen sich nur schwer einordnen. Er hatte gelernt dass es besser war, die Bilder von sich zu halten um sich nicht daran zu erinnern, wie er sich gefühlt hatte.
Die ersten Tage nach der Schlacht waren besonders schlimm gewesen. Während die anderen damit beschäftigt gewesen waren einen Alltag zu imitieren und gleichzeitig versuchten ein Leben wieder aufzubauen, hatte er sich in den Grimmauldplatz zurück gezogen. Als Hauptquartier musste es niemand mehr nutzen, also hatte er sich dort versteckt und die Welt einfach mal Welt sein lassen. Seine Freunde kamen jeden Tag um nach ihm zu sehen. Er war dankbar, doch auch sie hatten mit eigenen Dämonen zu kämpfen. Wie auch er hatte jeder seine eigenen Sorgen und Pakete zu tragen, daher verlangte er von niemandem unnötige Aufmerksamkeit. Die Dursleys gehörten damals nicht zu seinen Top-Prioritäten.
Er hatte noch nicht einmal an sie gedacht bis zu dem Abend, an dem Hestia Jones und Dädalus Diggel vor dem verborgenen Eingang zum ehemaligen Hauptquartier auftauchten.
Zwischen Tür und Angel, klatschnass vom strömenden Regen, hatten die beiden ihm zu seinem Triumph gratuliert, was er aus Höflichkeit nickend annahm; wie ein Sieger hatte er sich jedoch nicht gefühlt. In knappen Worten erzählten sie ihm, dass die Dursleys nun auf dem Weg zurück in ihr Zuhause seien, dass es ihnen gut ginge und sie damit erfolgreich ihre Mission beenden würden. Tatsächlich verspürte er eine gewisse Erleichterung seine Verwandten in Sicherheit zu wissen, doch da hörte die Sentimentalität seinerseits auch schon auf. Erneut nickte er, woraufhin eine peinliche Stille zwischen den dreien entstand. Hestia reagierte schnell und schubste Dädalus von der Treppe, während sie sich mit erneuten Glückwünschungen verabschiedete. Sicherlich hatten auch sie irgendwo Familie, die sie aufsuchen wollten.
Nun stand er hier, die Schläfen noch immer massierend und wappnete sich für dieses unschöne Erlebnis. Es war Ginnys Idee gewesen ihn hierher zu schicken. Es würde ihm helfen mit einigen Dingen abzuschließen, hatte sie gesagt.
"Es würde vor allem dabei helfen meine Laune in den Keller zu treiben", dachte Harry bitter, als er den Rucksack schulterte und sich auf den Weg machte.
In weiser Voraussicht war er einige Straßen weiter aufgesetzt, denn eine Landung im ohne Zweifel frisch gemähten Vorgarten der Dursleys hätte sicherlich nur unnötig die Gemüter erhitzt. Das bevorstehende Gespräch, wenn es denn stattfand, würde auch so schon ungemütlich werden. Während des Fluges hatte er überlegt was er sagen wollte, war jedoch zu dem Schluss gekommen, dass er einfach improvisieren würde. Wie seine Verwandten reagieren würden könnte er sowieso nicht vorhersehen.
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Kurzgeschichten aus der Welt von Harry Potter - HP One Shots
Fiksi PenggemarJedes einzelne Kapitel ist eine Einsendung für die monatlichen Wettbewerbe auf Zauberhogwarts.de. Jeden Monat gibt es dort die Möglichkeit zu einem festgelegten Thema einen One-Shot zu schreiben. Der Titel des Kapitels wird das jeweilige Thema sein...