Kapitel 6 - Eine Audio-Datei

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PoV Jay

Mir war langweilig. Mir war sehr langweilig. So langweilig, dass ich nicht mal mehr Lust hatte, die Staubfusseln, die um mich herum flogen zu zählen. Ich sah wieder auf mein Handy. Noch immer keine Nachricht von Hannah.

Hannah war eine meiner alten Freundinnen, von damals noch, bevor ich hier her ziehen musste. Sie war auch die, mit der ich am Mittwoch im Park gewesen war, weil wir dort gemeinsam Turnbilder gemacht hatten. Sie hatte noch bis Mittwoch frei gehabt, wodurch sie mich mehr oder weniger spontan besuchen kommen konnte.

Leider funktionierte das viel zu selten und so saß ich die meiste Zeit alleine hier rum. Dadurch, dass ich mich aber auch oftmals einfach draußen aufhielt, fiel das meiner Mutter bisher auch nicht besonders auf.

Aber wir waren ja eigentlich gerade bei meiner Langeweile. Es regnete, wodurch ich mich nicht wirklich dazu aufraffen konnte irgendwo hin zu gehen. Ich hatte eh nicht viele Möglichkeiten. Es war schließlich Sonntag. Immerhin hatte ich mein Handy wieder.

Aber auch dieses konnte ich nur sehr minimiert unterhalten. Seitdem Steffen da war, war mein Internetzugang extrem eingeschränkt worden. Und das aus dem Grund, dass er irgendeine Firewall installieren musste, die mir auf so ziemlich jede coole App den Internetzugang verweigerte. Ich meine, mal ehrlich, als würde ich jetzt über Youtube oder Candy Crush irgendwelche Viren auf unser Netzwerk laden. Und selbst wenn, wir waren nicht die verdammte CIA, ich hatte weder Staatsgeheimnisse, noch sonstige Top Secret Dokumente auf meinem Handy.

Das war übrigens ein weiterer Grund, warum ich Steffen nicht wirklich mochte.

Immerhin funktionierten WhatsApp und Twitter noch. Und so zog ich sekündlich meinen Twitter-Feed nach unten, in der Hoffnung, dass die Tagesschau mal wieder etwas unglaublich wichtiges zu berichten hatte und wartete noch immer auf Hannah's Antwort.

Als sich der Streifen von meinem Finger auf dem Display langsam aber sicher regelrecht einbrannte und noch immer keine Antwort von Hannah in Sicht war, beschloss ich, nochmal meine WhatsApp Kontakte durchzustalken. Dabei blieb ich an einem Kontakt hängen, von dem ich in dem Moment nicht mehr ganz sicher war, seit wann ich ihn eigentlich hatte. Patrick... war das nicht der Typ aus dem Französisch Kurs? Oder vielleicht... ach nein, Gott war ich dumm.

Nach einem kurzem Facepalm an mich selbst hatte mein Gehirn die richtige Lösung aus einer der versteckten Schubladen wieder rausgeholt und ich wusste wieder, welcher Patrick sich hinter der Nummer verbarg. Mit einem Klick auf den Kontakt konnte ich sehen, dass er erst vor ein paar Minuten zuletzt online war... das war doch Mal meine Chance.

Hey :) hier ist Jeka

Jeka? Du meinst wohl Jay? XD

Wieso denn Jay? XD

Ja weil das blöd aussieht wenn man J. Schreibt...

Alles klar :D

Also, was ist los?
Wieso hast du geschrieben?

Hab extrem Langeweile und
meine Freundin antwortet mir nicht...

Ach und jetzt bin ich der
beste Freundin Ersatz oder was? XD

Vielleicht...

Sprachnachricht 0:48

Okay, eine Sprachnachricht... sowas hatte ich noch nie bekommen. Er erklärte mir darin, dass er gleich wieder eine seiner Telefonkonferenzen hätte und deshalb vermutlich erst in einer halben Stunde wieder Antworten könnte. Schade.

Also begann ich, auf alles aus seiner Sprachnachricht nach und nach die Antworten einzutippen und dies schlussendlich abzusenden. Nebenbei merkte ich noch an, dass mir in letzter Zeit ziemlich oft ziemlich langweilig war und ich mich prinzipiell schon daran gewöhnt haben sollte.

Später fragte er mich auf meinen Tipp-Marathon hin noch, warum ich denn nicht auch einfach Audios machte, wozu ich schlichtweg erklärte, dass ich es immer merkwürdig fand, meine eigene Stimme dann im Nachhinein zu hören. Dazu erklärte er mir bloß, dass er es mittlerweile gewöhnt wäre, seine eigene Stimme regelmäßig zu hören und es deswegen auch kein Problem mehr für ihn war.

Warum das so war, wusste ich nicht, aber ich hatte im Moment andere Probleme, als mir über sowas Gedanken zu machen. Hannah zum Beispiel. Die hatte mir nämlich auch noch immer nicht geantwortet. Und sie war normalerweise der Typ Person, der innerhalb von maximal fünf Minuten geantwortet hatte. Anstatt mir jetzt aber groß Sorgen zu machen, beschloss ich, zu versuchen, mich damit abzufinden. Im Verlauf des weiteren Abends wurde es nicht wirklich spannender... Hannah wollte einfach nicht auf Whatsapp online gehen und Patrick war logischer Weise auch beschäftigt. Also hatte ich den restlichen Abend nur noch gelangweilt durch die Gegend geschaut, dabei ein wenig Musik gehört und mich schlussendlich doch dazu entschlossen, mich schon mal Bettfertig zu machen.

Ich war gerade dabei, mir die Zähne zu putzen, als mein Handy endlich wieder einen Ton von sich gab.

Wenn du immer so viel Langeweile
hast, kannst du ja einfach nächsten
Freitag wieder vorbeikommen :P

Noch nie hatte ich so schnell getippt wie jetzt gerade.

Mal sehen... obwohl, ich werd
wohl eh nix besseres zu tun haben, also gerne :D

Irgendwas in mir hatte sich mit dieser Nachricht offenbart. Es war ein Gefühl. Es war Bestätigung. Das Gefühl, dass irgendjemand einen wahrnahm. Das jemand tatsächlich daran interessiert war, was man tat und worüber man wie dachte...

Hannah hatte mir erst ziemlich spät Abends zurückgeschrieben, ich hatte vollkommen vergessen, dass sie ja noch irgendeine Probe bis halb neun gehabt hatte. Dementsprechend war ich ganz froh, dass ich zumindest in Patrick eine Art vorübergehenden Ersatz gefunden hatte. Und jetzt war das Einzige, dass ich noch tat, in meinem zu Bett liegen und darüber nachzudenken, dass morgen ja schon wieder Montag war. Ich mochte Montage nicht. Ich hatte Montags immer so ewig lang Schule und dann auch noch nachmittags den Stress mit diesem Wahlpflichtkurs, den jeder besuchen musste. Das bedeutete für mich, dass ich vermutlich bis fünf Uhr in der Schule rumgammeln durfte. Der Tag war noch nicht mal da und ich hatte schon keine Lust mehr auf ihn. Und ich werd' jetzt nicht auch noch anfangen, mich über das Wort Wahlpflichtkurs aufzuregen... dieses Paradoxon hatte ich auch noch lange nicht ergründen können.

Genug davon, ich sollte eigentlich einfach nur schlafen. Wenn da nicht auch noch dieser blöde spanische Ohrwurm wäre... und dabei konnte ich eigentlich gar kein Spanisch. Man kann sich wohl vorstellen, was für ein wirres Zeug ich also vor mich hin murmelte, ohne die Bedeutung der Wörter wirklich zu verstehen.

Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Gedanken machten das mit Absicht. Mich an Abenden, an denen es eigentlich besonders wichtig war, möglichst schnell einzuschlafen, so lange wie nur eben Möglich wach zu halten. Und dann war da natürlich auch noch die Sache mit Freitag...

Ich wartete nicht mehr auf Freitag, einfach weil es Freitag war. Ich wartete auf Freitag, weil ich wusste, dass ich dann wieder ich sein konnte. Ich, mit all meinen Problemen und ohne die Angst, sie verstecken zu müssen. Ja, Freitag würde ich wieder mein Herz ausschütten können. Das war wohl der eigentlich Grund...

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Irgendwie bin ich nicht hundertprozentig zufrieden... aber besser mal so ein naja Kapitel um weitermachen zu können als gar nicht, oder? Ich kann's ja ganz am Ende immer noch mal überarbeiten

Seit dem ersten TropfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt