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Ich bin nun bereits eine Woche auf dem Schiff. Mein Tagesablauf ist immer gleich, ich werde alleine wach, esse alleine und mache meine Arbeit. Octavia und ich verstehen uns inzwischen richtig gut, ich habe ihr viel von meinem Leben in Tortuga erzählt, was sie als langweilige abgestempelt hat, ich kann ihr nur zustimmen. Auch sie hat sich mehr geöffnet und mir von ihr und Raven erzählt, die beiden sind wirklich wie füreinander geschaffen. Sie hat mich auch nochmal mit Gustus bekanntgemacht, der große angsteinflößende Mann, der mich gefunden hat. Er hat mir sogar angeboten, mich ein bisschen im Schwertkampf zu trainieren, was ich gerne angekommen habe.

Nach meiner Schicht esse ich immer zusammen mit Lexa, welche sonst eigentlich durchgehend am Steuer steht oder sich um die Organisation an Bord kümmert. Dabei reden wir nicht viel, hauptsächlich, weil ich das Gefühl habe, dass sie es gar nicht will. Mir fällt auch auf, dass sie seit gestern schon ziemlich kaputt aussieht, müde und angespannt, aber ich weiß es besser als danach zu fragen.

„Wolltest du immer Pirat werden?" platzt es plötzlich aus mir heraus.

Lexa hebt ihren Kopf und trifft meinen Blick verwundert. Sie schluckt das Brot in ihrem Mund herunter und lehnt sich ruhig auf den Tisch, sofort lege ich meinen Löffel weg, in der Hoffnung, dass sie mir nun endlich mehr von sich und dem angeblichen Fluch erzählt, der über der Crew liegen soll.

„Als ich jung war wollte ich für die Regierung arbeiten, aber dann habe ich eine Frau kennengelernt, eine Piratin. Sie hat mir von dem Leben erzählt und ich wusste, dass ich die Freiheit mein Leben lang haben will." Ich nicke und lächle etwas, was sie sogar erwidert. „Was wolltest du machen?"

Ich will antworten aber sehe dann, dass sie ihr Kopftuch abzieht und durch ihre Haare fährt, sofort kommt mir eine Idee.

„Ich kann das machen. Also, deine Haare."

„Bist du sicher?" sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja, ich habe es bei Harper auch immer gemacht."

Lexa nickt und setzt sich vor den Spiegel, ich ziehe meinen Stuhl zu ihr und setze mich hinter sie, ihr Blick trifft meinen im Spiegel als sie mir die Bürste reicht.

„Wer war Harper für dich?"

„Eine Freundin, wir sind zusammen aufgewachsen." Lexa reagiert kaum, nur ein leichtes Nicken.

Als ich merke wie nah wir nun aneinander sitzen beiße ich mir auf die Lippe. Ich lenke mich schnell ab indem ich in ihre weichen, dunklen Locken greife und vorsichtig ein paar Knoten entferne, die durch den peitschenden Wind draußen entstanden sind.

„Ich wollte Ärztin werden, als ich jünger war." Beginne ich leise. „Meine Eltern waren beide Ärzte, sie sind aber von Piraten ermordet worden."

„Das tut mir leid."

„Schon gut... es ist lange her."

Ich schlucke schwer und lasse die Bürste vorsichtig durch Lexas Haare gleiten. Dabei entgeht mir nicht, wie die Dunkelhaarige ihre Augen zufallen lässt und es sichtlich genießt. Ein Lächeln zieht sich auf mein Gesicht, was nicht verschwindet als sie ihre Augen wieder öffnet.

„Es gab eine Zeit da wollte ich selbst Pirat werden." Ich schnaufe leise, worauf Lexa nun auch lächelt, es ist wenig aber ich sehe es. „Ich habe diese Kopftücher geliebt, ich wollte selbst immer eines. Manchmal habe ich mir aus den Klamotten meiner Mutter einen Hut gebastelt, aber sie hat ihn mir nur weggenommen und gesagt, dass Pirat sein nichts für mich ist."

„Ich denke so falsch lag sie da nicht."

Lexa dreht sich langsam um, sofort rutsche ich auf dem Stuhl nach hinten, da wir uns sonst zu nah wären. In meinem Bauch kribbelt es, ich habe keine Ahnung wieso. Für eine Sekunde schaut Lexa von meinen Augen auf meine Lippen, dann wieder zurück. Meine Blicke wandern über ihr ganzes Gesicht, sie sieht noch müder aus von Nahem.

I can see it in your deep blue eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt