Kapitel 9

341 20 6
                                    

G saß in seinem Englisch-Kurs und langweilte sich zu Tode. Wozu zur Hölle musste er wissen welche Stilmittel Hamlet auszeichneten? Überhaupt, warum mussten sie eigentlich Shakespeare lesen? Und dazu noch bei Mr. Holt, dem so ziemlich trockensten, langweiligsten, humorlosesten und strengsten Menschen den er kannte. Gelangweilt fing er an, in seinem Heft rumzumalen. Eigentlich war er kein Heftrand-Vollkritzler, aber das war im Moment so ziemlich das einzige, was ihn vom einschlafen abhielt. Leider bemerkte er auf diese Weise nicht, dass Mr. Holt auf einmal hinter ihm stand. „ Callen, ich habe dich gefragt, auf was Shakespeare meint als im 1. Aufzug der 2. Szene im 5. Akt Horatio sagt, dass... Aber wie ich sehe malen wir ja lieber das Heft voll, als dem Unterricht zu folgen. Da du ja etwas verpasst zu haben scheinst, wirst du den Stoff zu Hause nacharbeiten und ihn uns am nächsten Montag in Form eines Referats zum Thema ‚Die vielschichtige Beziehung von Hamlet und Horatio' präsentieren. Ich erwarte mindestens 20 Minuten und ein mindestens zweiseitiges Skript." Die ganze Klasse fing an zu lachen und G spürte wie eine Mischung aus Beschämung und Wut in ihm hochkochte. Kara Becker und ihre Freundin Kylie hatten die ganze Sunde über getuschelt und gekichert und garantiert noch weniger mitbekommen als er. Und James Firnist döste sogar, den Kopf auf seinem Heft, vor sich hin. Warum musste er und nicht die ein Referat halten? Außerdem hatten Stu und Lily ja immer noch kein Internet und kein vernünftiger Mensch besaß Bücher über so ein hirnrissiges Thema. „Schön", G knirschte mit den Zähnen. „Aber wenn ich den Stoff sowieso nacharbeiten muss, kann ich doch auch weiter mein Heft vollmalen, oder?" Mr. Holt lief vor Wut knallrot an. „Eine Stunde nachsitzen", knurrte er. „Morgen um 14:30 Uhr, mein Klassenzimmer" Dann drehte er sich um und stampfte zum Pult zurück. G stöhnte auf. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ein Referat und nachsitzen. Und dann auch noch um halb drei! 1½ Stunden waren zu viel um einfach nur rumzusitzen, aber zu wenig um nach Hause zu fahren. Unwillkürlich musste G lächeln. Er hatte gerade zum ersten Mal „Zuhause" gedacht und nicht „Bei meinen Pflegeeltern" oder „Bei Stuart und Lily" So richtig zuhause hatte er sich bei einer Familie gefühlt als er 8 gewesen war. Immer noch grinsend verließ er wenige Minuten später den Klassenraum, er war so gut gelaunt, was bei ihm nur selten vorkam, dass das Englisch-Referat und das Nachsitzen irgendwo in seinen Hinterkopf gerutscht war. Als er kurz darauf beim Football-Platz ankam, wartete Sam schon vor der Umkleide auf ihn, dessen Mathe-Fortgeschrittenen-Kurs viel Näher am Footballfeld war als Gs Englisch-Aufbau-Kurs. Als sie die Umkleide betraten, stellte er fest, dass er den Großteil der Mannschaft bereits kannte. Da war zunächst einmal Sam, dann Deeks, der Blonde, den der Trainer gestern angemotzt hatte, dann James, Jake und John, die eine „Beste-Freunde-Clique" waren und deshalb von allen nur die „J-Twins" genannt wurden. Außerdem erkannte er einen Typen aus seinem Sport-Kurs, hieß er Connor? Nein, fiel ihm jetzt ein, das war Alex, der Junge daneben war Connor und noch ein paar Typen mit denen er verschiedene Kurse hatte, deren Namen er aber vergessen hatte. Kurz darauf stand er mit den Anderen draußen auf dem Platz und der Trainer erklärte ihnen die Taktik für das kommende Spiel. „Wir müssen nächste Woche total bereit sein, ihr wisst wie gut dass das andere Team saugut ist.", erklärte er. G wurde etwas mulmig. Spiel in einer Woche gegen ein saugutes Team, mit einer Mannschaft, die er noch nicht richtig kannte, auf einer Position, auf der er noch nie gespielt hatte? Das konnte nur schiefgehen. Mr. Olridge war offensichtlich aufgefallen, dass dieseVorstellung G sichtlich schockierte, denn in diesem Moment warf er G einen mitleidigen Blick zu und sagte: „Hör mal, Kleiner. Ich würd dich dieses Spiel ja echt gerne nur Bankdienst schieben lassen, aber uns fehlt ein Runningback und ohne sind wir geliefert. Vielleicht kann Sam dir ja ein bisschen Einzeltraining geben." Er warf Sam einen Blick zu. „Natürlich nur, wenn das für dich okay ist." Zu Gs Erleichterung nickte Sam. „Klar, kann ich machen." Der Trainer nickte, dann klatsche er zweimal laut in die Hände. „Jetzt geht's aber los! Zwanzig Minuten warmlaufen" Sofort fing Deeks an zu motzen: „Trainer, es ist Mitte Juli und es sind ungefähr 33° im Schatten." Der Trainer, der das offensichtlich gewohnt war, verdrehte nur die Augen und sagte: „Dann geh nicht in den Schatten. Los jetzt." Etwa bei seiner dritten Runde sah er zum ersten Mal zur Tribüne hoch, wo er als erstes zwei Mädchen bemerkte. Die eine war dunkelhäutig mit dunklen, krausen Haaren und G war sich ziemlich sicher dass sie diejenige war, für die Sam so schwärmte, andere hatte glatte rote Haare und ein hübsches schmales Gesicht. Schnell senkte er den Blick auf seine Turnschuhe. Seit wann machte er sich Gedanken darüber, ob Mädchen hübsch waren? Bei der nächsten Runde bemerkte er auch die beiden Mädchen von gestern. Wie hießen sie nochmal? Nell, viel ihm ein, so hieß die Kleine mit den roten Haaren und die Andere... Ach ja, Kensi hieß sie. Und sie starrte vertäumt in... Seine Richtung?! Nein, stellte er fast bedauernd fest. Garantiert starrte sie Jake an, der vor ihm lief und mit seinen schokobraunen Locken und seinen grünen Augen tatsächlich sehr gut aussah. Naja, dachte er, außer Rose schien ihn sowieso kein Mädchen wahrzunehmen. Die letzten Runden dachte er über andere Themen nach, vermied es dabei aber sorgfältig, an das Englisch-Referat zu denken. Irgendwann pfiff Mr. Olridge ab und sie fingen an zu trainieren. Das Training lief erstaunlich gut, inzwischen verstand er sogar, was er genau tun musste. Und einmal bereitete er sogar für Connor, einen der Quarterbacks einen Touchdown vor. Insgesamt, dachte er, als er aus der Dusche kam, war er sogar recht zufrieden mit dem Training gewesen. Sam wartete wieder vor der Umkleide auf ihn, er war irgendwie hibbelig, was so gar nicht zu ihm passte. „Was ist los?", fragte G, der vom Training ziemlich erschöpft war. Sam lief, soweit man das bei seiner dunklen Haut erkennen konnte, rot an. Er deutete zur Tribüne hoch, auf das dunkelhäutige Mädchen, das G vorher schon bemerkt hatte. „Das ist Michelle", sagte er mit einem fast dümmlichen grinsen. G verdrehte die Augen. „Ich dachte schon du wärst NORMAL" Sam grinste peinlich berührt. „Ich kann nichts dafür dass ich sie süß finde" „Jaja schon gut", G grinste. „Kommst du kurz mit hoch? Das wirkt mehr so, als ob wir zufällig vorbeigekommen wären." „Du hast Probleme...", murmelte G, kam dann aber doch mit Sam mit. Auch das andere Mädchen, das Rothaarige, das er von unten gesehen hatte, war noch dort. Nach kürzester Zeit waren Sam und Michelle in ein sehr intensives Gespräch vertieft und G und das andere Mädchen standen nur noch herum. G wollte Sam eigentlich gerade mitteilen, dass es ihm reichte, als ihn das andere Mädchen ansprach. „Hey", sagte sie schüchtern. „Ich bin Joelle und du?"

G CallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt