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Diesen Montag begann wieder der normale Schulalltag. Seine Mutter hatte wieder mal die Nachtschicht gehabt und war noch völlig erledigt, daher musste er seine Geschwister zur Grundschule bringen. Das hieß: Noch früher aufstehen und den Monstern Frühstück machen. Was für ihn, als Morgenmuffel, eine qualvolle Anstrengung darstellte.
Lena stand noch ewig vorm Kleiderschrank und suchte nach einer gemütlichen Hose. "Lena, nimm doch einfach die von gestern!", bat er sie.
"Aber die hat ein Loch!", antwortete sie.
"Zeig mal her!"
Sie zeugte ihm das Loch im Knie ihrer Jeans. "Ich bin hingefallen beim Fangen spielen.", sagte sie entschuldigend. "Bist du böse?"
Finn schüttelte den Kopf. Nein, dafür konnte sie ja nichts. Das Problem war, dass sie wirklich nicht viele Hosen hatte und fast alle waren in der Wäsche. Er fand aber schließlich eine Hose für sie und schickte sie ins Bad zum umziehen. Dann konnte er die Tür abschließen und sein Türchen öffnen.
"Dinge unter Stolpersteinen flicken ganz leicht Leinen.", stand diesmal dort. Vielleicht war etwas unter einem Pflasterstein versteckt! Diesmal war es ja relativ greifbar.
Nach dem Frühstück ging Finn mit seinen Geschwistern zur Bushaltestelle und wartete dort. Seine Geschwister mussten denselben Bus nehmen und saßen auf den Plätzen neben ihm. Finn achtete heute besonders darauf, was passierte, wenn sie bei Mirakulusplatz vorbeifuhren. Die Haltestelle wurde zwar angezeigt, aber niemand drückte auf Stop. Auch seinen kleinen Geschwistern fielen die merkwürdigen Häuschen nicht auf. Der Kalender hatte mal wieder Recht, dachte er.
Als Finn die Schule betrat, schaute er aufs schwarze Brett und ihm fiel sofort ein neuer Zettel auf: der alte Hausmeister ging in Rente und es wurde ein Nachfolger gesucht. Geregelte Arbeitszeiten und gute Bezahlung - er musste unbedingt seiner Mutter davon erzählen!
Der Klassenraum war voller aufgeregter Jugendlicher, die sich alle etwas zu erzählen hatten. Finn setzte sich auf seinen Platz und beobachtete unauffällig Annabell, in der Hoffnung angesprochen zu werden. Doch sie war mit ihren Freundinnen beschäftigt. Sie sah traurig aus und Finn nahm sich fest vor, sie nach dem Grund zu fragen.
"Guten morgen!", sagte sein Kumpel und Sitznachbar Klaus, als er sich auf seinen Stuhl warf. Klaus hatte weißblonde Haare und wurde von vielen Santa genannt. Er nahm die Witze über sein weihnachtsmännisches Aussehen aber mit Humor. Aber gerade in der Weihnachtszeit wurden die Witzbolde wieder aufdringlicher.
"Na Santa, hast du uns heute was mitgebracht? Hat deine Mutter vielleicht wieder Kekse gebacken?", fragte der schlimmste von ihnen, Chris Martens. Klaus schüttelte den Kopf und lachte. Dann drehte er sich zu Finn um.
"Wäre auf dem Hof fast auf die Nase gefallen, weil da ein Pflasterstein lose ist. Also irgendwie fällt da alles auseinander."
Finn nickte gedankenverloren. Vielleicht hatte das etwas mit den Heinzelmännchen zu tun, die wegen ihm umziehen mussten. Dann fiel wieder sein Kalenderspruch ein. "Wo genau war das denn? Nicht das ich auch noch darüber stolpere!", fragte er neugierig.
"Ach, dahinten irgendwo bei den Buchsbäumen."
In der nächsten Pause trödelte er extra herum und wartete, bis der Schulhof leer war. Dann suchte er nach dem wackeligen Pflasterstein. Neuerdings hielten sie nicht mehr richtig am Boden und waren alle recht wackelig. Einer ließ sich komplett herausheben und darunter befand sich eine kleine Metallbox.
Er verstaute sie in seiner Tasche und rannte zurück zu seiner Klasse.

Erst am Abend hatte er Zeit, die verborgene Kiste zu öffnen. Das innere war mit rotem Samt ausgeschlagen und darin lag eine silbern glänzende Nähnadel. Im Deckel klemmte ein Zettel mit der Aufschrift "Bedienungsanleitung".
Neugierig nahm Finn die Bedienungsanleitung heraus. Sie war handgeschrieben und etwas schwer zu entziffern. Er konzentrierte sich und las: "Magische Nähnadel. Nicht für Kinder unter 6 Jahren geeignet. Verschluckbare Kleinteile."
Sollte das ein Witz sein? Finn drehte den Zettel um und sah die Aufschrift: "Näh, Nähnadel näh!" Und als er den Zettel wieder umdrehte, stand dort auf einmal "Lass sein, ist fein!"
Es sah aus, wie ein Zauberspruch. Vielleicht war diese Nadel ja tatsächlich magisch!
Er legte die Hose seiner Schwester vor sich und nahm die Nadel in die Hand. "Näh, Nähnadel näh!", befahl er inbrünstig. Sofort begann sich seine Hand wie von alleine zu bewegen und ein dünner, fast unsichtbarer Fahden bildete sich aus dem nichts. Die Nadel nähte das Loch so schnell, dass Finn sie kaum richtig erkennen konnte. Im Nu, sah die Hose aus wie neu. Auch die losen Nähte wurde geflickt und die Knöpfe neu festgenäht. Finn dachte, sie würde vielleicht von selbst aufhören, wenn es nichts mehr zu tun gab. Aber dem war nicht so! Die Nadel tippte zweimal ungeduldig auf den Tisch und zog ihn dann in Richtung Schrank. Dabei wurde Finn vom Schreibtischstuhl geworfen und konnte sich gerade noch fangen. Die Hand mit der Nadel zerrte ihn zum Kleiderschrank und öffnete die Tür. "Stop!", rief Finn. "Hör auf!"
Doch die Nadel reagierte nicht und warf Kleidungsstück nach Kleidungsstück aus dem Schrank, immer auf dir Suche nach Löchern, die zu flicken waren. Finn versuchte sich an die magischen Worte zu erinnern, doch sie wollten ihm nicht einfallen. "Lass es sein!", rief er. "Es ist gut!", aber es half nichts "Lass sein! Ist fein!", fiel es ihm endlich wieder ein. Sofort war die Nähnadel nur noch ein Stück Metall in seiner Hand.
Fassungslos starrte Finn auf das Durcheinander um sich herum. Die ganzen T-Shirts waren auf dem Boden verteilt und zerknittert.
Seine Mutter klopfte an die Tür. "Finn? Ist alles okay?"
"Ja...", sagte er und legte die Nadel wieder sorgfältig in die Metallbox.

Ein Zauberhafter AdventskalenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt