Kapitel 52

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"Es war Weihnachten. Aber es lag kein Schnee, wie man sich eigentlich das perfekte Weihnachten vorstellt. Für mich war dieses Weihnachten sowieso nicht perfekt. Es war das erste Weihnachten ohne Christian. Ich war morgens aufgewacht und hatte diesen Drang nach Erlösung in meinem Herzen gespürt. Und zwar schlimmer, als an den meisten anderen Tagen. Ich fühlte mich zurückversetzt, in die Tage nach seinem Tod. Ich wollte einfach nicht. Jedenfalls kam es dann dazu, dass ich mich fertig gemacht habe, auch wenn nicht wirklich hübsch hergerichtet, und mit meiner Familie gefrühstückt habe. Ja, Melissa war auch da. Und ihr komischer Freund. Es hatte eine so bedrückte Stimmung den Raum beherrscht, dass ich das Gefühl hatte nicht atmen zu können. Mit Tränen in den Augen hatte ich das nötigste gegessen und mich für den Rest des Tages in meinem Zimmer zurückgezogen. Die Trauer lastete auf mir und zog mich in ein großes Tief. Später dann wollten die Anderen in die Kirche gehen und baten mich mit ihnen zu kommen. Christian hätte es ja so gewollt. Aber das bezweifle ich, denn die Weihnachtstage, die ich mit ihm verbracht habe, waren immer fern ab von allen Traditionen gewesen. Wir hatten unsere eigenen Traditionen erschaffen und sie wie etwas heiliges behandelt. Deshalb hasste ich den Gedanken wider dieser Traditionen zu handeln, aber ich konnte nichts dagegen ausrichten. Ich suchte mir ein weißes Kleid aus und hüllte mich in die Leere ein, die mich auch von innen ausfüllte. Meine Familie beschwerte sich. Wie konnte ich nur Weiß an Weihnachten tragen? Wie waren sie mir doch egal. Mir war zu dieser Zeit alles egal gewesen. Nur der Schmerz zählte, weil er mich an Christian erinnerte. Er musste auch fürchterliche Schmerzen gehabt haben. Also gingen wir in die Kirche und ließen das elende Heiligtum über uns ergehen. Es war doch jedes Jahr die selbe Leiher. Spätestens als wir beim Krippenspiel angelangt waren, war ich mit meinen Gedanken ganz fern ab. Ich richtete meine inneren Worte an den Gott, an den die Anwesenden größtenteils glaubten, und bat ihn darum mich zu ihm zu holen. Denn ich wollte nicht mehr auf dieser Erde verweilen. Ich wollte zu Christian. Ich wollte mit ihm tote Weihnachten feiern. Irgendwann war dann auch die Kirche geschafft und wir kehrten nach Hause zurück. Nun war das Geschenke auspacken dran. Ich hatte keine besorgt, da ich meine Familie nicht beschenken wollte und keine Lust und Kraft gehabt, trotz dessen welche zu besorgen. Wir setzten uns um den kahlen Weihnachtsbaum, der der einzige zu sein schien, der meine Traurigkeit spiegelte. Ich bekam ein rotes T-Shirt und eine neue Handyhülle. Beides unnütze Sachen, die ich nie angerührt habe. Naja, die Geschenke waren ausgepackt und Weihnachten fast überstanden. Innerlich freute ich mich schon darauf, mich gleich in meinem Bett zu verkriechen und nie wieder aufzustehen. Doch so kam es nicht. Weihnachten sollte für mich so nicht enden. Es war still. Die Ruhe vor dem Sturm. Mein Vater las in einem neuem Buch und Melissa und ihr merkwürdiger Freund tuschelten leise vor sich hin. Meine Mutter sah mich an. Monica, sagte sie und ich wendete mich ihr zu. Nur mit meinem Körper anwesend. Eine Weile darauf sahen wir uns schweigend an. Bis sie meinte, dass da etwas wäre, was sie mir sagen müsste. Es ginge um Mike. Mein Geist war da. Mike? Ja, da wäre etwas, was sie mir sagen müsste. Ich hörte also zu... Sie... sie sagte mir...dass...dass. Sie sagte mir, dass es nicht wahr war. Das es ihr leid tut und nicht richtig war. Ihr Gesicht war starr, als wäre es ihr egal, was sie mir da sagte. Als wäre es ihr egal, dass sie mich zerstörte. Es war ihr egal. Scheiß egal. Sie erzählte mir, dass Mike tot war. Gwen, sie hat mich belogen! Sie hat die Briefe von Ende November, bis kurz vor Weihnachten geschrieben. Sie wollte mich nicht leiden sehen, also hat sie mich belogen. Mich glauben lassen, es sei alles in bester Ordnung! Erinnerst du dich an ihren Brief? Ihren Brief, dass Mike lebt? Dass er gesund ist? Es war alles gelogen! Alles nur, damit sie kein kaputtes Kind beherbergen musste. Aber mit ihrer Nachricht hatte sie mich nur noch mehr zerstört. Es war, als hätte sie ein Messer gezogen und es mir ohne Vorwarnung in mein Herz gerammt. Aber anstatt, dass sie es dabei belässt, schlitzt sie einmal von oben nach unten meinen Körper auf. Ohne mit der Wimper zu zucken. Es war das Grauen. Sie war das Grauen. Wie konnte sie mir das nur antun? Sie hat mich belogen! Mich hintergangen! Mich glauben lassen, mein Leben hätte eine Zukunft! Ich hasse sie dafür! Ich hasse sie...so abgrundtief. So...so tief, dass ich wünschte, sie...ja sie wäre an ihrer Stelle von uns gegangen..."

"Monica, sag so etwas nicht."

"Aber es ist die Wahrheit! Ich kann einfach nicht mehr..."

"Ich bin froh, dass du mir jetzt alles erzählt hast. Ich verspreche dir, von nun an geht es nur noch bergauf."    

"Ich fühle mich aber nicht so. Ich fühle mich hohler denn je."

"Monica..."

"Ich fühle mich tot."

The pain wears white #Wattys2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt