† O4:28 Uhr: Hier hast du zum letzten Mal gelebt, zum letzten Mal geatmet
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Ich sehe dich, ich spüre dich. Du sitzt vor mir, die vielen beschriebenen Blätter, Briefe an mich, ... fest in deiner Hand, auf deinem Schoß. Dein Herz pocht so unglaublich schmerzhaft, die Splitter stechen in deine Brust. Ich kann es fühlen. Aber du findest es okay, nur gerecht. Bald ist es vorbei, denkst du.
Ist es das, was du willst? Es mir gleich tun? Warum, Quinn? Warum?
Warum tust du mir das an? Geh! Geh wieder, geh zurück ins Haus, lass mich tosen! Das Meer ist nichts für dich, ich bin nichts für dich! Das ist kein Ort für dich, das war ein Ort für mich! Für mich...
Quinn, ... deine Hände zittern. Geh. Bitte. Deine Lunge arbeitet nicht mehr richtig, du kannst kaum noch atmen, bekommst kaum noch Luft. Was für eine Ironie. Könnte ich nervös lachen, würde ich.
Tränen in deinen Augen. Tausende Tränen in meiner Tiefe, in meinen Wellen. Meine Tränen.
Ich warte. Die Wellen platschen an deine Füße, bereit dich in meine Obhut zu ziehen. Doch ich kann nicht, ich will nicht. Du gehörst nicht hier her.Der Sand unter deinem Körper ist warm, weich, er erinnert dich an mich. Er erinnert mich auch an dich, Quinn. Alles hier erinnert dich an mich, natürlich tut es das, hier habe ich zum letzten Mal gelebt. Zum letzten Mal geatmet. Du bist alleine hier, aber das ist für diese Uhrzeit nichts ungewöhnliches, vier Uhr morgens in der früh, wer geht da schon zum Strand? Wer möchte da schon das stille, trübe Meer betrachten? Wer?
Du. Du gehst um vier Uhr morgens an den Strand. Du, der achtzehnjährige Junge, der verloren hat. Dich verloren. Mich. Du, der den Schmerz nicht länger ertragen kann. Ja, du bist der, der deswegen an den Strand geht. Um vier Uhr morgens. Weil du mit mir reden möchtest, weil du all das hier beenden möchtest. In mir. Für immer. So wie ich. So wie ich es getan habe, als ich nicht mehr konnte. Als ich wollte und versagte. Mich getäuscht hatte. Nur die Vögel über mir spenden dir den Hauch von Gesellschaft, den du von mir ersehnst. Und ich. Meine Wellen, meine Tiefen, mein Rauschen und mein Küstenwind.
Du wartest auf mich. Doch ich komme nicht. Natürlich tue ich das nicht, wie könnte ich auch? Ich bin längst nicht mehr dort. Längst nicht mehr bei dir. Das Meer ist jetzt mein zu Hause, das Meer, ich, das Meer vor dir passt jetzt auf dich auf. Dein gefährlicher Beschützer.
Dein Herz hämmert, du hast Angst. Angst vor dem, was du mir gleich erzählen möchtest, erzählen wirst. Ist es das wert, Quinn? Bitte, geh, ich möchte, dass du gehst! Verstehst du denn nicht? Hätte ich das gewollt? Denk' an mich, denk' daran!
Quinn, bitte...Du schweigst so lange. Sitzt vor mir, lässt den Sand immer wieder durch deine geschlossenen Hände rinnen, gräbst mit deinen Zehen kleine Kuhlen der Verzweiflung. Sprich mit mir, Quinn, rede! Sag etwas! Ich möchte dich hören, deine Stimme, jeden deiner Atemzüge. So wie damals. Deine kräftigen Atemzüge, zu jene ich nie im Stande war auszuüben.
Komm schon, Quinn.
Mein Wind saust durch dein dunkelblondes Haar, zerzaust es, du atmest meine frische Luft ein, atmest tief ein, und anschließend wieder aus. Ich liebe dieses Geräusch.
Dann beginnst du. Endlich. Du starrst in die Ferne, du lächelst leicht. Traurig.
„Hi, Ginny“, flüsterst du. Eine einzelne Träne entwischt deinem linken Augenwinkel, deine Stimme ist heiser von all dem Schweigen der letzten Wochen. Ich höre es. Oh, Quinn.
„Ich, ... ich habe lange nicht mehr geredet“, wisperst du, du wühlst mit den Zehenspitzen deines rechten Fußes im Sand herum. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer mir das gerade fällt.“
Du schluckst. Du bist angespannt.
„Aber ich möchte dir etwas erzählen. ... Eine Geschichte.“
Ein leises Lächeln, eine stumme zweite Träne. Du umklammerst das Papier in deiner linken Hand fester, dein Herz klopft so wild, so wild wie meine Wellen an stürmischen Tagen, ich höre seinen hektischen Rhythmus.
„Unsere Geschichte“, verbesserst du, während dich ein Schauer durchfährt. Traurigkeit und Liebe in einem. Eine gefährliche Mischung. Eine tödliche. Wie meine.
Und dann beginnst du zu erzählen.
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Unter Wasser kannst du auch nicht atmen
Roman d'amourQuinn und Ginny waren niemals nur Freunde und niemals mehr als das. Sie kann kaum atmen und er merkt zu spät, dass er sie liebt. Sie kennen sich seitdem sie Kinder waren und trennen sich, als sie immer noch Kinder sind - an dem Ort, der in drei Fäll...