Kapitel 3

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Er trägt eine verwaschen Jeans und ein weißes Hemd, bei dem er die Ärmel nach oben geschoben hat wodurch seine tattoowierten Arme sichtbar werden. Ich bin total eingeschüchtert und ich würde am liebsten zurückweichen, als er nun mit großen Schritten auf uns zukommt, aber ich halte mich zurück, er soll auf keinem Fall merken, dass er mich einschüchtert.
Seine Tattoos, die ich an seinen Armen und sogar an seinem Hals sehen kann und auch die ganzen Muskeln, die sich unter seinem Hemd abzeichnen faszinieren mich, schüchtern mich aber auch unglaublich ein, und ich bin sonst niemand, der sich leicht einschüchtern lässt. Aber nicht nur das, sein Blick scheint sich einmal komplett durch mich hindurch zu bohren. Kommt es mir nur so vor oder schaut er mich wirklich abwertend an?

Luca hingegen sieht aus, als ob er seinen größten Wunsch erfüllt bekommen hätte. Mir einem großen Grinsen im Gesicht tritt er einen Schritt nach vorne um unseren Kunden zu begrüßen. "Guten Tag Herr Diehn! Mein Name ist Luca Seider und das ist meine Kollegin Mia Lorenz", stellt er sich selbst und mich gleichzeitig vor und hastig trete ich auch nach vorne um nicht total bescheuert dazustehen. "Wir werden zusammen an ihrer Kampagne arbeiten", fährt Luca noch fort, während ich neben ihn trete. Herr Diehn nickt ihm leicht zu und wendet seinen Blick dann wieder auf mich.

"H-hallo", bringe ich stotternd hervor und könnte mir sofort eine klatschen. Ich hab doch sonst kein Problem selbstsicher aufzutreten, warum wirft mich dieser Blick so aus der Bahn.
Ich habe mich angehört wie ein verängstigtes Kleinkind. Herr Diehn muss das auch gehört haben, denn er schenkt mir ein spöttisches und irgendwie abwertendes Grinsen. Ich spüre wie ich wütend werde, was bildet sich dieser Möchtegern Musiker denn ein? Am liebsten würde ich ihm das auch deutlich machen, aber ich halte mich zurück. Ich geb es zu, dafür bin ich zu eingeschüchtert von seinem Auftreten. 
Aber wahrscheinlich ist das normal für seinen "Beruf", kein soziales Verhalten und total unsympathisch!

Ja ich weiß ich rutsch in die Vorurteilkiste hinein, aber er bestätigt gerade doch alle von meinen Vorurteilen Rappern gegenüber, oder?
Ich bemerke wie mich die drei Männer fragend anschauen, anscheinend haben sie mich irgendetwas gefragt. Sofort werde ich rot. Wie peinlich und das ausgerechnet bei meinem ersten größeren Auftrag.
Max schaut mich genervt an. Warte stop! Wie komme ich dazu ihn einfach so zu duzen? Aber Herr Diehn passt doch einfach nicht zu ihm, oder?  Schon wieder schweife ich ab und schaue hektisch zu Nicolas, der mittlerweile auch schon zu uns nach vorne getreten ist.

"Ich hab gefragt ob ihr euch nicht in euer Büro setzten wollt um die ersten Erwartungen und Ideen festzuhalten?" wiederholt er nun seine Frage und ich schaffe es nur müde zu nicken. Der Auftrag stresst mich jetzt schon!


Zwei Stunden später lasse ich komplett fertig meinen Kopf auf meinen Schreibtisch fallen und vergrabe ihn in meinen Armen. Unser Kunde hatte schon sehr genaue Vorstellungen wie seine Kampagne aussehen soll und Ich weiß jetzt schon, dass ich in den nächsten Wochen nicht sehr viel Schlaf bekommen werde.  Aber das ist nicht mein Problem. Sondern eher mein Kunde selbst.
 
