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Es war kaum auszuhalten wie sehr sich Yuri's Zustand von Minute zu Minute verschlimmerte. In einem Moment saß er ungeduldig auf einem Stuhl und im anderen lief er den Gang auf und ab, um sich aufzuwärmen. Er mied die Fernseher, die überall hingen. Er wollte nicht sehen wie die anderen liefen. Sein Blick war panisch und trotzdem so leer, dass es mir Angst machte. "Ich kenne diesen Ausdruck", Chris kam neben mir zum stehen. "Mhm?", ich sah ihn nicht an. Hörte ihm aber dennoch zu. "Weißt du nicht mehr? Das Letzte Grand Prix Finale? Da hat er sich genauso verhalten.", so schnell Chris da war so, schnell war war er auch wieder verschwunden.

Moment.

Was?

"Verdammt!", die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Deshalb hatte er also verloren. Mir war zu Ohren gekommen, dass er eine Panikattacke hatte eher gesagt ein Blackout. Und sein Lauf deshalb so unglaublich schlecht war. Aber das es sich so äußerte war mir zu keiner Zeit bewusst.

"Er muss hier weg..", flüstere ich mehr zu mir selbst und rannte den Flur entlang. Von Yuri war nirgendwo im geringsten eine Spur. Es beunruhigte mich. Grübelt wanderte ich durch die Gänge der Halle. "Katsuki Yuri wie fühlen sie sich?", mein Kopf schoss in die Höhe. Etwas von mir entfernt stand eine Traube von Reportern um Yuri. "Net net net!!", fluchend sah ich mich um und entdeckte Chris der mich ansah. Er nickte mir zu. Gemeinsam gingen wir schnellen Schrittes zu Yuri. Während Chris die Aufmerksamkeit der Reporter auf sich lenkte, zog ich Yuri soweit weg wie nur möglich. Uns blieb nicht mehr viel Zeit und dennoch musste ich ihn von alldem wegholen.

Bingo!

"Komm mit", ich nahm Yuri an die Hand und ging mit ihm hinunter in die Tiefgarage. "Setz die Kopfhörer auf und mach dich warm.", ich sah ihn nicht an. Schwäche konnte ich mir nicht erlauben. Yuri setzte seine Kopfhörer auf und begann sich warm zu machen. Wenigsten hören konnte er noch.

Hier unten waren wir ungestört. Trotzdem bekam man durch die Vibrationen mit, wie sehr das Publikum am mitfiebern war. Doch ich empfand es als nicht so schlimm.

Mein Schützling lief einige Runden durch die Tiefgarage und fing an sich zu dehnen. Während er das tat, überlegte ich wie ich es ihm leichter machen konnte.
Was sollte ich nur mit ihm machen? Grübelnd legte ich mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger.

Ich spürte das Yuri mir nahe war, deshalb drehte ich mich um und sah direkt in seine verängstigen und panischen Augen. Er hatte seine Kopfhörer abgenommen und hörte das Publikum klatschen und mitfiebern. Wie aus einem Reflex schloss ich die Lücke zwischen uns und hielt mit meinen Händen seine Ohren zu. Wir sahen uns tief in die Augen, was mein Herz schneller schlugen lies. Sie waren voller Schmerz.

Ruhig bleiben Victor.

Das Letzte was Yuri jetzt gebrauchen konnte war, ein Trainer, der selbst in Panik geriet. Ich atmete einmal tief durch. Doch Yuri schlug meine Hand beiseite und sah mich emotionslos an "Ich bin gleich dran.", langsam ging er an mir vorbei. Er war so unnahbar, dass es mir das Herz rausriss. Wo war mein Yuri? Das hier war er nicht. Es tat mir weh.

Das Herz eines Eiskunstläufers, war eben zerbrechlich wie Glas.

Die einzige Möglichkeit Yuri wieder zurückzuholen war, genau dieses zerbrechliche Herz, vollends zerbersten zu lassen. Auch wenn ich es jetzt schon bereute, war es scheinbar die einzige Möglichkeit.

"Yuri!", er zuckte zusammen. Meine Stimme war kühl, mein Blick so emotionslos wie er eben zu mir war. Vielleicht war es kindisch, aber es musste sein. Meine Haare verdeckten mein halbes Gesicht, so das meine Augen wohlmöglich dunkler wirkten als gewohnt. Erschrocken sah Yuri mich an, seine Aura hatte sich verängstigt. Seine Angstquelle war nun eine andere. Ich.

"Wenn du bei diesen Lauf versagst und somit nicht auf dem Podium landest. Werde ich die volle Verantwortung dafür tragen und zurücktreten."

Stille.

Endlose Stille.

Yuri sah mich an ohne ein Wort zu sagen. Die Sekunden verstrichen.. bis.. eine Träne nach der anderen über seine Wangen lief.

Es war gebrochen..

Ich hatte es gebrochen..

"Warum sagst du so etwas Victor? Warum!?", er schrie mich an. "Yuri..", ich wollte gerade ein Schritt auf ihn zu machen. Doch er hielt mich auf. "Nein! Bleib stehen! Warum tust ausgerechnet du mir das an?", seine Hände ballten sich zu Fäusten. "I-ich.. Yuri..", meine Gedanken waren eine reine Masse aus Wirrwarr die ich nirgendwo hin zuordnen konnte. War es das was ich wollte? Ihn so sehen? Mich so fühlen?

Eigentlich.. nicht.

"Ich bin es gewohnt die Konsequenzen meiner eigenen Fehler zu tragen! Aber diesmal habe ich Sorgen gehabt, das du die Konsequenzen meiner Fehler tragen musst! Verstehst du das Victor!?", immer noch schrie er. Ich war nicht in der Lage zu antworten. Das hier überwältigte mich, das kein Wort an die Oberfläche kam.

"Ich hatte Angst das du als mein Trainer zurücktreten willst!", seine Stimme ließ nicht nach. Er schrie weiterhin. Was mir Schmerz bereitete. "A-aber das würde ich nie..", "Verdammt ich weiß!!", er erstickte meine Worte mit seinen. Er war so aufgewühlt so verletzt. Es tat mir leid. So sehr.

"Was soll ich tun Yuri? Ich kann damit nicht umgehen wenn jemand vor mir weint.", ich tat genervt. Aber das war ich nicht. Ich war enttäuscht von mir selbst.

Sein Gesicht war überströmt von den Tränen die er meinetwegen vergoß, seine Augen waren gerötet, ebenso seine Wangen. Wie gern ich ihn zum schweigen gebracht hätte. Seine Worte den Gar ausgemacht hätte. Ihm zeigen wie sehr mir das hier leid tat.

"Glaube einfach mehr als ich daran, das ich das hier gewinne! Du musst nichts sagen Victor! Bleib einfach an meiner Seite!"

Mich durchzog ein warmes Gefühl. Angefangen von Kopf bis hin zu meinen Füßen. Mein Herz raste ohne Ende, meine Hände kribbelten. Ich spürte Schmerz und Liebe zugleich.

Und dann ging Yuri zu Boden. Brach zusammen. Und das einzige, was ich in der Lage war zu tun, war ihm meine Hand auf die Schulter zulegen.

Bravo Victor. Was für ein Einfaltspinsel du doch bist..

Yuri On Ice - Victor's Story (Band I) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt