Vincent

2.2K 68 7
                                    

„Hey, Prinzessin. Steh auf. Dein Bruder kommt gleich.", ich murmel etwas Unverständliches und drehe mich weg. Ich höre, wie Chad etwas sagt, doch achte nicht darauf. So schnell gibt er auf?

Als ich meine Augen öffne, sehe ich gerade noch, wie er Anlauf nimmt. Oh nein. Im nächsten Moment spüre ich ihn schon mit seinem ganzen Gewicht auf mir. „Geh runter, du Fettsack.", kommt es gerade noch von mir.

„Wie hast du mich genannt?", fragt er und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich grinse und wiederhole meinen Satz. Chad kommt mit seinem Gesicht nah an meinem Kopf und flüstert: „Das wird böse für dich enden." 

Ich schaffe es nicht mal, ihn verwirrt anzugucken, da liege ich schon auf seiner Schulter. Ich versuche irgendwie herunter zu kommen, doch es funktioniert nicht. Ich bemerke, dass er in die Richtung des Badezimmers geht. „Wehe, du stellst mich unter die Dusche.", doch es ist zu spät.

Ich öffne geschockt meinen Mund, als das kalte Wasser auf mich herabläuft. Chad fängt nur an zu lachen und kriegt sich nicht mehr ein. Na warte... Ich ziehe ihn an seinem T-Shirt zu mir, doch weil er nicht so schnell reagieren kann, stolpert er leicht und fällt auf mich. Ich kann mich gerade noch auf den Füßen halten und halte ihn, damit er nicht auf den Boden fällt und sich verletzt.

Am Ende ging es so aus, dass ich an die Duschwand gepresst wurde und er direkt vor mir steht. Unsere Körper berühren sich und kein Blatt würde mehr zischen uns passen. „Bist du verletzt?", frage ich ihn. Er schüttelt seinen Kopf und fragt mich, ob ich verletzt sei. Ich schüttele auch den Kopf. 

Und auf einmal merke ich, wie nah wir uns sind.

Er sieht auf meine Lippen und dann in meine Augen. Er kommt mir näher und näher. Gerade als sich unsere Lippen berühren wollen, hören wir ein Husten.

Wir beide stoppen in unserer Bewegung und Chad sieht sofort nervös aus. „Shit.", höre ich von ihm und ich sehe zur Tür. Riley. „Ja?", frage ich mit einer gestellten süßen Stimme. „Seid ihr fertig oder soll ich später noch einmal komme?", will er wissen. Er sieht uns beide mit einer hoch gezogenen Augenbraue an und ich weiß sofort, was zu tun ist.

„Nein, nein. Wir können los. Tut mir leid, Chad. Wollte dich nicht in die Dusche schubsen.", lüge ich und zwinkere ihm zu. Riley sieht ihn skeptisch an, sagt aber nichts. Wir gehen aus meinem Badezimmer und anschließend auch aus meinem Schlafzimmer. Ich bin zwar überall nass, doch das stört Riley irgendwie nicht.

„Wieso hast du mich aus meinem Zimmer geholt?", frage ich ihn verwirrt. Wir gehen auf den Hof und er bleibt plötzlich stehen. „Es wird Zeit, dass du auch mal Aufgaben übernimmst. Ich will, dass du den Haushalt übernimmst. Das heißt, Wäsche waschen, kochen, staubsaugen. Ich habe schon die Mafia übernommen, du kannst auch mal etwas tun.", teilt er mir mit einer kalten Stimme mit. Ich sehe ihn ausdrucklos an.

„Ist das dein Ernst? Du kannst mir ruhig sagen, wenn ich mal ein Auftrag übernehmen soll. Du weißt, dass ich es kann. Wieso besorgst du keine Frau, die bei uns putzt, und ich helfe dir mehr bei deinen Aufgaben?", will ich wissen. 

„Weil du ein Mädchen bist und ich dich beschützen will. Du sollst nicht mehr kämpfen und Drogen verteilen, sondern dein Leben leben und Spaß haben.", er sieht mich traurig an.

Und auf einmal fällt seine Maske. Der Mann, der vor mir steht, ist nicht mehr mein Bruder, der lebensfroh, glücklich und voller Leben war.

Der Mann vor mir ist jemand, der erschöpft vom Leben ist; jemand, der einfach nur noch weg will.

„Aber was ist mit dir? Du musst das nicht alles alleine machen. Es tut mir leid, dass ich dich die letzten Wochen vernachlässigt habe, aber das wird sich jetzt ändern. Ich werde dir jetzt mehr helfen, ok?", ich umarme ihn und merke, wie er sich befreiter fühlt. Er atmet tief durch und umarmt mich erleichtert.

„Danke, Schwesterherz.", ich soll es wahrscheinlich nicht hören, da er so leise gesprochen hat, aber ich höre es trotzdem. „Also warum sind wir hier?", frage ich nochmal.

„Vincent müsste gleich mit Hope kommen.", Hope ist direkt nach dem Tod unserer Eltern mit Vincent, unserem 12-jährigen Bruder, in ein anderes Land geflogen , um ihm für eine Zeit lang vor der Mafia fern zu halten. Vincent und ich haben öfters telefoniert und er hat herumgenörgelt, dass Hope wie eine Mutter auf ihn aufpasst.

Vincent ist für Hope wie ein Sohn, da sie sehr auf ihn aufpassen musste. Unsere Eltern hatten zwar immer versucht, so oft und lange wie möglich mit uns Zeit zu verbringen, doch wir sind die Mafia. Das erklärt eigentlich schon vieles. Wenn sie keine Zeit für uns hatten, hat Hope auf uns drei aufgepasst.

„Wieso wusste ich nichts davon?", er sieht mich lächelnd an. „Es sollte eine Überraschung sein.", und genau in diesem Moment fährt Hope mit ihrem Auto in unseren Hof. „Riley, Hayden!", ruft Vincent und springt aus dem Auto.

„Vincent, warte doch bis ich mein Auto zum Stehen gebracht habe.", hören wir Hope genervt sagen. Vincent umarmt uns kräftig und sieht uns mit einem großen Strahlen an. „Und wie war's? Erzähl.", er fängt sofort an zu erzählen.

Riley geht zu Hope, um ihr zu helfen, die Koffer aus dem Auto zu holen. Vincent erzählt so viel und so schnell, dass ich gar nicht hinterher komme. Einfach nicken und lächeln.

Wir gehen ins Haus, wo schon viele Männer auf Vincent warten. Die Männer passen noch mehr auf Vincent auf, als früher auf mich, Hope und Riley. Er ist das Baby in unserer Familie und da unsere Eltern nicht mehr da sind, müssen sie mehr aufpassen.

Vincent bricht mitten in seinem Satz ab und läuft zu ihnen, um ihnen alles zu erzählen. Ich merke sofort, dass sie auch nach einiger Zeit nicht mitkommen und nur lächeln und nicken.

„Wusste gar nicht, dass du noch ein Bruder hast.", neben mir tauchen die Zwillinge auf und Chad steht hinter mir, was ich an seinem Geruch und seiner Körperwärme spüre.

„Ihr wisst vieles nicht.", ich zwinkere ihnen zu, lasse sie sprachlos zurück und gehe in die Küche.

Plötzlich bekomme ich eine SMS:

„Können wir uns treffen? ~ Dean"

The Mafia AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt