Ich konnte spüren, wie mein Gesicht alle Farbe verlor, mein Lächeln schwand und meine Gesichtszüge sich versteinerten.
In Windeseile war ich auf den Beinen. Ich nahm mir nicht die Zeit, mich von ihm zu verabschieden.
Aus Angst, Leo aus den Augen zu verlieren, rannte ich so schnell ich konnte durch die Menge auf ihn zu. Er schien etwas zu suchen, jemanden.
Ich packte ihn von hinten und bekam kaum Luft, als ich ankam. Mir wurde übel schwindelig und mein Bauch fing wieder leise an, sich zu beschweren. Mein Atem ging stoßweise und keuchend, deshalb musste ich mich an der Wand festhalten. Doch Leo ließ mir keine Zeit, meine Lungen mit dem dringend benötigten Oxygen zu füllen, er lief eilig weiter, ohne sich umzudrehen. Ich tastete mich an der Mauer entlang und meine Sicht verschwamm zeitweise, ich versuchte, mich an Leos sich entfernendem Rücken zu orientieren und fixierte seinen Hinterkopf. Ich stieß gegen einen Mülleimer, eine Bank und etliche Passanten, die mir entweder wütend hinterherriefen oder bloß leise vor sich hin murmelten, aber das alles geschah neben meiner Wahrnehmung. Ich wusste, dass es passierte, aber ich lief daran vorbei wie die Mauer, die mein einziger Halt war. Das Schwindelgefühl nahm mir mehr Luft, als noch in meinen Lungen war, und mein Mund fühlte sich staubtrocken an. Am liebsten hätte ich geschrien, geheult, geweint, geschlafen und vor allem mich hingelegt, aber ich erlaubte mir nicht, eine Pause zu machen. Leo verschwand tiefer, und bald würde ich ihn ganz verlieren, wenn ich langsamer wurde. Ich wollte seinen Namen rufen, aber meine Kehle war die Sahara, und momentan tobte ein Sturm in ihr. Ein Sturm, der nach Wasser und Luft zum Atmen dürstete. Mir wurde tatsächlich schwarz vor Augen, aber ich hielt nicht an. Wie von selber fanden meine müden Beine ihren Weg an weiteren Menschen vorbei und gegen einen Tisch. Sie würden mein Gewicht nicht mehr lange halten können und meine Augen begannen, all ihr Licht zu verlieren...
Mit letzter Kraft schrie ich: „Leo!"
Und dann wurde alles schwarz.
Als ich aufwachte, spürte ich direkt einen harten Untergrund. Mein Kopf lag in einem unbequemen Winkel zu meinem Körper und ich sah hinter meinen Augenlidern Licht flackern. Ich traute mich nicht, sie zu öffnen. Mein Atem ging flach, meine Gelenke schmerzten, die Sahara befand sich noch immer in meinem Körper, mein Bauch tat weh und mir war furchtbar übel.
Ich krallte meine Hände in irgendetwas, das wahrscheinlich auch als mein Untergrund diente, und kämpfte um das Bewusstsein.
Ich hörte irgendein undefinierbares Gebrabbel, und ich dachte, jemand würde mit vollem Mund etwas sagen. Bis ich merkte, dass es an mir lag, dass ich es nicht verstand. Ich versuchte, mich auf die Stimme zu konzentrieren, aber mein Bewusstsein drohte, mich wieder zu verlassen, also ließ ich es sein. Das Gebrabbel zog vorbei und verstummte schließlich ganz. Vielleicht war es wichtig gewesen, vielleicht nicht, aber ich hatte es nicht gehört.
Mir entfuhr ein Wimmern. Dann fing es wieder an, das sinnlose Gelaber, und ich wimmerte noch einmal. Die Quelle der Stimme schien es nicht zu verstehen und redete einfach weiter.
Das Flackern wurde schwächer, bis es schließlich ganz aufhörte. Ich hörte irgendetwas klappern oder scheppern, dann wurde ich bewegt. Ich stöhnte und rang nach Luft, und es wurde auf einen Schlag heller.
Ich wagte, langsam meine Augen zu öffnen, doch schloss sie sofort wieder. In Bruchteilen kamen die Ereignisse vor meinem Aussetzer zurück.
„Leo?", fragte ich, ganz leise, vielleicht hatte die Person mich gehört, vielleicht auch nicht.
Gemurmel. Dieses Mal versuchte ich stärker, mich auf die Stimme zu fixieren, und es funktionierte.
„Wir sind gleich da, Lotti. Nur noch ein paar Schritte. Wir sind bald im Krankenhaus. Da werden-"
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Bis der Mond die Sonne küsst
Tienerfictie„Wie lange hab ich noch?“, fragte ich, mein Gehirn stellte auf stumm während mein Herz einen Schnelllauf lief. Seine von der Zeit geprägten Augen blickten auf mich herunter, alt, müde. „Noch ungefähr zwei Tage“, sagte er. Ich war endlich. Das Ausmaß...