4. Neue Freunde?

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Ich lief ihr hinterher. Weiß. Mehr kann ich über diesen Raum nicht sagen. Überall waren Schutzmaßnahmen, die einen Suizidversuch verhindern sollten. Vor den Fensterscheiben waren Gitter, die Steckdose war von einem Klappdeckel geschützt und die Toilette war nicht abschließbar. »Hier wirst du die ersten drei Tage schlafen. Und wenn deine Probephase vorbei ist, kommst du entweder auf die geschlossene oder auf die Open-Door-Station.« Viel gab es zu diesem Zimmer nicht zu sagen. Es war trist. »Am Bett, in der Dusche und an der Tür sind Not-Knöpfe, falls mal etwas sein sollte.« Ich kam mir vor wie ein Häftling. »Du kannst jetzt schon mal dein Bett beziehen und dich frisch machen. Brauchst du Hilfe?« Bloß nicht. Ich konnte diese Menschen hier einfach nicht länger ertragen. Außerdem war ich nicht gehbehindert, sondern lediglich psychisch gestört. »Um 7 Uhr gibt es Abendessen. Bitte sei bis dahin fertig.« Auch das noch. Noch mehr Menschen. Noch mehr neugierige Blicke. Noch mehr Fragen. »Ja, ja«, antwortete ich nur und warf mich aufs Bett. Die junge Frau verließ mein Zimmer. Ich bezog halb ordentlich mein Bett und ging duschen. Heute war einfach so viel passiert. Nachdem ich mit dem Duschen fertig war, zog ich mir schnell ein weißes Hemd, Boxershorts und eine Jeans an. Den restlichen Inhalt meines Rucksackes räumte ich in den Schrank. Ich setzte mich auf mein Bett und kramte mein Handy aus dem Rucksack. Keine Nachrichten. Kein »Alles gut?« oder »Wie ist es dort?« Nein. Aber das, was mich am meisten verletzte, war, dass ich auch keine Nachricht von meiner Mutter erhielt. Sie war mit der ganzen Situation anscheinend immer noch überfordert. Und ich? Ich sollte einfach damit klar kommen. Was denn auch sonst? Die tickende Uhr in meinem Zimmer hatte schon längst die abgemachte Uhrzeit überschritten. Ich saß immer noch auf meinem Bett. Halb 8. Ich hörte die letzten Schritte, die an meiner Zimmertür vorbei gingen, um in die Küche zu gelangen. Dies riss mich aus meinen Gedanken. Ich sprang vom Bett, öffnete die Tür und rannte hastig zum Speisesaal. Als ich die Glastür öffnete, wurde es still. Alle starrten mich an. Ich fuhr mir durch die Haare. »Ähm...« Zu mehr Worten war ich in diesem Moment nicht fähig. »Das ist Ethan. Er ist neu hier und heute angekommen.« Die Frau, die mich heute morgen herumgeführt hatte, ergriff das Wort. Es war einfach nur peinlich. An dem letzten Tisch des Raumes sah ich Gesichter, die mir bekannt vorkamen. Ich schritt langsam auf sie zu. »Ethan, wie willst du ohne Teller, Messer und Gabel essen?« Haha. Sehr witzig. »Ich habe keinen Hunger, danke.« Nun erreichte ich den Tisch mit den jungen Leuten, die mich bei meiner Ankunft nur blöd anstarrten. Außer die Brünette. »Hallo, Ethan! Setz dich zu uns! Neben Josh ist noch ein Platz frei.« »Nein, ist er nicht.« Der Junge im roten Kapuzenpulli stellte eine Tasche auf den freien Platz, worauf die Brünette ihm eine heftigen Tritt gegen das Schienbein verpasste. Er stöhnte vor Schmerz auf und entfernte den Rucksack wieder. Ich setzte mich dazu und sah in die Runde. »Ich bin Madison.« Die Brünette hielt mir ihre Hand hin und schaute mich mit strahlenden Augen an. Ich nickte ihr zu, aber gab ihr nicht meine Hand. »Das ist Avery.« Sie zeigte mit dem Finger auf eine Blondine mit leicht gewellten Haaren. »Hey«, gab sie bloß zurück und biss in eine Laugenstange. »Neben dir sitzt Josh.« Der Typ mit dem roten Pullover und den braunen Haaren scannte mich von oben bis unten ab und aß dann weiter. Dankeschön. Kälter konnte man nicht abgewiesen werden. »Und am Ende der Bank sitzt Noah.« Er hatte ebenfalls braune Haare und trug ein kariertes T-Shirt. Er stocherte einfach weiter in seinem Essen herum, anstatt mich zu begrüßen. »Und warum bist du hier?«, fragte Madison, um die Stille zu brechen. Ein kaltes Gefühl von Angst machte sich in mir breit. »Mord. Mehr braucht ihr nicht zu wissen.« »Oh, jetzt hab ich aber Angst«, sagte Josh mit purer Ironie. »Und weshalb seid ihr hier?« Stille durchzog das Gespräch. »Ich habe im Drogen- und Alkoholrausch eine Frau misshandelt«, gab Josh von sich, als wäre es selbstverständlich. Offenbar schämte er sich keineswegs für seine Tat. Erneut durchzog die Stille das Gespräch. »Ich habe versucht, meinen Freund zu erstechen, nachdem er mit mir Schluss gemacht hat«, beichtete Madison. Ich schreckte zurück. Dieses fröhliche Mädchen hatte versucht, jemanden umzubringen? »Ich wurde von meinem Vater geschlagen und gewürgt.« Noah hielt die Hand vors Gesicht um seine Emotionen zu verbergen. »Und du, Avery?« Das kalte Mädchen starrte wie traumatisiert auf ihren Teller. »BAS«, sagte sie bloß. Madison musste nachhelfen. »Bipolare affektive Störung.« Anscheinend sprach Avery nicht gerne darüber. Ich hatte schon mal von dieser Störung gehört. Die Patienten verhielten sich entweder stark depressiv oder bekommen eine Manie. Sie können ihren Willen und ihre Stimmung durch die Krankheit nicht steuern. Entweder sind sie antriebslos, depressiv und traurig oder sie bekommen Wutanfälle, werden unruhig und panisch. Avery wippte während des gesamten Gespräches mit dem Fuß.

Nach und nach brachten die ersten Leute ihre Teller weg und verließen den Raum. Nach kurzer Zeit taten wir das auch. »Willst du noch mit uns aufs Zimmer kommen?«, fragte mich Madison. »Nein, tut mir leid. Ich hatte heute einen langen Tag und möchte jetzt einfach nur noch schlafen – sofern ich das kann.« »Okay. Gute Nacht.« Madison klopfte mir auf die Schulter. »Gute Nacht, Ethan.« Avery warf mir einen freundlichen Blick zu und winkte mir, als ich den Raum verließ.

Ich freue mich über jegliche Art von Rückmeldung.

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