(Tauriels Sichtweise)
Als ich vor den Toren ankam, war keine Menschenseele zu sehen. Eigentlich hätten wenigstens Wachen da sein sollen, doch wer außer mir hielt sich sonst noch so genau an die Regeln? Thranduil offenbar auch nicht, er war zu spät, wo er doch Unpünktlichkeit so sehr hasste. Vermutlich nur bei anderen. Als er nach über einer halben Stunde noch immer nicht eingetroffen war, kletterte ich an den Ranken, die an den Steinen wuchsen die Mauern um das Tor herum hinauf. Noch ein wenig später fragte ich mich ernsthaft, ob er nicht mehr kommen würde; Wenn ich so darüber nachdachte fiel mir auf, dass er wirklich nicht besonders oft den Palast verließ, wieso sollte er dann jetzt kommen?
Gerade wollte ich von der Mauer hinunter klettern, als ich eine durchdringende und irgendwie verärgerte Stimme vernahm. "Das besteigen der Palastmauern ist streng untersagt." Ich blickte hinunter und sah meinen König gelassen wie immer aber doch wütend zu mir hoch sehen. "Wenn es verboten ist, wieso ist es dann so leicht?" Fragte ich und machte mich leichthändig an den Abstieg.
Als ich unten war, musterte er mich mit... Bewunderung? Vielleicht ein kleiner Hauch davon... Ich hoffte ich würde mit meinem Plan mehr solcher Blicke und irgendwann sogar etwas wie Anerkennung in seinen kalten Augen finden können. Ich merkte erst, dass ich mich in ihnen verloren hatte, als seine Augen mich verwirrt und wütend anfunkelten. "Ver... Verzeiht, Majestät, ich... Was habt ihr gesagt?" Verständnislos sah er mich an und begann dann, mich mit seiner dunklen, durchdringenden Stimme zu kritisieren. 'Was sollte diese Einladung hier her? Willst du einem König Befehle erteilen, du hast Glück, dass ich überhaupt gekommen bin!' Ich versuchte seinem Blick stand zu halten und nicht zu entnervt zu wirken. Er fuhr fort, mir Vorwürfe zu machen. 'Du brichst wohl gerne die Regeln.' War mein Favorit der absurden Kommentare, die er von sich gab. Ich gebe zu, ich bin manchmal ein wenig temperamentvoll, doch alles in allem hielt ich Regeln ein... Nun, wenn sie von Bedeutung waren.
Als Thranduil fertig war, senkte ich kurz mein Kopf und versicherte ihm, dass ich mir keine weiteren Fehltritte erlauben würde, was ihn vorerst zufrieden zu stellen schien. "Der Grund dafür, dass ich Euch hergebeten habe ist jedoch ein anderer..." Er sah mich fragend an. "Nun, Ihr sagtet, dass wir uns ein wenig besser kennen lernen müssten und..."Er unterbrach mich "Nein, es ist keineswegs von Nöten, dass ich mehr über dich herausfinde als ich es ohne schon tue. DU musst mich kennen, meine Krankheiten, was ich esse, was nicht, die Medizin die ich nach einem Angriff benötige." Ich sah ihn fassungslos an. Ich konnte einfach nicht glauben wie selbstsüchtig und egoistisch er sich verhielt und versuchte es jetzt mit einer anderen Strategie: Mit seiner. Ich schlug einen kühlen Ton an und blickte ihm direkt in die Augen: "Hört mir zu. Ich weiß, Ihr arbeitet gerne allein, aber wenn ich Euch tatsächlich beschützen soll, müsst ihr mir vertrauen können! Und von Vertrauen oder einer Art Respekt habe ich noch nie etwas in euren Augen sehen können- Ja, um ehrlich zu sein habe ich noch in keinem einzigen der vielen Jahre in Eurem Dienst auch nur die kleinste Spur Liebe bei Euch erkennen können!" Er blickte mich zornig an, ich fragte mich ob je einer seiner Untertanen so mit ihm geredet hatte- vermutlich nicht. Aber da er mich nicht unterbrach, versuchte ich, seinem Blick standzuhalten und ihm ein einziges Mal wenigstens einen Teil meiner Gedanken über ihn preiszugeben. "Und wenn ich Euer Leben beschützen soll, muss es mir etwas bedeuten!" Ich zog die Luft ein und realisierte, was ich meinem König, der allen Elben heilig war, gerade mitten ins Gesicht gesagt hatte. Mein Selbstbewusstsein schwand dahin wie der Tau unter der mächtigen Morgensonne und in diesem Moment war zu meinem Pech Thranduil die Sonne, ich ein kleiner Tautropfen.
(Thranduils Sichtweise)
Ich fragte mich, ob ich das, was Tauriel mir soeben gesagt hatte geträumt habe. Noch nie hat mir jemand seinen Standpunkt mir gegenüber so deutlich gemacht... zumindest nicht, ohne den Kopf oder zumindest sein Schutz in meinem Königreich zu verlieren. Ich konnte jedoch nicht abstreiten das der Mut dieser Elbin mich immer wieder überraschte und ein wenig Eindruck zurückließ. Trotzdem erhob ich jetzt meine Stimme, dass sie sich so etwas erlaubte- unglaublich. Doch bevor ich anfangen konnte, sie wieder zurechtzuweisen, unterbrach sie mich plötzlich und es klang nicht mehr so mutig wie zuvor, weshalb ich sie vorerst weiterreden ließ. "E- Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht verärgern, geschweige den verletzen..." sagte sie leise und schaute zu Boden. Verletzen? Was redete sie? Ich sah sie wütend an, keineswegs verletzt! Der plötzlich so verständnisvolle Ausdruck auf ihrem Gesicht irritierte mich. Dann merkte ich, welches Gefühl sich hinter diesem Ausdruck verbarg."Ihr sorgt Euch um mich." Flüsterte ich erstaunt "Obwohl Ihr sagtet meinen Leben wäre es nicht wert, beschützt zu werden..." Sie schaute auf und sah mir in die Augen, wobei ich kurz die Fassung verlor. Schnell war meine Stimme wieder so ungerührt wie stets geworden und ich fragte in normaler Lautstärke: "Nun, wozu habt Ihr mich nun herbestellt? Sprecht, oder ich gehe!" Auch Tauriel schien sich wieder gefasst zu haben und ihre gerade noch so zaghafte Stimme wurde erneut selbstbewusst wie die meine. "Ich weiß Ihr wollt mich nicht näher kennenlernen, aber glaubt mir. Wenn zwei Menschen sich erst einmal vertrauen, können sie viel zusammen erreichen! Zum Beispiel Legolas und ich, wir haben erst gestern..." Sie verstummte abrupt und ich sah sie eisig an. Bevor ich mich dazu äußern konnte, hatte sie den Faden wiedergefunden. "Wie dem auch sei! Ich hatte überlegt, Euch all die Plätze zu zeigen die mir wichtig sind... Möglicher Weise bieten sie Euch eine kleine Abwechslung zu Eurem Palast. So oder so - Nach unserem Ausflug werdet Ihr mehr über mich wissen als zuvor und ich mehr über Euch." Obwohl ich keineswegs Gefallen daran fand, den gesamten Tag mit ihr zu verbringen, musste ich zugeben, dass die Idee doch nicht ganz so unsinnig war. Plötzlich lachte sie und rief: "Wer als letztes im Wald ist!" Bevor ich wusste was los war, lief ich - das erste Mal seit langem- neben ihr her in den Wald.
Aaaalles klar. Im nächsten Kapitel ist es dann endlich soweit!!! Die erste richtige romantische Szene zwischen den beiden erwartet euch ;)
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Can a cold heart love?
FanfictionDer Elbenkönig Thranduil hat ein Herz aus Eis und ist unfähig zu lieben. Doch was ist, wenn das Schicksal ihn plötzlich fest an die temperamentvolle Anführerin der Elbengarde, Tauriel, bindet und sie letztendlich sein Leben beschützen muss? In der...