Finn wurde unsanft geweckt und stöhnte im ersten Moment auf. Doch dann erinnerte er sich, dass ja heute der erste Dezember war und er ein Türchen aufmachen durfte. Es war ihm etwas peinlich, aber er freute sich wie ein kleines Kind.
Seine kleinen Geschwister Lena und Max waren längst aufgestanden und ihre Betten leer und unordentlich. Er hörte ihr Geschrei aus der Küche und schloss leise die Tür.
Im Licht der alten Schreibtischlampe nahm er seinen Adventskalender aus der Tasche und suchte die Nummer 1, die in der Nähe einer der Tannenspitzen versteckt war. Vorsichtig öffnete er es.
Hier war überraschenderweise kein Bildchen versteckt, sondern ein kleines Textfeld mit unheimlich winziger Schrift.
"Beobachte den Himmel über dir, sonst verpasst du viele Tier", las er und schüttelte verwirrt den Kopf. Na gut, dachte er. Er konnte heute ja mal schauen, welche Vögel über seinem Kopf flogen.
Damit begann er auf dem Schulweg. Der eisige Winterhimmel war leuchtend blau und das einzige, was noch fehlte, waren Schneeflocken. In seinem Stadtteil sah man allerdings keine Tiere. Wenn er die Wahl hätte, würde er schließlich auch woanders wohnen.
Auch aus dem Busfenster sah er kaum etwas lebendiges, nur ein paar Enten, die im See badeten. In der Schule war er schon ziemlich frustriert. "Alles okay bei dir?", fragte ihn Annabell. Woraufhin er nur nickte.
Annabell war schon ewig mit ihm befreundet, auch wenn er nicht genau wusste, wieso. Mit ihren brauen, welligen Haaren und den roten Lippen war sie eine echte Schönheit, sodass Finn sich kaum traute, sie anzusehen und dann jedes Mal rot wurde. Sie hatte ihm in Deutsch geholfen, als sie letztes Schuljahr nebeneinandersaßen, und jetzt sahen sie sich häufig in der Mensa.
Finn nahm seinen ganzen Mut zusammen und fragte: "Hast du heute schon in den Himmel geschaut?" Bevor sie ihn fragen konnte, was er meinte, trat die Lehrerin ein und der Unterricht begann.
Während des Unterrichts sah Finn fast die ganze Zeit verträumt aus dem Fenster und ließ die Gedanken schweifen. Schließlich tauchte doch noch ein Vogel auf: ein fette, graue Taube flog vorbei. Finn war enttäuscht und wandte sich dem Unterricht zu.
Der Tag strich vorüber ohne besonders auf sich aufmerksam zu machen. In der Pause redete er mit seinen Freunden über den neuen Kinofilm, den er wahrscheinlich niemals sehen würde und hielt nur nebensächlich den Himmel im Auge. Schwachsinniger Kalender, dachte er ärgerlich.
Auf seinem Heimweg war es schon dunkel, und im Himmel wäre eh kein Vogel erkennbar gewesen. Mit gesenktem Kopf ging er nach Hause, durch leere, dunkle Straßen. Gedankenverloren kickte er einen Kieselstein herum und wurde immer missmutiger.
Als plötzlich etwas mit einem merklichen WUSCH über seinen Kopf sauste. Der Windstoß ließ ihn stolpern, aber er fing sich noch, bevor er zu Boden fiel. Als er nach oben sah, konnte er ein riesiges Wesen mit weiten Schwingen gerade noch so erahnen. Ein Wesen, das niemals existieren konnte. Aber er würde nie wissen, was es wirklich gewesen war, denn Sekunden später war es um die nächste Häuserecke verschwunden.
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Ein Zauberhafter Adventskalender
FantasyAus einem merkwürdigen, neuen Laden erhält Finn einen Adventskalender, der jedoch anders ist, als alle anderen. Denn dieser Adventskalender ist nicht gefüllt mit Schokolade oder Spielzeug, sondern mit Magie.