Kapitel 5

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Nachdem ich meinem Auftragsgeber und jetzt auch Kunde sein Getränk übergeben habe drehe ich mich vollkommen fertig zu Sam um, die das Raubtier hinter mir mustert. „Also ich würde mich ja ranmachen, aber der ist ja anscheinend schon deiner, so wie er dich gerade angeschaut hat", meint sie halb lachend, halb enttäuscht. Entsetzt drehe ich mich schnell um, sehe aber erleichtert, dass sich Max zum Raum hingedreht hat. Er hat das also nicht gehört, gut! Schnell drehe ich mich wieder zu Sam um, die mich belustigt anschaut. „Das ist nicht "meiner"", zische ich leise zu ihr rüber. „Das ist mein neuer Auftragsgeber in der Firma. Und ein eingebildetes Arschloch noch dazu!", gebe ich ihr schnell Auskunft. Ungläubig zieht meine Kollegin eine Augenbraue hoch. „Aber ein heißes, eingebildetes Arschloch, das musst du zugeben". Sie grinst, zwinkert mir noch schnell zu und widmet sich dann dem Kunden, der gerade an die Theke getreten ist.

Schon wieder seufzend mache ich mich an die letzten 1,5 Stunden meiner Schicht. Langsam merke ich, dass ich schon den ganzen Tag arbeite, aber das ist normal. Max ist in ein Gespräch vertieft, mit einem guten Freund wie es aussieht, sehe ich beim nächsten vorsichtigen Blick zu ihm. Der zweite Mann ist ebenfalls groß und muskulös, sieht aber nicht ganz so einschüchternd aus wie „mein" Kunde. Die zwei lachen und scheinen sich gut zu verstehen. Plötzlich dreht Max seinen Kopf zu mir und ich versuche noch schnell unauffällig wegzuschauen, aber vergeblich wie ich befürchte. Egal, soll er sich doch denken was er will.

Ein erneuter Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich nur noch ca. 10 Minuten aushalten muss, dann darf ich mich auf den Weg in mein geliebtes Bett machen. In der Bar sind auch fast keine Gäste mehr da und die letzten vorhandenen brechen gerade auch mehr oder freiwillig auf. Auch Max Kumpel verabschiedet sich gerade von ihm, mein ach so freundlicher Rapper bleibt jedoch sitzen und dreht sich nun wieder zu mir und schaut mich an. „Wie kommen Sie nach Hause?", fragt er mich plötzlich. Von der Frage überrascht brauche ich ein paar Sekunden, bis ich ihm antworte. „Zu Fuß", sage ich dann. „Ich lauf nur 10 Minuten ca." Kurz glaube ich Unzufriedenheit in seinem Blick zu sehen, diese Einbildung ist jedoch sofort wieder verschwunden. „Ich zahle", antwortet er nur schroff. Augenverdrehend gehe ich zu ihm rüber und kassiere ab; das mehr als großzügige Trinkgeld lasse ich unkommentiert. Ohne noch irgendetwas zu sagen, steht Max auf, nimmt seine Jacke und geht hinaus.

„Auch eine gute Nacht", knurre ich genervt vor mich hin. Das war ja mal wieder sehr freundlich von ihm. „Na freust dich aufs Bett?", reißt mich die Stimme von Tobi aus meinen Gedanken. Bei dem Gedanken an mein Bett fange ich an zu Strahlen. „Oh ja! Ich bin echt kurz vorm umfallen", antworte ich. Tobi kenne ich, seit ich vor gut einem dreiviertel Jahr im 'Last Call' angefangen habe und wir haben uns auch gleich von Anfang an verstanden. Er schaut mich lächelnd an. „Na dann beeilen wir uns lieber mit dem Aufräumen, damit du schnell ins Bettchen kommst", meint er dann und alle zusammen machen wir uns ans Tische abräumen und wischen. Der Großteil wird morgen vor der ersten Schicht noch aufgeräumt, aber das Grobe räumt die Nachtschicht natürlich noch selbst weg. 10 Minuten später schnappe ich mir meine Jacke und trete mit Tobi raus auf die Straße. Ein leichter, kühler Wind ging und er fühlt sich so unglaublich erfrischend an. „Soll ich dich noch heimbringen?", fragt Tobi gähnend, aber ich schüttle dankend den Kopf. „Ich bringe sie", ertönt plötzlich wieder diese Stimme und geschockt drehe ich mich zu ihm um. Max steht locker an eine Mauer gelehnt unter einer Straßenlaterne und schaut mich prüfend an. „Wer bist du?", fragt Tobi schroff und ich bin noch viel zu verwundert etwas zu sagen. „Ein Freund von ihr, ich begleite sie nach Hause!", widerholt Max nochmal seine Worte, stößt sich von der Mauer ab und kommt langsam auf uns zwei zu. „Mia?", fragt Tobi nun an mich gewandt und ich murmle, immer noch geschockt, dass es okay sei und dass er heimgehen könnte. Tobi drückt mich kurz fest, wirft Max einen misstrauischen Blick zu und läuft dann los zu seiner Wohnung.

„Was soll das?", bringe ich nun an Max gewandt heraus. „Er zuckt leicht mit den Schultern. „Ich lasse Sie bestimmt nicht alleine nachts durch Berlin laufen", meint er nur und schaut mich abwartend an. „Gehen wir los?" Empört schüttle ich den Kopf. „Ich kann selbst nach Hause laufen", meine ich leicht zickig, aber das ist mir egal. Was denkt der sich bitte? Berühmt hin oder her. „Daran zweifle ich nicht; aber ich lasse eine junge Frau die ich kenne nicht alleine nachts rumlaufen", meint er nur noch einmal. Kurz überlege ich meine verschiedenen Optionen und merke dann, dass ich eigentlich gar keine habe. „Also gut", seufze ich und laufe los, ungeachtet ob er mir folgt oder nicht. Allerdings mache ich gefühlt drei Schritte, wenn er einen macht und so ist es nicht die größte Schwierigkeit von ihm Schritt zu halten. Schweigend machen wir uns auf den Weg und ich weiß immer noch nicht, was ich von dieser Begleitung halten soll. „Sollten nicht eigentlich Sie begleitet werden?", meine ich irgendwann. „Also von irgendwelchen Bodyguards? Und nicht ich?" Ich sehe von der Seite sein leicht durch die Straßenlaternen beleuchtetes Gesicht und sehe doch tatsächlich den Anflug eines ehrlichen Lächelns darin. „Sehe ich wirklich so au als ob ich Bodyguards benötige?", stellt er belustigt die Gegenfrage und ich zucke nur mit den Schultern. Hat er ja auch Recht. Bei so viel Muskelmasse.

„Und jetzt hör endlich mit dem gesieze auf", schiebt er noch nach und wieder schaue ich ihn erstaunt an. „O..Okay", meine ich. „Ich bin Mia", füge ich dann noch hinzu. „Ich weiß", ist alles was ich als Antwort bekomm. Und wieder ein kleines Lächeln. Das sogar aufrichtig aussieht. Wunder geschehen doch immer wieder.

Den Rest des Weges verbringen wir wieder schweigend, bis wir vor dem hohen Mietshaus stehen. „Wir sind da", meine ich leise und schaue zu meinem Begleiter auf. „Gut", meint er bloß. „Wie oft arbeitest du immer?" „Nur Freitag und Samstag", antworte ich. „Vielen Dank fürs heimbringen, schiebe ich noch hinterher. Max nickt mir leicht zu, sagt aber nichts mehr. Langsam mache ich mich auf den Weg zur Haustüre, fummle meine Schlüssel heraus und schlüpfe sobald sie offen ist durch sie hindurch, ohne mich noch einmal umzuschauen. Vollkommen konfus quäle ich mich barfuß noch die blöden 4 Stockwerke zu unserer Wohnung nach oben, meine Schuhe in der Hand. Warum muss ich auch bloß so auf High Heels stehen? Ich bereute es jedes Wochenende aufs Neue. Sobald ich meine Zähne geputzt habe streife ich mir meine Klamotten aus und lasse mich in mein weiches Bett fallen. Was für ein Abend. Und was für ein komischer Mann. Den ich nun offiziell duzen durfte.

Fels in der Brandung (Kontra K)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt