Neunzehn

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Gustav war natürlich gleich gekommen. Er und Georg, dem er auch beschied gesagt hatte, versuchten mich zu trösten. Es klappte nicht sonderlich gut. Tom konnte das alles viel besser.

Für die nächsten tage konnte ich erstmal bei Gustav wohnen und ich dankte ihm so dafür. Meine Mutter würde mich nicht vermissen. Ich war schon öfter über Nacht weg geblieben. Vielleicht konnte sie mich ja sogar dieses mal verstehen. Es war mir eigentlich auch egal. Ich wollte nicht nach hause.

„Layla du...du tust mir so unendlich leid.", sagte Gustav leise. Ich nickte nur, saß zusammengekauert auf seinem Bett, guckte an die weiße Wand. Ich konnte ihm nicht antworten, denn ich wusste, dass wenn ich jetzt den Mund aufmachen würde, ich sofort wieder anfangen würde zu weinen.

Eine Zeit lang herrschte nur Stille. Georg und Gustav schienen ratlos, unterhielten sich leise. „Tom wüsste genau was jetzt zu tun wäre..." Plötzlich sprang Georg auf, wie von einer Tarantel gestochen. „Das ist es!" Vorsichtig wendete er sich mir zu. „Layla, hat dir Tom...hat dir Tom das gegeben, warum Sam hier ist?" Langsam nickte ich. „das ist doch großartig, dann wird sie verschwinden, wenn sie es hat und Tom wird bestimmt wieder kommen.", brachte Georg heraus. Es gab also doch noch Hoffnung?

Ich schluckte die Tränen herunter, dann ging ich zu meiner Jacke, in die ich das Stück Papier gesteckt hatte. Ich zog es aus meiner Jackentasche. Alles was Samira also wollte war ein lächerliches Stück Papier? „Willst du nicht gucken was drauf steht?", fragte Georg neugierig. „Nein, ich will nicht wissen warum sie wieder da ist, ich will nur dass sie wieder verschwindet. Irgendwann wird Tom es mir bestimmt sagen. Da bin ich mir sicher." Die beiden sagten nichts. Ich war mir sicher, dass sie gerne wissen wollten was Sam wollte.

Ich hatte mich etwas beruhigt, musste nicht mehr bei jeden Gedanken losweinen. Ich zog mir also meine Jacke an. „Wo willst du hin?", fragten mich die beiden etwas irritiert. „Na zu Sam. Sie soll so früh wie möglich von hier verschwinden." Den beiden klappte der Mund auf. „Aber Layla, du weißt doch gar nicht wo du sie finden kannst.", warf Georg ein. „Das stimmt", sagte ich leise, „ich weiß es nicht, aber Florian weiß es bestimmt." „Du willst wirklich zu Florian gehen?" Ich nickte. Ich wusste nicht wer sonst wissen könnte wo Samira sich jetzt aufhielt. Die beiden sagten nichts. Also verließ ich das Zimmer, ließ die beiden sprachlos zurück.

Der kürzeste weg zu Florian war mit der U-Bahn. Genau diese nahm ich auch und stand keine zehn Minuten später vor dem Haus, in dem Florian wohnte. Ich traute mich nicht zu klingeln. Irgendwie hatte mich auf den weg hier hin der Mut verlassen. Stopp! Reiß dich zusammen und klingel. Dann hat alles bald ein Ende. Ich drückte also doch die Klingel.

Kurze Zeit später öffnete jemand die Tür. Es war Florian. „Nicht du schon wieder.", gab er etwas genervt von sich. „Wo ist Sam?", brachte ich nur heraus. „Bitte?" „Wo ist Samira?" „Warum sollte ich dir das sagen?", lachte Florian los. „Weil du genauso wie ich willst, dass sie verschwindet." Ich hatte geraten, es war eine Vermutung, aber ich wusste das Florian es hasste die Nummer zwei zu sein. Sam war im Moment die Nummer eins. Er riss die Augen weit auf. „Du hast es?" Ich nickte. „Güterbahnhof...", brachte er leise heraus. „Danke." Er guckte mich mit verhasster Miene an. Schon klar, er mag mich ja immer noch nicht. Florian verschwand wieder im Haus und ich in Richtung Güterbahnhof.

Es war natürlich schon leicht dunkel geworden. Hier musste man echt gucken wo man hintrat. Ich begann Sams Namen zu rufen. Ein paar mal, bis ich merkte, dass jemand hinter mir stand und mich verfolgte. „Hallo Layla." ich versuchte sie kalt anzugucken. Wortlos nahm ich das Stück papier aus meiner Jackentasche gab es ihr. „So und jetzt verschwinde und zwar für immer.", brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. Samira grinste mich an, dann drehte sie sich um und verschwand. Das war's!?

Erst als es dunkel war kam ich wieder bei Gustav zuhause an. Ich war müde, legte mich sofort schlafen. Glücklich, denn Tom würde bald wiederkommen.

Ein ganzer Monat verging. Ein Monat in dem Georg und Gustav viel mehr Kontakt mit Tom hatten als sonst. Ich durfte zwar nie mit ihm reden, aber Georg und Gustav erzählten mir so einiges. Ich musste wieder zuhause bei meiner Mutter einziehen. Mein 'Vater' kam ab und zu vorbei. Ich redete mit ihm kein Wort. Das schlimmste aber war, dass Sam keine Anstalten machten Hamburg zu verlassen. Ganz im Gegenteil, sie hatte sich sogar erst vor kurzem an meiner schule angemeldet. Das machte mich wütend. Sehr sogar. Sie hatte das was sie wollte und verschwand einfach nicht aus meinem Leben!

Ich musste sie zur rede stellen und genau das würde ich jetzt tun. Ich war auf dem Weg in die eine Sackgasse, dort, wo ich Tom das erste mal gesehen hatte, hier sollte alles enden. Ich bog um die Ecke. Es dämmerte schon. Sam stand mit den Händen vor der Brust verschenkt an die Mauer gelehnt, betrachtete ein Graffiti, welches gegenüber an der wand von ihr war. „Sam!", ich schrie sie an. „Layla, schön dich zu sehen.", lachte sie los. „Ich will jetzt sofort antworten haben." Samiras Mine wurde kalt. Eiskalt. „Was willst du denn von mir wissen?" Sie verzog keine Mine. „Warum bist du immer noch hier?"

Graffiti IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt