Lisa sah wahrlich fantastisch aus. Neben ihr kam man sich immer sehr hässlich vor.
„Wir bleiben nicht lange", sagte ich anstelle einer Begrüßung.
Sie nickte wild und lächelte aufgeregt, als der Bus angefahren kam.
Sie hatte sich in einen von Lukas' Freunden verliebt. Das behauptete sie jedenfalls. Von Liebe konnte da an sich noch nicht die Rede sein.
Trotzdem konnte man es ihr nicht verübeln. Allesamt waren sie hübsch und vor allem aber waren sie älter. Ein Abenteuer, das nur darauf wartete, erlebt zu werden.
Lukas hatten wir auf dem Geburtstag meines großen Bruders Leo kennengelernt. Wir hatten uns ziemlich gut verstanden, aber er wollte immer etwas mehr als Freundschaft. Ich nicht.
Als wir im Bus saßen, starrte eine alte Dame uns die ganze Zeit an. Dass ich sie anlächelte, schien sie gar nicht wahrzunehmen.
Der Bus öffnete zischend seine Türen und Lisa zog mich raus.
Der Himmel war grau und es war kalt. Meine Hände kribbelten, als vermissten sie das Gefühl von heißem Porzellan und sprudelndem Tee.
Plötzlich legte sich ein Arm um meine Hüfte und ich wurde nach hinten gezogen. Erst erschrak ich, dann bemerkte ich, dass es Lukas war, der mich in seine Arme zog.
„Hey, Charlotte", flüsterte er mir ins Ohr.
„Hey, Lukas", flüsterte ich zurück und er drückte mich kurz, bevor er mich losließ.
Lisa verschwand auch kurz in mehreren Armen, dann begannen wir, zu laufen. Und zu laufen. Und zu laufen. Es war erstaunlich weit zu Lukas' Wohnung, vielleicht kam es mir auch nur so vor. Wahrscheinlich weil es zwischendurch unangenehm still war.
Wir waren noch nie dort gewesen.
Es war ganz schön beeindruckend. Für einen Neunzehnjährigen hatte er verdammt viel Geld. Ich meine, er lebte ja nicht alleine, aber dennoch...
Lisa und ich sahen uns um und staunten in stiller Bewunderung.
Es war ziemlich ordentlich hier, das hatte ich nicht erwartet. Warum auch immer.
Es war nicht so, dass Kronleuchter an der Decke hingen und ein gläserner Kristalltisch vor einem weißen Ledersofa stand, aber es war schon ziemlich... bewundernswert.
Mit der Zeit wurde die Wohnung voller und ich verlor Lisa aus den Augen. Leo kam auch, ich hatte ihn schon etwas länger nicht mehr gesehen.
„Na, kleine Schwester. Da haste' dich wohl wieder auf 'ne Studentenparty geschmuggelt, wa'?", waren die ersten Worte aus seinem Mund, die er sagte. Ich grinste und umarmte ihn.
„Tja, Lisa hat mich angeschleppt."
„Jaja. Aber sei vorsichtig. Is' nich' immer alles Gold, was glänzt", warnte er mich und zwinkerte mir zu. Konnte Leo auch mal Sätze sagen, die ein normaler Mensch verstehen konnte?
Aber er schnalzte nur mit der Zunge, schoss mich mit einer imaginären Pistole ab und mischte sich unter das Volk.
Ich saß also am Rand der lauten Menge, lauschte dem zu lauten Techno-Mist und wollte nur nach Hause. Wie konnten sich die Leute bei dem Lärm unterhalten?
Jemand stellte sich zu mir und sah mich an. Es war Lukas.
„Keine Lust mehr?", schrie er und beugte sich zu mir herüber, damit ich ihn hören konnte. Ich konnte seinen warmen Atem an meinem Ohr spüren.
Die Sache mit Lukas war kompliziert. Es war nicht so, dass ich ihn nicht mochte. Zwischendurch liefen mal eben so kleine Gefühle für ihn durch mein Herz. Aber das war es ja. Zwischendurch. Sie blieben nicht. Und ich wollte ihn nicht verletzen. Mal ganz abgesehen davon, dass es nicht gut gehen würde. Es gab so viele Gründe, warum es nicht funktionieren würde. Und dennoch stahl sich eine Gänsehaut über meinen Körper, als seine Lippen sich in Nähe meines Ohrs befanden. Hatten die Gefühle sich wohl entschlossen, aufzutauchen, was?
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Bis der Mond die Sonne küsst
Teen Fiction„Wie lange hab ich noch?“, fragte ich, mein Gehirn stellte auf stumm während mein Herz einen Schnelllauf lief. Seine von der Zeit geprägten Augen blickten auf mich herunter, alt, müde. „Noch ungefähr zwei Tage“, sagte er. Ich war endlich. Das Ausmaß...