8. Kapitel

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Evans Sicht:
„Und ich dachte schon, es wäre niemand da. Was hat euch aufgehalten?“, fragte mein Vater kalt. „Ich freue mich auch dich zu sehen, Vater. Willkommen, Mutter. Kommt herein.“, erwiderte ich emotionslos. Ohne ein weiteres Wort schob mein Vater sich ins Innere des Hauses. Meine Mutter folgte ihm wie immer auf dem Fuße. Ich schloss die Tür hinter den beiden und stellte mich wieder neben Lilian und Annabelle. Diese griff nach meinem Arm und klammerte sich daran fest. Als hätte sie Angst, unsere Eltern könnten sie wieder mitnehmen. Allerdings musste ich zugeben, mich plagte die selbe Angst. Immerhin war meine jüngste Schwester noch nicht volljährig. Ein Leben ohne den kleinen quirligen Wirbelwind wäre nicht mehr vorstellbar. Lilian hielt meine andere Hand. Mutters Blick blieb einen Augenblick auf uns haften und einen kurzen Moment lang glaubte ich ein glückliches Lächeln über ihr Gesicht huschen zu sehen. „Amira Liebes, kannst du glauben, dass dies unsere Kinder sind? Vor drei Jahren sind sie gegangen und jetzt sieh sie dir an. Mein Sohn ist der Alpha eines einflussreichen Rudels, meine älteste Tochter ist eine stattliche Junge Frau geworden und die Jüngste sieht ebenfalls wunderschön aus.“ Ich musste mich mächtig zusammenreißen um nicht nachzufragen wo die versteckte Kamera war. Denn solche Worte hatte ich nicht erwartet, erst recht nicht von meinem sonst so gefühlskalten Vater. Doch als er seine Jacke an die Garderobe hängen wollte, hielt er mitten in der Bewegung inne. Seine Stimme war ein bedrohliches Knurren als er fragte: „Woher kommt der Menschengestank an deiner Jacke, Evan?“ Lilian neben mir spannte sich an und auch Aiden reagierte. In seiner Kehle erklang ein leises Knurren. Ich hob den Kopf und sah meinem Vater in die hasserfüllten Augen. Würde nicht das Alphablut durch  meine Adern fließen, wäre ich garantiert eingeknickt, doch unter den gegebenen Umständen erwiderte ich den Blick meines Vaters ohne Scheu. „Was fällt dir ein dich mit diesem Abschaum abzugeben?! Mein eigener Sohn, ein Alpha mit langer Ahnenreihe, gibt sich mit dem menschlichen Abschaum ab!“ Unsere Mate ist kein Abschaum! Diesem Bastard sollten mal Marnieren beigebracht werden! „Raus!“ „Was?“, fragte er geschockt. „Ich sagte: Raus! Verschwinde bevor ich mich vergesse!“, knurrte ich aggressiv. „Jetzt ergreifst du auch noch Partei für diesen Abschaum! Was ist nur aus dir geworden? Hätte...“ Den Rest des Satzes konnte er nicht mehr beenden, da ich meine Wut nicht länger zügeln konnte und mein innerer Wolf die Innitiative ergriffen hatte. Hastig stolperte er zur Haustür, riss sie auf und verließ halb stürzend mein Haus. Mutter sah mich noch einmal enttäuscht an, bevor sie ihm folgte. Kaum waren die beiden verschwunden, verrauchte meine Wut und ich taumelte kraftlos zum Sofa. Die Reaktion meiner Mutter hatte mich kaputt gemacht. All sie Jahre hatte ich gedacht, oder zumindest gehofft, dass wenigstens sie zu mir stehen würde, doch offensichtlich hatte ich mich geirrt. Ich vernahm ein leises Schluchzen und hob den Kopf. Annie schüttelte sich vor Schluchzern und auch Lilian weinte stumme Tränen, während sie versuchte Annie zu trösten. Langsam ging ich auf die beiden zu und umarmte beide auf einmal. Sofort drückte Annie sich an mich und ich ließ Lilian wieder los. Sofort nahm Aiden sie in den Arm und strich ihr tröstend über den Rücken. Gemeinsam mit meiner kleinsten Schwester setzte ich mich wieder aufs Sofa. „Wir haben immer noch uns, kleine Annie. Hör auf zu weinen.“ Sie sah mit tränenüberströmten Gesicht zu mir auf und erwiderte: „Wie konnte sie das tun? Ich dachte wenigstens sie liebt uns.“ Das dachte ich auch, erwiderte ich in Gedanken, doch sagen tat ich etwas anderes: „Ich bin mir sicher ganz tief in ihrem Herzen liebt sie uns, doch leider ist dieser Teil von den Gefühlen für Vater überschattet. Wir sollten uns freuen, dass unsere Eltern sich so sehr lieben.“ „Ich hätte lieber getrennte Eltern, als gar keine!“, schluchzte sie und ich wusste nichts mehr zu erwidern. 

Feyas Sicht:
Gerade saß ich mit einem Buch in der Hand auf meiner Fenster Bank, da klingelte mein Handy. Verdutzt nahm ich den Anruf an. „Hey Feya. Ich bin's, Skylar. Lilian hat mich gerade angerufen und meinte ich solle dir ausrichten, dass Evan dich gleich abholt. Der Besuch ist bereits wieder gegangen und sie würde gerne noch etwas Zeit mit dir verbringen.“ „Warum beauftragt sie dich mir mitzuteilen, dass ihr Bruder mich abholt?“, fragte ich verwirrt. „Vielleicht weil sie deine Nummer nicht hat, du Genie.“, stöhnte Skylar genervt. Oh, stimmt. „OK, Skylar. Viel Spaß noch mit R.!“, erwiderte ich und legte auf. Kaum hatte ich das Handy wieder in meine Hosentasche gesteckt, klingelte es auch schon an der Tür. Vielen Dank für die frühzeitige Warnung, Skylar! Seufzend legte ich das Buch weg, erhob mich vom Fensterbrett und machte mich auf den Weg zur Haustür. Vor der Tür stand, wie erwartet, Evan. Er lächelte leicht, doch seine Augen waren seltsam leer und leicht glasig. Er begrüßte mich kurz und ging dann zu seinem Auto. Ganz gentlemanlike hielt er mir die Beifahrertür auf und schloss so hinter mir wieder. Dann ging er einmal um den Wagen herum und stieg auf der Fahrerseite ein. Er startete das Auto und wir fuhren los. Die ganze Fahrt über herrschte absolute Stille. Doch leider war es keine angenehme Stille. Allerdings wusste ich auch nicht wie ich sie hätte beenden können. Nach einer gefühlt stundenlangen Fahrt hielten wir vor dem Haus. Evan stieg wortlos aus und auch ich öffnete die Tür. Ich schloss sie wieder, nachdem ich ausgestiegen war und folgte Evan eilig zur Haustür. Er hatte bereits aufgeschlossen und bedeutete mir einzutreten. Zögernd betrat ich den Hausflur und ging von da aus weiter ins Wohnzimmer. Dort saß Lilian auf dem Sofa und ihr Anblick war einfach nur schockierend. Die Beine hatte sie an den Körper gezogen und sie blickte mit leerem Blick auf einen unbestimmten Punkt im Raum. Langsam näherte ich mich ihr. Sie wandte mir den Kopf zu und ich sah mit Entsetzen ihre roten, verheulten Augen. 

Des Rudels Luna Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt