Flashbacks

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Platinblonde Haare auf dem Kissen verteilt. Fingernägel die über seinen Rücken kratzten. Was war hier los?
"Jaaa genau so.." Diese Stimme. Hoch und piepsig. Ich beobachtete die beiden genauer. Ging ein paar Schritte auf sie zu. Diese Szene. Dieses Tattoo, dass sich über seinen Oberarm räkelt.. Ich kenne es doch.. "Ohh Jaa", schnurrt sie. Meine Hände fingen an zu zittern. Ich wollte weinen, schreien, doch mein Mund öffnete sich nicht. Mein Körper reagierte nicht. "Oh Gott, jaa"
Diese Stimme..

Schweißnass saß ich aufrecht in meinem Bett. Meine Hände wanderten über meine Wangen, die nass waren. Fuck.. Mein Herz pochte wie wild.. Wann hörte es endlich auf?
Ich warf einen Blick auf mein Handy. Kurz vor 6. An Schlaf war nicht mehr zu denken, ich konnte genauso gut aufstehen.
"Na, die ganze Nacht gefeiert?" Tom, mein Arbeitskollege lehnte sich über die Trennwand, die seinen Schreibtisch von meinem trennte. "Mhm ja, so ungefähr." Meine Make-up Künste waren nicht die besten, daher versuchte ich erst gar nicht meine Augenringe zu überdecken.
Vielleicht sollte ich Schlaftabletten besorgen.
"Was hast du am Wochenende vor?" Ich rollte im Geiste die Augen. Er ließ nicht locker. "Ach, nur in einen Club mit den Mädels und du?" "Ein paar Freunde und ich fahren übers lange Wochenende nach New York."
„Cool."
Ich hämmerte die Finger in die Tastatur und hoffte mein gelangweilter Ton würde ihn vertreiben. Es war zwar nicht die feine Englische Art, aber ich hatte vor dem Pfingstwochenende noch einiges zu erledigen und keine Zeit für seine Spielchen.
„Na, dann sehen wir uns Dienstag."
Er ließ von meiner Wand ab und setzte sich an seinen Computer zurück. Die Zeit verging wie im Flug und ich nutzte die Mittagspause um mit meiner Clique die Pläne fürs Wochenende zu festigen.
„Bist du auch dabei, Val?", schrieb Kate gerade. "Klar versuch mal mich abzuhalten :)", schrieb ich schnell zurück.
„Alkohol nimmt jeder selbst mit! Wir setzten uns alle zuvor bei mir zusammen. WG gehört uns :)" schrieb Kate zurück.
Ihre WG Mitbewohner waren alle übers lange Wochenende nach hause gefahren.
Alle gaben ein okay von sich und den Rest der Pause verbrachte ich damit mein Müsli zu essen und mit meiner Arbeitskollegin Lilli zu diskutieren was ich heute Abend tragen sollte.
Sie war im 4. Monat schwanger und würde bald in Karenz gehen. Ich würde sie unglaublich vermissen.
"Wenn ich deine Beine hätte und nochmal so jung wäre, würde ich das kleine Schwarze aus den Schrank holen, silberne High Heels anziehen und dann ab auf die Tanzfläche mit deinen Popo!" Ich lachte.
„Ach ich weiß auch nicht.. Vielleicht ne Jeans und ein Blazer dazu?"
„Du hast ne tolle Figur, Val! Zeig sie auch."
Ich senkte den Blick und Lilli griff nach meiner Hand.
„Du hast viel durch gemacht in letzter Zeit. Deine Mum, Nik.. Du hast dir einen tollen Abend mit deinen Mädls verdient. Betrink dich, amüsier dich und denk nicht an früher. Du kannst tragen was du willst. Früher, sowie heute. Du hattest schon immer ein tolle Figur. Füher etwas mehr Hüfte und Hintern, aber genauso wunderschön wie heute."
"Danke Lilli."
Tränen schossen in meine Augen und ich hielt den Blick gesenkt.
"Zieh an worin du dich am wohlsten fühlst. Du siehst in einen Kartoffesack noch umwerfend aus." Ich lachte.
„Danke Lilli."
Sie nahm mich in den Arm.
„Vergiss nicht mir ein Foto zu schicken. Ich kann dir ja eines von mir auf der Couch mit Ice Creme Flecken auf dem T-Shirt schicken." "Glaub mir, ich würde alles tun um mit dir zu tauschen. Partys sind das letzte was mich im Moment interessieren."
"Es wird bestimmt lustig,Val."
Ich verdrehte die Augen und Lilli lachte.
Die Mittagspause war viel zu schnell vorbei und ich arbeitete schnell weiter um pünktlich aufhören zu können. Als ich ein paar Stunden später zu hause ankam, wartete meine Mum bereits mit den Abendessen auf mich. Vielleicht war es komisch mit 22 noch bei den Eltern zu wohnen, aber die Vorstellung jeden Abend alleine in einer Wohnung zu sitzen war furchtbar.
"Was machst du heute Abend Valerie?" meine Mum setzte sich neben mich und strich mir die braunen Haare aus dem Gesicht. Sie ist eine unglaublich schöne Frau in den 40ern mit der Figur einer 20 Jährigen. Mit ihren naturblonden Haaren, die sie sich zu einen stylischen Bob hatte schneiden lassen, betonte sie ihre hohen Wangenknochen und stechend blauen Augen.
Nur ihre tiefen Falten auf der Stirn und neben ihren Augen verrieten, dass sie schwere Zeiten hatte durch machen müssen. Wobei es sich schwer sagen lässt ob sie nicht selbst an dieser Zeit schuld war.
"Ich gehe in den Club mit Emelie und den Mädels." Bei den Namen meiner älteren Schwester blickte sie von ihren Teller auf. Meine Schwester Emelie hatte die selben blonden Haare wie meine Mutter und die dunklen Augen meines Vaters. Ich hingegen hatte die dunklen Haare meines Dad's und die blauen Augen meiner Mom.
"Oh, richte ihr die besten Grüße aus und sie soll mit Alexander Sonntagmittag zum Familienessen erscheinen. Euer Bruder und Tatjana werden auch da sein."
„Mach ich"
Nachdem ich die Teller in den Geschirrspüler geräumt hatte, ging ich ins Bad um mich fertig zu machen. Meine Haare waren von Natur aus leicht wellig, doch heute Abend glättete ich sie. Danach legte ich grauen Lidschatten auf und versuchte mich an einen Lidstrich, der gar nicht so schlecht wurde. Ich tuschte meine Wimpern und legte etwas Puder auf.
Nachdem ich 20 Minuten meinen Kleiderschrank durchwühlt hatte, entschied ich mich für eine schwarze Jeans, schwarzes Top und einen grauen Blazer. Dazu graue High Heels und eine schwarze Clutch. Ich machte noch schnell ein Foto und schickte es Lilli, die dieses gleich mit drei Daumen nach oben beantwortete.
Pünktlich um 20 Uhr verließ ich das Haus und stieg ins Auto von Em, die bereits in der Auffahrt wartete.
„Alles okay bei dir?"
Sie beugte sich leicht zu mir, um im Licht der Innenbeleuchtung ihres Autos mein Gesicht zu begutachten.
"Jaja." Ich schob sie zurück auf ihren Sitz und schnallte mich an. Die Straßen waren fast leer. Die meisten waren vermutlich auf den Highway unterwegs um die Feiertage auszunutzen.
„Du siehst nicht motiviert aus.", begann Emelie.
„Nein, ich hätte noch ein Powernap vertragen." "Wie gehts Mum?"
„Gut. Ihr sollt Sonntagmittag vorbei kommen. Chris und Tat kommen auch."
„Klar, gerne."
Wir schwiegen und ich blickte über die Straßen. Man konnte schon die Lichter der City sehen und mein Bauch kribbelte nervös. "Unglaublich dass es schon 4 Monate her ist."
Ich drehte mich zu Em.
„Mum?"
„Ja."
„Es hätte fast alles kaputt gemacht. Unsere Familie, sowie uns selbst."
„Bist du noch sauer?"
„Manchmal ja, aber sie war kaputt und sie hat keinen Ausweg gesehen."
„Es gibt immer einen Ausweg."
"Ja aber nicht für Mum. Sie ist zu stolz um sich Schwächen einzugestehen." Unsere Gedanken nahmen uns gefangen und wir schwiegen den Rest der Fahrt.
Würde ER da sein? Würde ER versuchen mit mir zu sprechen? Was würde ich tun?
In der WG von Kate wurde bereits laut gelacht. Ich war sofort verunsichert. Party's waren eine Sache, aber Mädlsrunden waren noch nie mein Ding gwesen. Beeindruckt beobachtete ich Emelie wie sie sofort den Tisch mit den zwei bildhübschen Mädchen für sich einnahm. Es war als würden die beiden nur darauf warten ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Langsam folgte ich ihr und nahm neben ihr Platz. Während der neuste Tratsch ausgetauscht wurde, nahm ich ein Glas und mischte ein Cranberry-Vodka.
„Wie läuft es in der Arbeit, Val?" Kate beugte sich zu mir und stieß mit ihrem Glas gegen meines.
Ihre feuerroten Haare hatte sie, so wie ich, geglättet und sie trug ein kurzes, dunkelgrünes Kleid, dass ihre großen, grünen Augen zur Geltung brachte.
"Alles in Ordnung und bei dir?"
„Stress pur. Einerseits soll ich meine Überstunden abbauen, aber trotzdem meine Projekte zu Ende bringen."
Sie fuhr mit der Fingerspitze über den Rand ihres Glases. Die Arbeit ließ sie nicht los.
Ich versuchte ein Gesprächsthema zu finden und je leerer die Vodkaflasche wurde, umso lockerer wurden wir und umso öfter brachen wir in schallerndes Gelächter aus.

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