Kapitel 1: Der kurze Geschmack der Freiheit ( Part 3 )

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Nur langsam konnte ich meine Augen öffnen und blinzelte in die mittlerweile bereits späte Abendsonne. Sofort drang der markante Geruch des Grases, auf dem ich lag, in meine Nase und weckte die Lebensgeister in mir. Doch mit diesem Gefühl des Lebens, wurde ich auch gleichzeitig mit den unbarmherzigen Schmerzen, die ich just in dem Moment empfand, konfrontiert.
Langsam und unter Höllenqualen leidend rappelte ich mich auf und begutachtete meinen ramponierten Körper. Der unbekannte Fremde hatte wahrlich ganze Arbeit an mir geleistet: Auf meinem, vor wenigen Augenblicken noch so strahlend jadefarbenen Fell zeichneten sich kräftige Blutergüsse und tiefe Risse ab. Mein ganzer Körper erbebte, als ich eine der besonders heftigen Wunden leicht mit meiner Zunge berührte.
Kraftlos und sichtlich mitgenommen sank ich wieder zu Boden. Jegliche Kraft hatte mich verlassen. Meine Beine, obwohl ich sie doch so deutlich sah, wollten mein Gewicht einfach nicht mehr tragen. Von dem Verursacher meiner Qual, fehlte jedoch, und natürlich zu seinem Glück, jede Spur.

Meine Lage war alles andere als rosig. Noch nie zuvor, wurde ich bei einer der beinahe täglichen Auseinandersetzungen um mein Revier, so stark in Mitleidenschaft gezogen. Stattdessen war es eigentlich immer ich, der meine Gegner auf den Boden der Tatsachen brachte. Ihr könnt von mir nun denken, was ihr wollt, aber das ist nun mal das Gesetz der Straße. Solche Machtkämpfe gehören einfach zum täglichen Leben dazu und bereiten, zumindest mir, große Freude. Das aber, was dieser Schuft mir angetan hatte, war der Gipfel der Ehrlosigkeit. Einen wehr- und hilflosen Gegner anzugreifen ist wirklich das Letzte. 
Ich würde eher in Scham und Schande versinken, als eine solche Tat zu begehen. Das könnt ihr mir glauben. 

Im Moment aber, musste ich meine Vorstellungen von Ehrgefühl zur Seite kehren. Die Zeiten waren heikel. Ich, der die letzten Tage soviel hatte durchmachen müssen... Hungrig, einsam, verlassen und nun auch noch schwer verletzt. In einer mir völlig unbekannten Region des Landes, in der offenbar niemand, wirklich niemand wusste, dass eine solche Berühmtheit wie ich, schwach und hilflos auf dem Boden kauerte. 

Zorn überschwemmte meinen ganzen Körper, als ich erneut an einem simplen Aufstehversuch scheiterte und ungraziös mit der Nase auf dem lindgrünen Gras aufschlug. Ich hätte in diesem Moment am Liebsten alle rappelvollen Mülltonnen dieser Welt dafür eingetauscht, mit dem feigen Pokémon von vorhin abrechnen zu können. Eine solche Schande... Wie sollte ich damit weiterleben können? Ja, selbst die Grillen, wie sie so munter vor sich hinzirpten, schienen sich über mich lustig zu machen. Ein kurzer Funkenstoß, in eine der Richtungen aus der das Zirpen kam, ließ zumindest an jenem Ort das freche Rummgezirpe schlagartig verstummen und stattdessen kleine Rauchschwaden langsam in die Lüfte steigen.
Zwar fühlte ich mich nach dieser Tat im Geiste etwas wohler, doch dummerweise hatte dieser ungezügelte Wutausbruch mir nun noch das letzte Fünkchen (Ironie, nicht wahr?) Lebenskraft entzogen.

Die Sonne versank immer weiter hinter einem kleinen Wäldchen hinter mir und verschaffte so zumindest meinen brennend heißen Verletzungen etwas Kühlung, was meiner Lage jedoch nicht sonderlich half.
Sollte ich etwa tatsächlich um Hilfe rufen? Nein, das durfte nicht geschehen. Niemals! 
Doch konnte ich überhaupt noch tiefer sinken? Die Botschaft über den Sieg dieses Halunken machte sicherlich schon im ganzen Land seine Runde. Was blieb mir also anderes übrig?
Ich mobilisierte also alle Kräfte, die ich fand, und schrie, so wie ich es noch nie zuvor getan hatte. Ich schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Irgendjemand, da war ich mir absolut sicher, würde mich hören. Eine weitere Flut von Schmerzen breitete sich nach Beendigung meines Hilferufes in meinem Kopf aus und trieb mich beinahe in den Wahnsinn.

Ereignislos zogen sich die Minuten dahin. Inzwischen begann sogar wieder an der Stelle, an der ich vor wenigen Augenblicken noch meiner ungezügelten Wut freien Lauf gelassen hatte, erneut das hämische Gezirpe.
Gequält warf ich einen raschen Blick über die Schulter. Niemand war da. Niemand, der mit hätte helfen können. Sollte ich es etwa riskieren, noch einmal um Hilfe zu rufen? Was hätte ich anderes tun sollen?
Erneut brüllte ich einen weiteren Hilferuf in den immer dunkler werdenden Tag hinein in der Hoffnung, dass er dieses Mal gehört werden würde. Abermals ziepte jede Faser meines Körpers vor Schmerzen auf.

Wieder zogen die Minuten wie Stunden dahin, ohne das sich auch nur etwas um mich herum bewegte.
„Zumindest etwas Gutes, hat die Sache...“, schoss es mir durch den Kopf, als ich, erschöpft wie ich war, meine Nase in dem Gras vor mir vergrub, und dabei einige kleine Stofffetzen fand „...Immerhin sind diese nervigen Bändchen und Schleifchen, wegen denen ich überhaupt erst in diese Situation hineingeriet, nun reif für die Müllabfuhr...“
Ich lachte abfällig und wurde sofort wieder von einer weiteren Welle des Schmerzes begrüßt.

Langsam aber sicher verschwamm die Umgebung. Auch meine Augen schienen mich nun im Stich lassen zu wollen. War das etwa mein Ende? Sollte ich so mein Leben beenden? Ich, Sheinux, Sohn des Sechsten Hauses, unangefochtener Champion und Revierherrscher des westlichen Nationalparks, großmeisterlicher Mülltonnen...
Ich konnte einfach nicht mehr. Die Schmerzen in meinem Körper waren inzwischen unerträglich geworden. Jeder weitere Atemzug war eine einzige Höllenqual für mich.
Doch urplötzlich zuckten meine Ohren und mein Kopf schnellte reflexartig in die Luft. Ein gleichmäßiges Rascheln hinter mir, dass sich meiner Position scheinbar näherte. Wer konnte das sein? Doch was kümmerte es mich? Hilfe, das war das einzige, was ich jetzt brauchte.

Mit letzter, wirklich aller letzter Kraft also, rief ich meinen verzweifelten Hilferuf hinaus, bevor alles um mich herum von Finsternis umhüllt wurde.
Ich weiß nicht mehr genau, was dann passierte. Das Letzte, was ich in diesem Moment spürte war, dass mich irgendetwas stark am Kopf traf, ein angenehmer Luftzug all meine Sorgen und Probleme hin fortwehte und sich meine Schmerzen plötzlich scheinbar in Luft auflösten.
Ich war gerettet.

Doch wie? Und vor allem: Von wem?

Ratet mal, wer rettet unsere Nette Hauptfigur? :D bis denne
see ya :3

Pflicht und EhreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt