"Du bist schwanger?" Für einen kurzen Augenblick meinte ich einen verletzten Ausdruck in ihrem Blick zu sehen. Dann war er verschwunden. Meine Augen füllten sich mit Tränen. "Ich weiß nicht. Anscheinend." "Warst du beim Arzt?" Ich schüttelte den Kopf. Schnell versuchte ich die Tränen von meinen Wangen zu wischen, die mich so verletzlich wirken ließen, aber Hazel hatte sie bereits bemerkt. Ich fixierte angestrengt einen Punkt auf dem Boden, um sie nicht ansehen zu müssen, doch ich hörte, wie sich ihre Schritte näherten, bis sie nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt war.
Sie legte ihre Finger sanft unter mein Kinn und hob es hoch, sodass ich ihr in die Augen schauen musste. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, ihr alles zu erklären. Wenn ich in ihre Augen blickte, hatte ich das Gefühl, dass wir zusammen alles schaffen konnten. "Ich weiß einfach nicht, wie ich damit fertig werden soll. Ich bin so verwirrt von allem, was passiert ist. Was mache ich nur, wenn ich jetzt auch noch-" Weiter kam ich nicht, denn sie zog mich in eine innige Umarmung, hielt mich fest und ließ mich nicht mehr los. Eng umschlungen standen wir da, bis mein Atem langsam regelmäßiger wurde und das Schluchzen aufhörte, meinen Körper zu schütteln. Ich fühlte mich sicher und geborgen. An meinem Ohr hörte ich sie mit sanfter Stimme beruhigende Worte flüstern. "Wir kriegen das hin. Alles wird gut. Das wird schon."
Und ich glaubte ihr.
Einige Minuten später saß ich in der Küche auf der Eckbank neben dem kleinen Tisch. Hazel stand mit dem Rücken an den Herd gelehnt und betrachtete mich nachdenklich. Noelle lag immer noch tief schlafend auf dem Sofa. "Magst du etwas Warmes zu trinken?" Ich nickte. "Aber kein-" "Kein Kaffee, ich weiß", unterbrach sie mich, "Ich wollte dir einen Tee machen." Sie kannte mich besser, als ich dachte. Verwundert lehnte ich mich zurück und schloss die Augen für einen Moment. Mein Kopf brummte, ich war unendlich müde. Das war ein langer Tag gewesen. "Sollte nicht eigentlich ich diejenige sein, die dir etwas anbietet? Du bist doch der Gast." Ich versuchte ein kleines Lächeln. Sie erwiderte es, aber auch sie sah müde aus. "Schon okay. Ruh dich aus, ich mach das schon." Dankbar zog ich meine Knie an die Brust und legte mein Kopf darauf ab, während ich Hazel dabei zuschaute, wie sie das Wasser aufsetzte. Gerade wollte ich sie fragen, ob sie vielleicht hier schlafen wollte, da drehte sich ein Schlüssel in der Haustür. Mein müdes Gehirn brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, wer das war.
Außer mir besaß nur eine andere Person einen Haustürschlüssel. Bevor ich auch nur aufstehen konnte, stand Eric im Raum. Irritiert wanderte sein Blick von Hazel zu mir und dann zu der schlafenden Noelle. "Was ist denn hier los?" Zu verwirrt von der ganzen Situation, war ich nicht in der Lage zu antworten. "Die Reste des Junggesellinnenabschieds", schaltete sich jetzt Hazel ein. Sie warf mir einen schnellen Blick zu, bevor sie Eric ihr schönstes Lächeln schenkte. "Hi, ich bin Hazel. Und du musst der Bräutigam sein?" Er nickte, jetzt ein bisschen weniger verwundert. "Ja, ich bin Eric. Ich wollte nur kurz bei Ruby vorbeischauen." Zu mir gewandt fuhr er fort: "Ich war bei meiner Familie, sie wollen deine Eltern zum Essen einladen. Hast du mit ihnen gesprochen?" Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Er runzelte die Stirn, wollte gerade etwas erwidern, entschied sich dann aber dagegen. "Wir reden morgen."
Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Hazel schnell wegschaute. "Ich sollte jetzt gehen", sagte sie dann, stellte eine Tasse heißen Tee vor mir auf den Tisch und wollte die Küche verlassen. Eric richtete sich auf. "Nein, bleib ruhig. Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein. Ich wollte nicht stören." Er lächelte mich an, nickte Hazel zum Abschied zu und ging zur Tür. "Viel Spaß noch bei was auch immer das hier werden soll." Er machte eine ausladende Bewegung in Richtung von Noelle, die mittlerweile in lautes Schnarchen ausgebrochen war. Wieder einmal schaltete Hazel schneller. "Das ist eine lange Geschichte. Die kann Ruby dir dann in Ruhe erzählen." Eric grinste, dann verschwand er durch die Tür.
Hazel trat zurück in die Küche. "Er ist nett." Ich nickte. Einige Momente herrschte Schweigen. "Ich sollte jetzt wirklich gehen." Ich schaute sie flehend an. "Bitte nicht. Es ist schon spät, ich möchte nicht, dass du jetzt noch gehst. Außerdem müssen wir reden." Sie schien kurz zu überlegen, dann nickte sie langsam. Ich musterte sie. "Komm, ich gebe dir etwas Gemütliches zum Anziehen."
Sie folgte mir ins Schlafzimmer. Nach kurzer Suche zog ich eine Jogginghose und ein verwaschenes T-Shirt aus dem Schrank und warf es ihr zu. "Kannst du mir bitte mit dem Kleid helfen?" Ich zögerte kurz, dann trat ich näher. Sie drehte mir den Rücken zu, damit ich die Knöpfe erreichen konnte. Vorsichtig strich ich ihre Haare beiseite und öffnete den ersten Knopf. Dabei fuhr ich mit meinen Fingern kurz über ihren Nacken und konnte hören, wie sie bei der Berührung scharf die Luft einzog. Das Knistern zwischen uns war kaum zu ertragen. Ich öffnete auch den zweiten Knopf und ihr Kleid fiel zu Boden, sodass sie nur noch im BH vor mir stand. Ich konnte nicht anders, ich musste sie anstarren. Sie drehte sich zu mir um und unsere Blicke trafen sich. Plötzlich war alle Müdigkeit aus meinem Körper verschwunden.
"Wir sollten das nicht tun", flüsterte ich mit belegter Stimme. Hazel senkte den Blick. "Du hast Recht, wir müssen dringend reden." Schnell zog sie sich die Sachen an, die ich ihr bereitgelegt hatte. Ich lies mich auf das Bett fallen und sie setzte sich zögerlich zu mir. Da ich nicht wusste, wie ich anfangen sollte, wartete ich darauf, dass sie das Gespräch begann. "Warum sprichst du nicht mit deinen Eltern?"
Überrascht hob ich den Kopf. Was sollte denn diese Frage? "Warum fragst du das?" "Nur so." Hazel zuckte mit den Schultern. "Eric hat wütend gewirkt." Ich seufzte. "Ja, das ist er. Er kann nicht verstehen, dass ich noch nicht mit ihnen über die Hochzeit gesprochen habe." Hazel runzelte fragend die Stirn. "Sie wissen nicht, dass du heiraten wirst?" Ich schüttelte den Kopf. "Wir haben schon lange keinen Kontakt mehr." Sie schwieg, also fuhr ich fort. "Wir kamen einfach noch nie miteinander zurecht. Ich habe keine Geschwister, deswegen hatten meine Eltern immer sehr hohe Ansprüche an mich. Ich sollte all das erreichen, was sie in ihrem Leben verpasst haben. Irgendwann habe ich das einfach nicht mehr ausgehalten." Hazel nickte verständnisvoll. "Hör zu." Sie rückte ein Stück näher an mich heran und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. "Vielleicht haben sie Fehler gemacht, aber gib ihnen doch die Chance, sie wieder gut zu machen. Sie sind nicht tot, sie hassen dich nicht - glaub mir, später wirst du dir wünschen, du hättest diesen Anruf gemacht. Sie vermissen dich bestimmt."
Hazels Augen glänzten feucht. Erschrocken blickte ich sie an und richtete mich auf. "Hey, hey." Vorsichtig legte ich einen Arm um sie. "Alles in Ordnung?" Sie nickte wortlos. Ich musterte sie ausgiebig. "Nein, ist es nicht. Willst du darüber sprechen?" Sie schniefte und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ihr Haare rochen ganz leicht nach Kokos. "Ich sollte dir alles erzählen. Vielleicht tut es gut, endlich darüber zu reden."
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Hazel Eyes
Teen Fiction"Es sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Doch irgendetwas läuft schief. Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass sie jetzt gerne an einem ganz anderen Ort wäre, mit einer anderen Person. Ihr Herz gehört längst nicht mehr dem Mann im Anzug, der...