Arrogant und eingebildet. Aber wahrscheinlich ist das echt einfach an seinen 'Beruf', den ich immernoch nicht so akzeptieren kann, gekoppelt.
Ich hebe leicht meinen Kopf und schielen zu meinem besten Freund, der an seinem Schreibtisch wie wild auf seiner Tastatur eintippt.
Mit Luca hatte er sich eigentlich ziemlich gut verstanden, überlege ich. Also liegt es wohl wirklich an mir. Frustriert stöhne ich auf und schlage meinen Kopf nochmal auf die Tischplatte. "Was ist los Kleine?" Ich höre richtig das schmunzeln in seiner Stimme.

"Er kann mich nicht leiden", jammer ich vor mich hin. Ich weiß gar nicht, warum mich das so ärgert, aber wahrscheinlich will ich einfach gut mit meinem ersten großen Kunden auskommen.  Ist ja auch viel besser für die gemeinsame Arbeit.

Ich höre Luca leise lachen. "Ach was das bildest du dir nur ein", versucht er mich ganz der gute Freund zu beruhigen, aber ohne überhaupt auf zu schauen sehe ich richtig vor mir, wie er seine Augen rollt.

"Er war doch ganz nett?" "Nett?"

Abrupt schaue ich auf. Der meint das wirklich ernst.
"So!", Luca fängt an in seiner Tasche zu kramen und ich schaue ihm interessiert zu, wie er seine Kopfhörer herauszieht und mir herüberwirft. "Du machst dir jetzt erstmal ein gescheites Bild von Max und überwindet mal deine Vorwürfe Rappern gegenüber!" Empört möchte ich wieder sprechen, aber Luca lässt mich nicht einmal zu Wort kommen.
"Klappe, du weißt genauso gut wie ich, das du Rap nicht für Musik hältst, aber jetzt hörst dir erst einmal Lieder von Max an und achtest auf die Texte, okay?"

Vollkommen überrascht kann ich nur nicken und stecke die Kopfhörer ein und öffne YouTube.


Ich inhalier' tief ein in meine Brust,
mein Herz schlägt im Takt zu dem Beat
und mich kriegt ihr nicht kaputt
Wasch' den Dreck alter Niederlagen weg
von meiner Haut, denn ich wachse wie ein Baum einfach raus aus dem Sumpf

Alles hat ein' Grund,
auch warum ich nachts immer wach bleibe, jede Narbe auf der Haut ist ein Abzeichen
Und in der Hitze des Gefechts sind die Tränen von gestern der Schluck, der mir hilft, dass ich bei Kraft bleibe

Auch ganz allein gegen den Rest der Welt hab' ich immer noch mehr Mut als Verstand
Mein Willen und mein Stolz
sind wie Nadel und Faden,
flicken jede Wunde meines Körper nach dem Kampf wieder zusammen

Ich komme runter und überdenke meinen nächsten Zug
gut sieben Atemzüge lang
Denn solange ein Funken dieses Feuers noch glüht, bündel' ich die Kraft in meiner Faust und greif' einfach wieder an

Knochen brechen, aber niemals die Armee meiner Gedanken, die Soldaten halten stand bis zum allerletzten Mann

Auch wenn keiner mehr an meiner Seite steht, ist okay, denn ich bin stärker mit dem Rücken zur Wand


'Atme tief ein' von Maximilian Diehn  aka Kontra K

Ich habe gleichzeitig das Musikvideo und den Songtext geöffnet, sonst würde ich beim ersten mal hören absolut nicht mitkommen.

Ich bin... beeindruckt. Das geb ich zu. In dem Text sehe ich mich an vielen Stellen mich selbst, aber das versuche ich zu verdrängen. Falscher Ort und falsche Zeit.
Aber seine Stimme, die hat wirklich etwas und auch seine Musikvideos.
Vor allem wenn er da die ganze Zeit Oberkörperfrei rumläuft.
Ich geb es zu. Ich bin auch nur eine Frau. Er ist heiß. Punkt. Da gibt es nichts mehr dazu zu sagen.

Ändert aber nichts daran, dass er sich mir gegenüber so verhält!

Fels in der Brandung (Kontra K)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt