Kapitel 37

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"Vinc? Was machst du hier?"

"Ich dachte, ich schaue mal vorbei."

"Oh."

"Also? Was ist? Kann ich reinkommen?"

"Mhm."

"Vergiss nicht zu Atmen in deinem Redefluss."

"Ha Ha."

"Gott, was geht denn bei dir ab?"

"Alles und nichts."

"Bedeutet?"

"Das Leben ist halt scheiße. Irgendwie."

"Bedeutet?"

"Keine Ahnung, was ich mehr denken soll."

"Vielleicht... Hast du was zum trinken da?"

"Wasser aus der Leitung."

"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du wärst ein Parasit deiner eigenen Einöde."

"Wieso bist du eigentlich hier?"

"Nur so."

"Ahja."

"Also? Was bedeutet: Keine Ahnung, was ich mehr denken soll?"

"Es wird mir momentan einfach zu viel. Gwen macht mir Druck, dann hab ich mich mit meiner Schwester endgültig zerstritten und selbst, weiß ich gar nicht mehr, was ich eigentlich will."

"Monica, ich möchte nicht irgendwie aufdringlich klingen, aber ich denke da ist etwas in deinem Leben vorgefallen, was du mir noch nicht erzählt hast."

"Und es gibt auch nichts, was dir Anspruch darauf verleiht."

"Du blockst ab. Scheint etwas hartes zu sein."

"Ich werde dir nichts sagen."

"Nagut. Aber du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst."

"Klar."

"Dann würde ich sagen, man sieht sich."

"Halt."

"Hm?"

"Ich hab dir doch von Christian erzählt. Er...er wurde... naja... er wurde ermordet."

"Ach du scheiße."

"An unserem Jahrestag."

"Ich dachte, es wäre deine Schuld gewesen."

"Das war es."

"Ich gehe jetzt mal nicht davon aus, dass du ihn umgebracht hast. Also wie kann es deine Schuld sein?"

"Ich war nicht da. Ich kam zu spät."

"Fuck, bitte fange nicht an zu weinen."

"Es tut mir Leid. Ich hätte nicht damit anfangen sollen."

"Ist schon gut."

"Würdest du bitte gehen?"

"Natürlich. Es tut mir so Leid, Monica."

"Auf Wiedersehen, Vinc."

"Auf Wiedersehen."

-

"Christian. Bitte. Du musst mir verzeihen. Ich... ich kann mit dieser Schuld, mit dieser Last, nicht mehr Leben. Es tut mir so wahnsinnig Leid das ich zu spät gekommen bin. Und jetzt, jetzt habe ich noch nicht einmal die Chance diese Schuld zu begleichen. Es tut mir so schrecklich Leid. Du musst fürchterlich enttäuscht von mir sein. Es hätte so ein wundervoller Abend werden können. Es hätte so schön sein können... Wäre ich doch nur früher da gewesen. Es hätte nicht dich treffen sollen. Wieso musste das nur passieren? Ich verstehe das alles nicht mehr! Christian, bitte hilf mir! Bitte hol mich zu dir. Erlöse mich. Bitte. Diese Welt ist kaputt. Meine Welt ist kaputt. Ich brauche dich! Ich kann das nicht mehr! Verstehst du? Es war der Jahrestag... Der verfluchte Jahrestag! Ich habe doch gesagt, wir hätten Zuhause bleiben sollen. Aber du wolltest ausgehen. Hattest diesen Tisch in diesem wunderbaren Restaurant reserviert. Es tut mir Leid, dass ich mich verspätet hatte. Es tut mir so Leid, dass ich zu spät kam. Es hätte so nicht sein sollen. Christian, bitte verzeih mir. Ich will das alles nicht mehr. Ich will nicht wach sein, ich will nicht träumen. Nie wieder schlafen. Denn hast du sie gesehen? Meine Träume? Blaulichter. Es ist jedesmal genau das gleiche. Die Blaulichter! Überall um mich herum. Dieses fürchterliche Sirenengekreische. Dieser widerliche Lärm! Christian...sie...sie haben mich gefragt, ob ich jemanden dort kennen würde. Sie haben mich gefragt, ob ich schauen könnte, ob es wirklich du bist. Ich sollte dich identifizieren! Direkte Bestrafung! Folter! Weißt du wie es war, deinen zerschossenen Körper auf dem Boden liegen zu sehen? Dein Blut durchtränktes Hemd, dieser entsetzlich Gesichtsausdruck , deine furchtbar leeren Augen...und trotzdem konnte ich den Hass in ihnen sehen. Es ist doch so, oder? Du hast mich gehasst! Du hasst mich! Ich weiß es! Du hasst mich, weil ich nicht da war! Wie sollte es anders sein. Oh Gott, bitte hilf mir... ich kann nicht mehr. Scheiße, ich bekomme keine Luft mehr. Ich sterbe! Ich bin bereits tot. Bitte... Oh bitte hilf mir doch! Sie sagten, es sei ein Anschlag gewesen. Einer dieser Terroranschläge, so haben sie es genannt. Aber trotzdem, ich hätte dich beschützen können. Ich hätte dich beschützen müssen! Bitte, verzeih mir... Wenn du es nicht tust, wer soll es dann? Du musst mich entlassen. Entlassen aus diesem unausstehlichen Schmerz. Nimm mich in deine Arme. Bitte. Ich liebe dich. Ich liebe dich so schrecklich... mein Herz blutet... ich brauche dich..."   

The pain wears white #Wattys2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt